PR Neo 53- Gestrandet in der Nacht

Oliver Plschka

Oliver Plaschka präsentiert mit „Gestrandet in der Nacht“ quasi ein Arkonidenspezial. Die Haupthandlung wird kaum vorangetrieben, nur die Aufmerksamkeit verschiedener Kräfte auf das Raumschiff gelenkt, das Atlan und Perry Rhodan beherbergt. Was die Hintergrundinformationen angeht, so verhalten sich Plaschka und Borsch erstaunlich ambivalent. 

Die Auseinandersetzung zwischen der Rudergängerin Ihin da Achran und dem Lotsenchef Anra Thir Nom ist der Kampf um die goldene Ananas. Entweder gibt es das imperiale Dekret noch, das ein Konvoi aus nur 177 Schiffen bestehen muss oder nicht. Entweder kann man die Leere über den Abgrund – bislang lag Arkon eher in der Milchstraße – auch ohne Lotsen überwinden oder nicht. 35 Lotsenstationen für Sprünge a 500 Lichtjahre wirken irgendwie archaisch. Eine Idee, die Karl Herbert Scheer und Walter Ernsting erst im MDI Zyklus dann allerdings effektiv einsetzten. Natürlich muss bei einer unheiligen Zahl während des Fluges einiges passieren und es passiert auch. Aber die einzelnen Facetten dieser Handlungsebene sind derartig distanziert und langweilig von Oliver Plaschka erzählt worden, das der Leser schnell das Interesse verliert. Es ist erstaunlich, wie wenig Dynamik und Spannung die „Neo“ Autoren aus zumindest in der Theorie interessanten Szenarien gewinnen können. Das Format der Taschenhefte erweist sich seit zwei Zyklen als kontraproduktiv, da die Autoren zur Geschwätzigkeit neigen und der Exposekrat auch bei „Arkon“ mit zwölf Taschenheften gegen Ende strukturelle Probleme bekommen wird. Zu wenig ist in der ersten Hälfte dieser Miniserie nachvollziehbar passiert.

Viel schlimmer ist, dass Plaschka ambivalent mit einer bösen zerstörerischen Kraft an Bord des Leitschiffes argumentieren muss. Eine Auflösung wird erst in einem der nächsten Romane erfolgen, aber der Versuch, Perry Rhodan in den Bereich des mystisch Übernatürlichen abdriften zu lassen, ist erschreckend harmlos gestaltet. Im Grunde besteht dieser Handlungsbogen aus einer Reihe von Andeutungen, Vermutungen und Hinweisen, umrankt von durchschnittlich geschriebenen Dialogen im Grunde nerviger Besserwisser, die alle ohne wirkliche Argumentationsketten ihre Standpunkte durchzusetzen suchen.

Der zweite Handlungsbogen ist als „Atlan“ Special auf der einen Seite ambivalenter gestaltet, auf der anderen Seite beginnt Atlan als „Protagonist“ und Gegengewicht zu Perry Rhodan deutlich zu bröckeln. Ob es wirklich förderlich ist, keine klassischen Helden mehr zu präsentieren. Pery Rhodan ist ein Zauderer und zögert in wichtigen Punkten elementare Entscheidungen hinaus. In einem Punkt kann der Leser aber dessen vorsichtige Haltung im Gegensatz zum „dummen“ Atlan nachvollziehen. Perry Rhodan glaubt nicht an das Geschenk des ewigen Lebens ohne Gegenleistungen und möchte erst alle Bedingungen kennen. Das erweckt in Atlan Unverständnis, der genau diesen Schritt vollzogen hat. In den Rückblenden des vorliegenden Romans folgt Atlan der Botschaft eines Allerweltsarkoniden – dieses Thema wird so oft betont, das man sich fragt, wie ein offensichtlicher Offizier und Adliger wie Atlan  überhaupt auf die Nachricht eines Gewöhnlichen überhaupt hören kann – und fliegt los, wo er auf einem Planeten an Bord eines grob würfelförmigen (!!!) Raumschiffs mit dreihundertfünfzig Meter Kantenlänge und einer offenen (!!!) Bauweise mit dem Scheer´schen Satz „Meinen Leib zu betreten“ empfangen wird. Hier wird ihm nicht nur der Zellaktivator geschenkt, sondern zur Beendigung des Methankrieges auch die Konstruktionsunterlagen, die er umgehend an der arkonidische Imperium schickt. Ein paranoides Volk wie die Arkoniden würde diese Pläne wahrscheinlich erst einmal jahrelang prüfen, aber zumindest wie in den voran gegangenen Romanen suggeriert nicht einmal über einen Zeitraum von zehntausend Jahren verlieren, zumal die Konverterkanone auch in der Gegenwart eine Art ultimative Waffe sein könnte. Zum Abschluss dieses bizarren Rückblicks kommt es noch einmal zu einem Treffen des Allerweltsarkoniden mit Atlan am Strand der Welt. Romantische Szene ohne wirkliche Inhalte. In dieser ganzen Sequenz agiert Atlan nicht nur naiv, sondern insbesondere Angesichts der Wichtigkeit seiner Persönlichkeit naiv. Er denkt weder an eine Falle noch hinterfragt er die Absichten des Fremden, der allerdings auf übernatürliche Fähigkeiten zurückgreifen kann. Noch interessanter ist im Vergleich zur alten Heftromanserie, dass Superintelligenzen auch anderen Völkern bekannt gewesen sein. Das passt auch zum Hinweis von „Es“ oder „Anti- Es“, das er im Grunde nicht auf der Erde gestrandet ist, sondern einen Auftrag erfüllt: die Menschen zu hüten und zu den Sternen zu führen. Wie gut, dass Atlan diese Mission anscheinend selbst vergessen hat, denn die ersten Rückblenden aus den zwanziger „Neo“ Heften zeigen  das Gegenteil auf. Hier konnte sich der Arkonide in letzter Sekunde unter Lebensgefahr in die Unterwasserkuppel retten, in der er in regelmäßigen Abständen aufwachend die Menschen besuchte und ihnen half, einen Weg zu den Sternen zu finden, um nach Hause zu kommen. Das Atlan dabei nicht auf die Suche nach der zahlreichen Raumschiffwracks gegangen ist, welche auf den Böden der irdischen Meere liegen und umgehend wieder flugfähig sind, ist ein Aspekt, über den die Autoren vorsichtshalber den Mantel des Schweigens gelegt haben. In der alten Serie hat „Es“ lange Zeit als einzige Superintelligenz den Weg der Menschheit begleitet, wobei sich die Menschen in erster Linie selbst geholfen haben – siehe „Old Man“ im „M87“ Zyklus – und erst später im Rahmen des Zwiebelschalenmodells weitere Superintelligenzen mit eigenen Absichten eingeführt worden sind. Wie schon angesprochen verliert der anfänglich charismatisch interessante Atlan mehr und mehr an Profil. In Bezug auf den Cliffhangar des letzten Minizyklus erhält „Atlan“ von seiner Superintelligenz die Anweisung, den Regenten auszuschalten und seine Expansionspolitik zu verhindern, während Ernst Ellert anscheinend von seinem Mentor andere Hinweise bekommen hat. Es gilt nicht nur diesen Widerspruch aufzuklären, der Leser hat an keiner Stelle des Gefühl, als dränge das dekadente arkonidische Imperium noch nach außen.

Zwei andere Punkte ragen noch aus diesem Taschenheft heraus. Da wäre der Sprung nach Derogwanien und das Verhalten Ricos. Ricos ist kein klassischer Roboter und Helfen. Er erinnert ein wenig an den Diener des Konzils der Sieben und an einen Gegenspieler zum ebenfalls sehr viel interessanter und vielschichtiger beschriebenen Homunuk, „Es“ Helfer. Rico ist ein Gestaltwandler, der Atlan sehr aktiv vorantreibt und im Notfall auch paralysiert, was eine Gedächtnislöschung zur Folge hat. Bedenkt man diese Entwicklung, dann stellt sich im Leser unwillkürlich die Frage, warum Atlan mit so viel Unverständnis auf Rhodans Zögern hinsichtlich der Unsterblichkeit reagiert, da er selbst zu einem willenlosen Diener von Mächten geworden ist, die er nicht verstehen oder gar kontrollieren kann. Ricos Aufgabe wirkt eher ambivalent beschrieben, da er erstens für einen Roboter oder Cyborg über extreme Gefühle verfügt, die auch in Hass gegenüber den Menschen gipfeln, die er zumindest indirekt Atlans Mission folgend schützen soll. Sollte auf der anderen Seite das nicht Ricos Auftrag sein, dann hätte er Atlan schon lange mehrfach umbringen können, um dessen Erfolg zu verhindern. Warum Rico angeblich in die Enge gedrängt, so extrem reagiert, ist ein weiterer Punkt, den Oliver Plaschka zu wenig hinterfragt. Immerhin handelt es sich offensichtlich um eine künstliche Intelligenz, die alle Optionen logisch durchrechnet und sich dann entscheidet. Ricos Reaktion ist – ein unglückliches Wortspiel – zu menschlich, als das sie überzeugen kann. Zusätzlich – um den Bogen zum Puppenspieler auf Derogwanien zu schlagen –bezeichnet Rico sowohl den Puppenspieler Callibso als auch „Es“ als Feind in dem Konflikt des evolutionären Ringens der Humanoiden und der Nichthumanoiden. Sollte Atlan tatsächlich einen Auftrag von „Es“ erhalten haben, auf die Menschheit aufzupassen, dann hat Rico in Bezug auf seine Aufgabe versagt. Sollte Atlan seinen Auftrag eher von Borg ähnlichen Kreaturen oder gar dem Konzil der Sieben erhalten haben, dann stellt sich die Frage, warum diese zusammen mit „Es“ Interesse an einer Weiterentwicklung der Menschheit haben und warum diese dann von Rico als nicht auftragstechnisch feindlich eingestuft werden. Wenn Rico am Ende Atlan einen zweiten Zellaktivator gibt, um ihn dem Regenten zuzuspielen und damit das Arkonreich zu destabilisieren. Da haben es Christian Montillon und Wim Vandemaan sehr viel intelligenter gemacht. Auch hier spielt ein Zellaktivator eine wichtige Rolle. In der alten Serie kann der Leser nachvollziehen, das die öffentlich verlautbarte Idee, einen Zellaktivator zu erobern, für Unruhe und Bürgerkriegsähnliche Zustände auf Arkon sorgen könnte. Warum ein heimlich dem Regenten zugespielter Aktivator die Oberschicht destabilisieren soll, ist in der vorliegenden Form Wunschdenken. Der Leser könnte vermuten, dass Zellaktivator mit Manipulator gleichgesetzt werden könnte, der den Regenten fernsteuert und ihn zu Entscheidungen bringt, welche den Fortbestand des arkonidischen Imperiums gefährden, was wiederum zu einem Aufstand der um seine Privilegien bangenden Oberschicht führen könnte. Die ganzen Planungen sind nicht nur äußerst kompliziert angelegt, sie ergeben auch teilweise keinen Sinn. Wie befreit wirkt die alte Serie, nachdem die beiden neuen Exposeautoren mit dem Oberbau Schluss gemacht haben. Frank Borsch als bislang allerhöchstens durchschnittlicher Exposeautor droht sich in seinem Gewirr zu verfangen. Und die These, dass Rico Atlan missbraucht, um die Nichthumanoiden Maahks eine zweite Chance zu geben, wirkt angesichts der „überirdischen“ Hilfe vor zehntausend Jahren eher bemüht.

„Gestrandet in der Nacht“ ist zum wiederholten Mal kein Roman, in welchem dem Leser Fragen beantwortet werden. Die Hinweise wirken ambivalent und widersprüchlich zu gleich. Viel schlimmer ist, das sich Frank Borsch mit der Einführung „halber“ Superintelligenzen, die weniger an Posbis, denn Borgs erinnern noch weiter in die Enge geschrieben haben. Das der ganze Minizyklus nur wenige hundert Lichtjahre vorankommt und dass das offene Geheimnis um Crysalgiras Schiff quasi heraus telegraphiert worden ist, erzeugt nicht die gewünschte Spannung. Über Atlans „Raumkrankheit“ als Auslöser der Rückblenden kann der Leser zumindest schmunzeln, alles kann selbst der beste Zellaktivator nicht mehr kompensieren. Oliver Plaschkas dieses Mal eher bemühter Stil mit teilweise verkrampft überzogenen Dialogen trägt leider auch nicht zum weiten „Lesevergnügen“ bei.

Pabel Verlag, Taschenheft , 160 Seiten

Erschienen September 2013

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