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In Mother! lebt ein namenloses Ehepaar in einem viktorianisches Anwesen mitten im Nirgendwo. Der Ehemann (Javier Bardem) ist Dichter und leidet schon seit Längerem unter einer Schreibblockade, während seine junge Gattin (Jennifer Lawrence) das riesige Landhaus mit viel Aufwand renoviert. Eines Tages steht ein Unbekannter (Ed Harris) vor der Tür, kurz darauf stößt auch dessen Ehefrau (Michelle Pfeiffer) zur Gruppe hinzu. Da die beiden sich blendend mit dem Dichter verstehen, werden sie spontan von ihm eingeladen, länger im Haus zu verweilen, was diese mit Freude annehmen, während die junge Ehefrau deutlich weniger begeistert ist.
Schon bald erweisen sich die neuen Gäste, zu denen kurz darauf noch deren Söhne (Domhnall und Brian Gleeson) und später sogar Scharen von Bewunderern stoßen, als recht übergriffig, was kurz darauf in einem tödlichen Zwischenfall mündet. Doch nicht nur die Ereignisse zwischen den Bewohnern und Besuchern steuern mit jeder Szene immer weiter auf das Schlimmste zu, sondern auch das Haus selbst scheint seinen eigenen Willen zu haben.
Hinein in den Kaninchenbau
Es geht immer noch ein bißchen tiefer hinunter in den Kaninchenbau. Wie das Abrutschen in die Psychose überzeugend präsentiert werden kann, hat Darren Aronofsky bereits bei Requiem for a Dream und Black Swan gezeigt. Mit dem Psycho-Beziehungsdrama Mother! spaltet er seit der Premiere bei den Internationalen Filmfestspielen in Venedig erneut die Gemüter.
Jennifer Lawrence und Javier Bardem stellen hier in Aronofskys erstmals explizit als Horrorfilm ausgewiesenen Werk den Teufelskreis einer selbstzerstörerischen Beziehung nach - allerdings schaltet der Regisseur hier in allen Belangen bald ein paar Gänge höher als gewohnt. Die altbekannte Geschichte vom Gruselhaus mit einigen Schockmomenten und Gore-Elementen ist eigentlich die des Innenlebens eines längst voneinander entfremdeten Paares.
Übergriffig und Spaß dabei
Jennifer Lawrence spielt die verzweifelte und einsame Ehefrau mit beeindruckender Hingabe und Konsequenz, während Javier Bardem den eitlen und publikumssüchtigen Dichter, an dem jede Kritik seitens seiner Ehefrau vollkommen abprallt, ebenfalls sehr überzeugend gibt. Ed Harris und Michelle Pfeiffer spielen die unangenehmen Gäste, die gern auch in der Privatsphäre des jungen Paares wühlen, mit einem derartigen Spaß an der Sache, dass sich der Zuschauer an Polanskis Der Gott des Gemetzels erinnert fühlt. Von den beiden Gleeson-Brüder hätte man gern etwas mehr gesehen. Dies gilt auch für Kristen Wiig, die in der Rolle der unangenehmen Literaturagentin leider nur einen kurzen Auftritt hat.
Blutig, organisch, tödlich
Aronofsky bedient sich in Mother! mit sichtbarer Freude an klassischen bildlichen Horror-Elementen wie knarrenden Türen, blutenden Dielen, atmenden Wänden und zwielichtigen Besuchern und schafft so sehr wirksam eine möglichst unwirtliche Stimmung zwischen allen Beteiligten. Das spiegelt sich auch in der Kameraarbeit wieder: Die dunklen und kahlen Räume und einsame Landschaft spiegeln die Verlorenheit der Protagonisten wirkungsvoll wider. Das mit den Protagonisten organisch verwachsene Haus wird mit simplen, aber wirkungsvollen Effekten zur dritten Hauptfigur neben dem Ehepaar.
Fazit
Die Feuilletons sind gespalten, und das zurecht: Nach etwa einer Stunde Laufzeit nimmt Mother! Fahrt in Richtung eines vollkommen irren und unerwarteten Chaos auf. An dieser Stelle läuft der Film für so manchen Zuschauer Gefahr, ins Lächerliche und Übertriebene zu kippen – und genau deshalb polarisiert und funktioniert er in seiner unbedingten Krassheit.
Aronofsky verlangt dem Zuschauer eine Menge ab, wenn er in einem immer mehr anziehenden Tempo den absoluten Willen zur totalen Zerstörung seiner Protagonisten und der kompletten Szenerie zelebriert. Trotz aller Stereotype und bekannten Handlungsmuster, die hier immer wieder auftauchen, muss man hier vor der Konsequenz des Regisseurs durchaus den Hut ziehen.