Ihn riefen die Sterne

Ihn riefen die Sterne, Titelbild, Rezension
Rainer Schorm und Jörg Weigand (Hrsg.)

5 Jahre nach seinem Tod im März 2012 veröffentlicht der Verlag p.machinery von Rainer Schorm und Jörg Weigand zusammengestellt mit „Ihn riefen die Sterne“ eine Würdigung des Lebens und Schaffens Hanns Kneifels. Der Titel ist natürlich eine gelungene Anspielung auf einen seiner bekanntesten Romane „Uns riefen die Sterne“ und wenn man einigen der Würdigungen folgt im Grunde auch eine geschickte Zusammenfassung von Kneifels umfangreichen, vielleicht rückblickend stellenweise auch zu umfangreichen Werkes, das nicht nur mit den ATLAN Zeitabenteuern, sondern auch den historischen Romanen tief in die Menschheitsgeschichte zurückblickte, aber auch weit in die fernen Galaxis mit seinen kneifelnden Protagonisten. Wie in der Perry Rhodan Serie und vor allem den Planetenromanen auch außerhalb der populären Zeitabenteuer hat Kneifel auch in seinen serienunabhängigen Science Fiction Romanen immer Menschen beschrieben, die instinktiv und improvisierend über sich in Extremsituationen hinauswachsen mussten, um charakterlich gereift ihren Mann zu stehen.

 Einem Gedenkband kann man sich aus unterschiedlichen Perspektiven nähern. Da sind natürlich die überwiegend dem Anlass angemessenen Bemerkungen von Freunden, Kollegen, manchmal auch Verwandten, die ein nicht selten verklärtes Bild auf den Verstorbenen werfen. Vielleicht werden nicht mehr realisierte Projekte wie in diesem Fall von Frank Borsch erwähnt. Hinzu kommen die sekundärliterarischen Auseinandersetzungen mit dem Werk des Verstorbenen und manchmal auch der Nachdruck oder Erstabdruck eines seiner Werke.

 Vieles findet sich in dem vorliegenden Taschenbuch mit einem eindrucksvollen, wenn auch ein wenig steif erscheinenden Titelbild und Backcover. Aber die beiden Herausgeber Rainer Schorm und Jörg Weigand sind auch einen anderen Weg gegangen. Beispielhaft ist Thomas leBlancs Beitrag „Der Einsame von Kitzingen“, der eine Hommage an Kneifels Roman „Der Einsame von Terra“ darstellte. Dieses kurze Essay folgt auf die sachlich zusammengefassten Lebenseckpunkte Hanns Kneifels. Vielleicht ein zu starker Kontrast, aber Jörg Weigand wollte auch nicht mit den bloßen Fakten den Band eröffnen.

 Um den Menschen Kneifel kreisen die meisten Beiträge. Interessant ist, dass Klaus N. Frick mit „Erinnerungen an Hans Kneifel“ sich abhebt. Er spricht/ schreibt offen über die anfänglichen Schwierigkeiten des ehemaligen Fans, der als Herausgeber der Perry Rhodan Serie eine gewisse Distanz zum Schriftsteller aufgebaut hat. So sehr, dass er über den Hanns Kneifel als Privatmenschen gar nicht schreiben kann. Auch Jörg Weigand fällt es schwer, den Menschen Kneifel nach einer Begegnung in einer freundschaftlichen Umgebung zu charakterisieren.

 Gisbert Haefs dagegen konzentriert sich ebenfalls beginnend aus der Perspektive eines Lesers, eines Fans und erst später eines gleichberechtigten, vielleicht sogar ein wenig erfolgreicheren Autoren auf die reine Männerfreundschaft mit Hanns Kneifel.  Unschi Zietsch zieht aus den wenigen Begegnungen mit Hans Kneifel deutlich mehr heraus als Klaus N. Frick. Es sind diese kleinen Essays, wie die Mosaikstücke ein vielschichtiges Bild des Schriftstellers im Allgemeinen und des Menschen dahinter offenbaren.

 Ein weiterer Schwerpunkt sind die Artikel, die sich mit der Wirkung des Autoren Kneifel auf eine neue Schriftstellergeneration befassen. Gisbert Haefs hat das aus einer sehr persönlichen Perspektive schon begonnen. Marc A. Herrens Laudatio ist zu Lebzeiten Hans Kneifels entstanden und deswegen vielleicht noch persönlicher, ehrlicher und untermalt mit den verschiedenen Fotos lebendiger als einige andere Beiträge. Leider wiederholt sich vieles in Marc A. Herrens zweitem Beitrag. Es wäre sicherlich kein Problem gewesen, die Originale zusammenfassend die beiden kurzen Würdigungen in einem Artikel zu präsentieren.

 Rainer Schorm berichtet im Allgemeinen über die verschiedenen Auflagen und Inkarnationen der „Raumpatrouille Orion“, die Hans Kneifel basierend auf den Drehbüchern vor allem in ihrem ersten Drittel geprägt hat wie niemand anders. Natürlich ist auch sein Beitrag genauso persönlich eingefärbt – Krankheiten und Urlaube scheinen Horte zu sein, an denen Jugendliche ihren späteren literarischen Idolen am ehesten begegnen – wie Marc A. Herren Laudatio, aber Rainer Schorm gibt einen Überblick hinsichtlich der langen von zahlreichen Neuauflagen geprägten Publikationsgeschichte dieser Serie.

 Es ist der Auftakt einer Reihe von Arbeiten, die sich mit Hans Kneifels Werk beschäftigen. Rene A. Raisch gebührt die Ehre, den informativsten Artikel geschrieben zu haben. „Wer Ohren hat...“ beschäftigt sich mit den ersten Perry Rhodan Hörspielen. Neben einem kurzen Exkurs in die auch heute noch erfolgreiche Geschichte der “Europa Hörspiele“ – so hängen auf dem Gut Hasselburg goldene Schallplatten für die Hörspiele, welche H.G. Francis für die Firma verfasst hat – konzentriert sich Rene A. Raisch auf die ersten Science Fiction Arbeiten des Hörspielverlages, von denen eine höflich als Plagiat der „Raumpatrouille“ angesehen werden kann. Er korrigiert einen gängigen Fehler, da nur „Invasion der Puppen“ auf einer Geschichte Willy Voltzs basierte, während die anderen beiden Planetenromanvorlagen aus Hans Kneifels Feder stammten. Neben der jugendlichen Begeisterung argumentiert der Autor aber hinsichtlich der Qualität schlüssig und wird in einigen Lesern Erinnerungen an diese ersten Begegnungen mit dem Perry Rhodan Hörspiel und seinen eingängigen, der Heftromanserie entlehnten Covern wecken.

Bartholomäus Figatowski untersucht Hans Kneifels historische Arbeiten unter dem Aspekt der Jugendliteratur, wobei er sich vor allem auf drei Bücher bzw. eine kurzlebige Serie konzentriert. Erstaunlich ist, dass er bei den Prinz Falkenherz Romanen nicht die Inspiration untersucht. Prinz Eisenherz. Weniger die Verfilmung als die großartige Comicserie. Die Flucht aus Thule inklusiv des entsprechenden Verrats, das Leben in England genau wie der Traum, ein Ritter zu werden. Zu viele inhaltliche Überschneidungen als das es ein reiner Zufall gewesen ist. Bei dem vor dem Vulkanausbruch des Vesuv spielenden Jugendbuches wie auch in „Weihrauch für den Pharao“ agiert der Autor argumentativ offensiver und zielstrebiger, wobei Bartholomäus Figatowskis auch stilistisch hoch stehender Anspruch wahrscheinlich ein Lächeln in Hans Kneifel ausgelöst hätte.

 Abschließend bilden einige literarische Würdigungen das dritte Standbein, auf welches sich dieser Gedenkband stützt. Monika Niehaus- Osterloh hat schon in den „Miniaturen“ der Phantastischen Bibliothek Wetzlars Donnas Kaschemme irgendwo am Rande der Galaxis aufleben kann. In „Das Gastmahl“ ziehen Götter in den Laden und mischen im positiven Sinne die Kneipe einmal richtig auf. Die Lebens- und Liebeslust der Götter könnte stellvertretend für Hanns Kneifel stehen, der gerne Wein, Weib und literarischen Gesang zu seinem Lebenselixier gemacht hat. Das nachdenklich stimmende Ende entschädigt für einige kleinere Längen im Verlauf der Geschichte.    

 Auch Peter Mathys „Jenseits“ ist grundsätzlich eine stimmungsvolle, ambitionierte Geschichte, deren Ende allerdings genau wie die zugrunde liegende, spätestens nach einigen Seiten erkennbare Struktur nicht neu sind. Der Titel wirkt in diesem Fall zusätzlich kontraproduktiv. Während Monika Niehaus Osterlohs Story vielleicht durch Hanns Kneifels Lebensfreude mit dem Verstorbenen in Verbindung gebracht werden kann, fällt es bei „Jenseits“ schwerer. Zu enge Verbindungen und Anspielungen könnten leicht als respektlos ausgelegt werden, auf der anderen Seite wirken die gezeichneten Protagonisten auch zu weit von Hans Kneifel entfernt.

 Rainer Schorm und Karla Weigand präsentieren mit „Ferrum Noricom“ bzw. „Verlust eines Freundes“ Atlan Zeitabenteuer aus den Epoche des expandierenden Roms bzw. des alten Ägypten, die beide populäre Themen im Rahmen der Perry Rhodan Planetenabenteuer gewesen sind. Um ein Volk zu schützen, bei dem Atlan sehr lange gelebt hat, muss er ein besonders Schwert schmieden und schließlich einen Zweikampf führen. Minutiös entwickelt Rainer Schorm den Plot, eingebettet in einen zu flapsigen und die Stimmung unterminierenden Rahmen. Karl Weigands Geschichte ist dunkler, wobei sich die Frage stellt, ob Atlan wirklich auch progressiv denkenden Menschen in der Vergangenheit so viel über sich mitgeteilt hat. Das Ende ist erstaunlich fatalistisch für den ansonsten immer so impulsiven wie teilweise aggressiv Veränderung anstrebenden Atlan.

 Der skurrilste, aber nicht schlechteste literarische Beitrag ist Helmut Ehls „Hanns außer Kurs“. Schelmisch vermischt der Autor die beiden bekanntesten Universen Kneifels – die Atlan Abenteuer und natürlich die ORION Serie – zum Alptraum eines Vielschreibers, der ja von den Publikationen leben muss. Schelmisch, frech und ein wenig provokant hebt sich diese kurze Geschichte deutlich ab.

 Der beste Storybeitrag ist gleichzeitig Abschluss des Gedenkbandes. Eingeleitet von einem passenden Titelbild mit dem markanten silbernen Rahmen und der Nummer „7.5“ präsentiert Robert LaFarge mit „Jagdhundfieber“ ein frühes Abenteuer der Raumpatrouille. Die Welt scheint visuell aus den Angeln gehoben worden zu sein. Die Farbe verschwindet und wird durch ein körniges schwarzweiß – der Leser ahnt die Anspielung auf die Fernsehserie – ersetzt. Anscheinend haben die Frogs eine neue Waffe, mit welcher sie nach ihrer eindeutigen Botschaft, dass sie die Menschen hassen, einen erneuten Angriff nach der abgeschlagenen Invasion und dem Planeten außer Kurs planen. Die ORION Crew fliegt zur Quelle der Signale.

Eine würdige Hommage mit einem vielleicht zu einfachen, denn sie wissen nicht wirklich, was sie tun, haben aber immer Erfolg Ende auf die bekannte Fernsehserie mit entsprechenden pointierten Dialogen, fast allen beliebten und gehassten Charakteren aus der Serie und vor allem einer stringenten, ernst genommenen und dynamisch erzählten Handlung. Vom ersten Moment an kommt das Gefühl auf, eine Ergänzung der ersten Folgen bis zum auch hinsichtlich der Frogs zufrieden stellenden Ende zu lesen, die weit über eine Hommage an Hanns Kneifels Phantasie hinausgeht und etwas respektvoll Eigenständiges präsentiert.  

 Zusammengefasst ist „Ihn riefen die Sterne“ eine empfehlenswerte, eine lesenswerte und vor allem eine überfällige Ehrung Hans Kneifels, der mit seinem umfangreichen wie vielschichtigen Werk über fünfzig Jahre lang Leser unterschiedlicher Generationen angesprochen hat. Wahrscheinlich haben die Kneifel ehrenden Autoren recht, wenn sie davon sprechen, dass er auf der einen Seite mit einem Augenzwinkern den technisch utopischen Roman in seinem Frühwerk vertreten hat, während er aufgrund der einzigartigen Zeichnung seiner lebensgroßen und vor allem lebendigen Protagonisten einer der ersten utopischen Schriftsteller der Nachkriegsgeneration gewesen ist, der nicht alles auf Entbehrungen und den langen Schatten des Zweiten Weltkriegs aufgebaut hat. Neben einer vielleicht immer noch leicht oberflächlichen, manchmal auch von den Teilnehmern schwierig bis unmöglich umzusetzenden Darstellung des komplexen, aber auch stetigen Menschen Hanns Kneifel macht der Band aber Freude, neben den bekannten Zeitabenteuern in die Tiefe der zahllosen Romane einzusteigen und je nach Lust und Laune vom alten Ägypten bis in die fernen Zukünfte der interstellaren Händler oder natürlich der „Raumpatrouille Orion“ diese farbenprächtigen Geschichten neu oder manchmal auch zum ersten Mal zu entdecken. 

Zum Gedenken an Hanns Kneifel
AndroSF 65
p.machinery, Murnau, Juli 2017, 196 Seiten, Paperback
ISBN 978 3 95765 084 9
eBook-ISBN 978 3 7438 2592 5

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