Zwischen den Zeiten

Gerard Klein

Gerard Klein ist für seinen Roman „Zwischen den Zeiten“ mit dem Jules Verne Preis 1968 ausgezeichnet worden. Wie alle anderen in deutsch übersetzten Bücher erschien das Werk auch in der DAW Press in einer englischen Übersetzung.

 Der Roman ist eine fast klassische Gerard Klein Geschichte, in welcher er sich vor dem Hintergrund einer Actionorientierten Geschichte mit einer Reihe von sozialpolitischen Themen auseinandersetzt. Einzelne Facetten wird der Leser zum Beispiel in „Die Herren des Krieges“ – als Terra Taschenbuch publiziert worden – wieder finden.

 Wie Isaac Asimov setzt sich der Franzose aber auch mit der Stabilität bzw. Destruktion von Imperien auseinander, die von Menschen gegründet worden sind. Sie haben ihren Machthöhepunkt wie das alte Rom überschritten und sich nach Möglichkeiten, entweder die vorhandene Macht durch aggressive Kriege zu erhalten oder jegliche Bedrohungen im Keim zu ersticken. Altair II ist zwar ein abseits gelegener Planet. Da sich dort aber einer der Zeitmaschinen befindet, wird der Planet indirekt zu einem der wichtigsten Stützpunkte des mehr als sechstausend bewohnte Welten umfassenden Reiches. Gerard Klein versucht auf den ersten und den letzten Seiten die verschiedenen Gesetze seiner Zeitreise zu erläutern. Zeitreise verbraucht unendlich viel Energie, so dass eine Reise in die Zukunft nahezu ausgeschlossen ist. Die Reise in die Vergangenheit ist auch quasi eine Art Schienenstrang. Das Ziel wird definiert und mittels einer Boje markiert. Von dort kann in regelmäßigen Intervallen wieder in die Gegenwart als Ausgangspunkt der Reise zurückgekehrt werden.

 Gerard Klein baut aber noch einen weiteren Aspekt ein, der eher diffus erscheint und dem der Autor im Laufe der Handlung widerspricht. Um Zeitparadoxe zu verhindern, sollen die Zeitreisenden quasi nicht nur durch die Zeit, sondern auch eine Distanz im All bis zu ihrem Zielplaneten durchqueren.

 Die Föderation hat zu ihrem Machterhalt eine Zeiteingreiftruppe erschaffen. Spezialisten, die in die Vergangenheit von Welten reisen und dort schon zukünftige Bedrohungen des Sternenreichs rücksichtslos eliminieren. Mit der Ausschaltung potentieller Welten soll die Macht erhalten werden.

 Jorgenssen reist mit seinem Team von Spezialisten – sechs weitere kurz vorgestellte Männer und Frauen – in die Vergangenheit des Planeten Ygone. Sie sollen in der Hauptstadt eine Art Psychosonde hinterlassen, welches das Gewaltpotential der friedlichen Menschen steigert und sie ihren eigenen Planeten vernichten lässt.

 Jede einzelne Facette der Missionen wird quasi auf Augenhöhe erläutert. Dabei baut Gerard Klein auf Kontraste. Ambivalent, aber auch oberflächlich wird das dekadente gegenwärtige Reich beschrieben, das sich wie eingangs erwähnt mittels Handlanger den Rücken freihält. Auf dem Planeten Ygone lebt eine archaische, ökologisch ausgerichtete Nation,  die in einer Art Symbiose mit gigantischen Bäumen lebt, in deren Geäst sie ihre Häuser gebaut haben. Im Laufe des Buches lernt Jorgenssen mehr über diese Menschen und ihre Lebensart.

 Natürlich muss Gerard Klein einen unmöglichen „Gegner“ erschaffen, um Jorgenssens Glauben zu erschüttern. Angesichts seiner Ausbildung geht dieser Gesinnungswandel inklusiv des Verliebens in einer Ureinwohnerin fast zu leicht. Gerard Klein versucht die Ideen groß und die einzelnen Charaktere „klein“ und mechanisch zu halten.

 Ein großes Problem ist die Auflösung des Plots. Hier greift Gerard Klein fast zu offensichtlich auf verschiedene Schemata des Genres zurück. Der Planet hat eine wichtige Bedeutung, welche sich dem Leser spätestens nach den wichtigen Funden eher entschließt als dem Team. Interessant ist, dass Gerard Klein anschließend von einer Art sich selbst erfüllenden Prophezeiung ausgeht, denn die gerufenen Geister versuchen das Unheil wieder gut zu machen. Das führt zu einer Art Möbiusschleife, die Gerard Klein vorher schon angedeutet, aber erst gegen Ende des Buches abgeschlossen hat.

 Viele der soziologischen Ideen inklusiv der für die sechziger Jahre so typischen alternativen fast an die Hippies in Kommunen erinnernden Lebensart werden angerissen, aber nicht weiter entwickelt. Das gilt auch für die Darstellung von Frauen. Sie dienen in den meisten seiner Bücher nur als Stichwortgeber. Positiv ist aber auch, das Gerard Kleins Männer niemals überdimensionale Machos sind. Auch wenn sie wie die Temporalkrieger dieses Buches ausgezeichnet ausgebildet worden sind, beginnen sie an ihrer Missionen zu zweifeln und die Absichten ihrer Vorgesetzten zu hinterfragen, um sich aus der gedanklichen Umklammerung zu lösen und indirekt die Aufgaben zu erfüllen, zu deren Verhindern sie in die Vergangenheit geschickt worden sind. 

 Auch Jorgenssens verschiedene Konflikte wirken abschließend ein wenig absichtlich ablenkend, auch wenn der Autor das Team zum ersten Mal anscheinend in der Geschichte der Federation mit einer unlösbaren Aufgabe konfrontiert. Gerard Klein impliziert aber, dass die Mächtigen an der Spitze des Reiches die Konfliktpotentiale viel früher erahnt und deswegen die radikalen Lösungen ergriffen haben.

 Im Gegensatz zu seinem politischen Roman „Die Herrschaft des Zufalls“ – im Heyne Verlag unter Pseudonym veröffentlicht worden – präsentiert der Autor aber keine finale Lösung und lässt viele rote Fäden offen zurück. Der Weg ist in diesem Fall das Ziel.

 Schwierig wird es allerdings, wenn er verschiedene Konfliktszenarien anreißt und wie erwähnt damit den zu Beginn aufgestellten Prämissen hinsichtlich möglicher Zeitparadoxa durch seine Handlung, aber nicht theoretische Abhandlungen widerspricht. Auch sein kleines Epos „Die Herren des Krieges“ wirkt genau in diesem Punkt pragmatisch wie nachlässig konstruiert.

 „Zwischen den Zeiten“ ist wie die erwähnten anderen Arbeiten Gerard Kleins kurzweilig zu lesen. Auch in der teilweise weniger holprig als die englische Ausgabe wirkenden Übersetzung ist der Autor in der Lage, einen phantastischen, für die damalige Zeit wahrscheinlich noch originelleren als heute wirkenden Hintergrund zu entwickeln, vor dem er das übersteigerte Bild der Supersoldaten fast genüsslich demontiert und sie an den eigenen Egos scheitern lässt.

   Gerard Klein ist einer der wenigen nicht englischen Autoren, der regelmäßig vor allem im Pabel Verlag eine Handvoll Werke publizieren konnte. Alleine das hebt ihn aus de Masse der Heftromanautoren heraus, auch wenn er intellektuell stimulierend sich handlungstechnisch manchmal unnötig komplizierte, sich selbst widersprechende Wege ausgesucht hat, um klassische Motive des Genres nur zu verfremden, aber nicht neu zu entwickeln. Deutlich weniger stark gealtert als einige anderen Romane aus den sechziger Jahren lohnt es sich, die insgesamt nur vier Arbeiten antiquarisch zu suchen und einen der wichtigsten modernern Vertreter der französischen Science Fiction durchaus eher über diesen unterschätzten Roman als sein überall herausgestelltes „Herren des Krieges“ Epos kennenzulernen.  .

   

Terra Astra #129. 1974

Terra Astra 129

Heftroman, 60 Seiten