Unternehmen Papbst

Clifford D. Simak

„Unternehmen Papst“ ist Clifford D. Simaks vorletzter Science Fiction Roman. Dazwischen stand eine Exkursion in den Bereich der eher klassischen Fantasy mit „Im Land des Drachen“. Der Amerikaner hat den Roman nach einer sehr langen erfolgreichen Karriere im Alter von immerhin schon sechsundsiebzig Jahren verfasst.

 Das Buch erschien in den achtziger Jahren im Rahmen der Hardcoverreihe des „Hohenheim“ Verlages aus Köln und stellt in vielen Punkten eine gute Zusammenfassung des optimistischen Weltbilds Clifford D. Simaks dar, für den nicht selten die Reise an sich egal ob dank einer Transferstation auf der Erde oder zu den Startplätzen längst vergessener Raumschiffe auf einer zivilisatorisch zusammengebrochenen Erde oder wie in seinem Fugenroman „City“ dank der Erzählungen der Hunde wichtiger gewesen ist als das Ankommen. Darum könnten auch einige Leser vor allem das offene Ende kritisieren, in dem Clifford D. Simak eben nicht die Antworten auf eine der wichtigsten Fragen des ganzen Romans gibt: haben die Lauscher tatsächlich den oder einen Himmel gefunden.

 Auch das Titel „Unternehmen Papst“ ist weder in der deutschen noch der amerikanischen Fassung abschließend glücklich gewählt. Denn der Pabst als der Stellvertreter Gottes auf nicht nur der Erde, sondern verschiedenen Welten ist in diesem Fall der Katalysator, im Grunde der Antrieb, welche einer Dekadenz und schließlich den Zusammenbruch nicht nur dieser auf einer abgelegenen Welt gegründeten Robotergemeinschaft verhindern muss. Aber das eigentliche Unternehmen ist weder die Erschaffung eines neuen Glaubens oder eine Manifestation der katholischen Lehren, sondern eine Suche nach neuen Erkenntnissen, nach Wissen, das archiviert, aber weniger analysiert werden kann. Ohne diese wie ein Perpetuum Mobile erscheinende Antriebsfeder ist jede kleine Gemeinschaft zum Stillstand und damit auch zum Rückschritt verdammt.

 Wie in zahlreichen Clifford D. Simak Romanen sind es „normale“ Menschen mit jeweiligen Vergangenheiten, die mehr und mehr zum Mittler werden.  

 Jason Tennyson hat auf einer abgeschiedenen Welt als Arzt gearbeitet. Nur hat er einen wichtigen Patienten verloren, was einzelne Clanmitglieder mit Absicht gleichsetzen. Er muss schnell von dem Planeten fliehen, stiehlt die Jacke eines Frachterbesatzungsmitglieds, ohne zu wissen, wohin der Flug wirklich geht.

 Jill Roberts ist eine attraktive Journalistin, deren eine Gesichtshälfte eine unansehnliche Narbe von einem ihrer Aufträge ziert. Sie will über den Vatikan 17 auf dem Planeten „End of Nothing“ berichten. Auf dem Flug dahin trifft sie an Bord auf Tennyson, der unter allen Umständen verhindern möchte, dass er wieder zu seiner Abflugwelt zurücktransportiert wird.

 Im Laufe der Geschichte kommen sich die beiden Protagonisten näher, auch wenn sich die anfänglich kritisch naive Jill Roberts zu einer „Gläubigen“ entwickelt, während es vor allem Jason Tennyson durch die Begegnung mit dem Einsiedler Decker, seinem Begleiter Flüsterer und schließlich auch dem Papst mehr und mehr zu einem ambivalenten Bewunderer, aber niemals Anhänger wird.

 Die Liebesgeschichte ist sehr einfach aufgebaut. Clifford D. Simak bemüht sich, keine Klischees zu verwenden und offensichtlich geht es den beiden Menschen eher darum, die Lücken in der eigenen Persönlichkeit dank des Partners zu schließen als Ekstase oder reine Lust zu empfinden. Unter Verzicht auf jegliche Altherrenphantasien entwickelt der Amerikaner mit sehr viel Liebe zum Detail, aber vor allem auch der Geduld der Lebenserfahrung zwei sehr interessante Figuren konsequent weiter, deren Grundzüge wie die eifrige Reportin noch an Clifford D. Simak eigene Karriere erinnern. In vielen Romanen greift der Amerikaner gerne auf die schreibende Zunft als Mittler zum Leser zurück, wobei Jills Roberts Charakter erstaunlich zurückhaltend agiert und vieles ihr erst aus der dritten Erzählebene berichtet wird  Positiv dagegen ist, dass sie im Grunde die historische Klammer um die gegenwärtigen Geschehnisse und vor allem auch Befürchtungen legen kann und sie dadurch diesem inhaltlich intellektuell stimulierenden, aber nicht auf plumpe Action – bis auf eine einzelne heraus stechende Szene – angewiesenen Buch die abschließende erklärende Tiefe durch ihre Recherchen und vor allem ihren allerdings konstruiert erscheinenden Zufallsfund verleiht.

 Der Vatikan 17 ist allerdings die herausragende wie faszinierende Schöpfung. Auf den ersten Blick erscheint sie fast absurd. Roboter verlassen die Erde und gründen einen im Grunde mechanischen Vatikan. Sie können mit guter gegenseitiger Pflege ewig leben und viele der christlichen Glaubenslehren prallen im Grunde an ihnen ab. Clifford D. Simak bewegt sich auf einem ausgesprochen schmalen Grat. Der Plot könnte jederzeit in die Lächerlichkeit abdriften, aber souverän zeigt er immer wieder wie ein weiser Ratgeber auf, dass die eingeschränkte Perspektive der Menschen „falsch“ und im Grunde auch emotional naiv ist, während die Roboter inklusiv der zahllosen zum Vatikan 17 pilgernden Außerirdischen im Grunde eine perfekte ökologische Nische sich erschaffen haben. Die Roboter brauchen natürliche Rohstoffe vor allem für die wenigen Menschen und die Pilger. Sie gehen mit den Resourcen der paradiesischen Welt respektvoll um und pflanzen für jeden gefällten Baum einen neuen Stamm. Sie ahnen dabei nicht, dass ihre Vorgehensweise die letzte inhaltliche Zwiebelschale dieses Buches nicht in religiöser, sondern klassischer Science Fiction Manier öffnet.

 Die Roboter verfügen über Lauscher, die ihren Geist durch das All streifen lassen. Sie zeichnen ihre Erfahrungen, Visionen und schließlich auch Eindrücke auf. Diese Würfel werden analysiert und archiviert. Der Klappentext legt sehr viel Wert auf den Moment, als ausgerechnet die ältere Frau mit Namen Maria der Ansicht ist, in den Himmel vorgestoßen zu sein. Es gibt allerdings keine Koordinaten und die Bilder wirken so, das man sie in fast alle Richtungen interpretieren kann. Für die Roboter ist es aber weniger das Ziel ihrer Wünsche, sondern die „Ursünde“. Sollte es bekannt werden, könnten Millionen von Menschen auf den einsamen Planeten strömen und nicht nur ihre kleine Gemeinschaft unterminieren, sondern das fragile ökologische Gleichgewicht mit undenkbaren Folgen zerstören.

 Jill Roberts auf der einen Seite und Jason Tennyson als der Arzt der Patientin auf der anderen Seite stehen vor einer schwierigen Herausforderung, wobei insbesondere der Einsiedler Decker mit seinem Schatten Flüsterer plötzlich auch eine Position einnimmt.

 „Unternehmen Papst“ ist vor allem ein intellektuelles Versatzspiel, in dem Clifford D. Simak auf eine angenehme, zurückhaltende, aber auch intellektuell stimulierende Art und Weise mit vielen Themen nicht nur seines Werkes, sondern auch anderer Autoren wie Philip K. Dicks „Valis“ Trilogie spielt und sie auf eine eigene, vielleicht fast eigensinnig erscheinende Art und Weise interpretiert.

 Im Gegensatz zu seinen sehr kurzweiligen und vor allem auch kompakten, warmherzigen ersten Büchern ist der Aufbau des Roman komplexer, am Ende auch ein wenig komplizierter. Aber Clifford D. Simak positioniert sich mit einer interessanten These, die als Provokation gegen alle Glaubensrichtungen angesehen werden könnte, wenn sich nicht die Urideen vieler Religionen ausgerechnet in den Worten eines Roboterpapst manifestieren, welcher im Brückenschlag der gegenwärtigen Menschheit mehr Verstand und Weitsicht einräumt als diese es vielleicht glauben wollen oder können. Wäre es Clifford D. Simaks letztes Buches, dann könnte man von einem gelungenen Vermächtnis sprechen. Es ist vielleicht nicht die ideale Einstiegslektüre in das empfehlenswerte Werk des Amerikaners, aber es unterstreicht, das dieser selbst in den zynischen achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts mitten im Kalten Krieg weiterhin ein vielleicht ein wenig naiver, aber erkennbar positiv denkender Humanist gewesen ist.    

Unternehmen Papst

  • Gebundene Ausgabe: 369 Seiten
  • Verlag: Hohenheim Verlag (April 1984)
  • ISBN-10: 3814700368
  • ISBN-13: 978-3814700366