Die Phantome von Epsal

Phantome von Epsal, Thurner, Titelbild, Rezension
Michael Marcus Thurner

Nach mehr als fünf Jahren erscheint von Michael Marcus Thurner geschrieben das sechzehnte Perry Rhodan Extra, dieses Mal ohne die bekannten Extras. Mit knapp einhundert Seiten ist der Roman im Überformat verfasst worden, folgt aber inhaltlich der Tradition der bisherigen Publikationen, in dem fast wie bei den alten Planetenromanen unter den Tisch gefallene Szenen oder bekannte, aber zu selten besuchte Planeten ausführlicher dargestellt werden.

 Auch wenn die Epsaler in der Perry Rhodan Serie positiv gesprochen eine sehr lange Tradition haben, ist über deren Welt wenig bekannt. Andere Planeten sind ausführlicher in den Perry Rhodan Planetenromanen vorgestellt worden. Einige dieser hintergrundtechnischen Meilensteine sind in den letzten Jahren im „Zaubermond“ Verlag sogar einem neuen Publikum mit entsprechenden Nachwörtern von Rainer Nagel vorgestellt worden. Michael Marcus Thurner macht sich zur Aufgabe, diese Lücke jetzt für Epsal zu schließen.

 Wie es fast zu einem Markenzeichen dieser Sonderserien geworden ist, dient der Anlass des Staatsbesuches Perry Rhodan in einer politisch kritischen Zeit dazu, auch auf einer zweiten Handlungsebene die Besiedelung dieser Welt in den dunklen Jahren bis zur erneuten Kontaktaufnahme mit dem Solaren Imperium und den entsprechenden Hilfestellungen zu beschreiben. Diese Hintergründe bleiben erstaunlich oberflächlich. Auf einer Welt mit einer doppelten Schwerkraft absichtlich gelandet versuchen die Menschen zu überleben. Die mitgebrachte Flora und Fauna wird von der Welt nicht angenommen, die Siedler können sich im Grunde nur in ihren mit gebrachten Unterkünften bewegen und gesundheitliche Schäden drohen. Einige Wissenschaftler versuchen mittels genetischer Manipulation – Michael Marcus Thurner geht auf das Thema kompakt, nicht zu ausführlich, aber rückblickend auch dezent oberflächlich ein – die nächsten Generationen anzupassen, was zu weiteren Spannungen zwischen den ersten Siedlern und vor allem den ehrgeizigen, wie rücksichtslosen Forschern führt.

 Ein wenig unglaubwürdig erscheint, dass auf der einen Seite die menschlichen Anpassungen an andere extreme Welten zumindest in der Theorie bekannt sind, die Forscher aber diesem Weg nicht folgen wollen, sondern lieber selbst experimentieren. Hier hätte der Hintergrund besser aufgearbeitet werden müssen. Wie das Geheimnis der Phantome kommen diese Informationen den ganzen Roman betreffend zu spät und vor allem zu stark konstruiert in die laufende Handlung eingebaut, die sich rückblickend als zu simpel aufgebaut präsentiert.

 Michael Marcus Thurner setzt den MacGuffin vielleicht zu hoch an und versucht daraus ein Geheimnis zu konstruieren, das in einem Paranoiathriller wahrscheinlich besser aufgehoben worden wäre. Da der Leser im Gegensatz zu den Protagonisten einige der angesprochenen Figuren nicht gut genug kennt, ist die überraschende Enttarnung der eigentlichen Schurken kein richtiger Paukenschlag, sondern eher ein Schulterzucken wert. Die grundlegende Idee ist auch nicht sonderlich neu und wird von Michael Marcus Thurner exzentrisch genug verfremdet, so dass sie nicht nur Perry Rhodan, sondern auch die Leser punktuell überzeugen kann. Mit dieser finalen Entdeckung am Ende der Reise endet der Roman zufrieden stellend, wobei im Laufe des Handlungsbogens erstaunlich viel Potential auch in politischer Hinsicht verschenkt wird.

 Gleich kurz nach dem Antritt seines Staatsbesuchs auf Epsal zeigen sich eine Reihe von Spannungen. Eine alte Freundin von Perry Rhodan ist für die Ausbildung der neuen Rekruten zuständig. Hier greift Michael Marcus Thurner positiv auf eine bekannte Figur aus der Erstauflage zurück und wird sie einem überraschenden, aber würdigen und für ihr Handeln so konsequenten Ende zu. Epsal möchte sich unabhängiger aufstellen und will vor allem nicht, dass ihre besten Rekruten immer wieder von der Erde abgeworben werden, damit sie in der Raumflotte Dienst tun. Während Rhodans Freundin diesen Weg aufgrund der politischen Engstirnigkeit der gegenwärtigen Regierung unterstützt, sieht auch Perry Rhodan in dieser Vorgehensweise keine Unhöflichkeit. Bedenkt man im Gegenzug, dass Epsal ohne Frage auch aus Eigennutz die Ausbildung dieser jungen Leute vorantreibt und sie mit der extremen Art der Ausbildung zu exzellenten potentiellen Offizieren macht, dann ist verständlich, dass ein kontinuierliches Abschöpfen der Elite ohne echte erkennbare Gegenleitung für Spannungen sorgt.

In dieser Hinsicht scheint Perry Rhodan auch ein wenig betriebsblind zu sein.

 Natürlich verschiebt Michael Marcus Thurner geschickt diese Problematik in den Bereich der Theorie, in dem gleich bei seinem ersten öffentlichen Auftritt ein Attentat nicht nur auf Perry Rhodan, sondern einen Teil der Staatsführung und genau diesen Rekruten verübt wird. Perry Rhodan kann an der Seite eines der Rekruten und eines seiner Leibwächter fliehen, ohne vorher nicht einen Auftrag seiner sterbenden Freundin zu erhalten. Er soll nach einer geheimnisvollen Tafel suchen und vor allem Epsal politisch wieder stabilisieren.

 Die Flucht ist natürlich nicht unbemerkt geblieben und schnell wird der verschwundene Rhodan zum Zielobjekt einer Menschenjagd, während sein Begleiter als Deserteur dargestellt wird. Die Regierung von Epsal versucht mittels des Militärs den Planeten komplett unter ihre Kontrolle zu bringen.

 Perry Rhodan hetzt in der Zwischenzeit den verschiedenen Hinweisen folgend mehr und mehr in Richtung der legendären Phantome des Planeten, die inzwischen als Kinderschreck in Märchenform dienen. Viele Offizielle leugnen ihre Existenz und die Suche nach ihnen führt Perry Rhodan positiv die einzelnen Handlungsebenen wieder miteinander verbindend auch im übertragenen Sinne in die Geschichte Epsals zurück.

 Nach einem sehr dynamischen, politisch brisanten und ohne Frage auch ausbaufähigen Auftakt versandet der Roman ein wenig in verschiedenen Verfolgungsjagden und zwielichtigen Personen, die gegen exorbitante Summen Perry Rhodan im Grunde nicht sonderlich helfen. Vielleicht hätte eine weitere Handlungsebene aus Sicht der über den ganzen Roman ambivalent und undurchsichtig bleibenden oppositionellen Kräfte eine bessere Balance zwischen gut erzählter Actionhandlung und der auch gegenwärtigen Vorstellung Epsals angeboten, so dass nicht alles nur aus der ausschließlich subjektiven Perspektive Perry Rhodans erzählt wird. Natürlich ist der Weg durch das brutale Vorgehen der Attentäter schon vorgezeichnet und die Fronten im Grunde ab diesem Moment geklärt.

 Während der finalen Auflösung verschiedener im Laufe der Handlung gestellter Fragen und Probleme schließt Michael Marcus Thurner auf nicht immer überzeugende Art und Weise den plottechnischen Kreis. Das Geheimnis hinter der Erbtafel ist faszinierend und blickt geschickt aufgebaut zurück in die Erstauflage und die verschiedenen Krisen, denen sich das Solare Imperium und schließlich auch Perry Rhodan selbst stellen mussten.

 Auf der anderen Seite wirkt die zweite Idee hinsichtlich der Finanzierung einzelner Aktivitäten wie eingangs erwähnt zu profan, zu simpel, ein wenig aus der Not heraus konstruiert. Hier hätte sich Michael Marcus Thurner vielleicht eine andere, originellere Variation einfallen lassen können. Vor allem weil ihm wirklich aufgrund der fehlenden Tiefe, mit welcher Epsal bislang in der Perry Rhodan Serie hintergrundtechnisch behandelt worden ist, fast alle Möglichkeiten offen standen.

 Das vorliegende Perry Rhodan Extra liest sich unabhängig von den kleineren Schwächen flott. Es ist ein stringent geschriebenes Abenteuer, das ja um den Leser anzusprechen einen namhaften Protagonisten wie Perry Rhodan braucht, um anzusprechen. Wahrscheinlich wäre es interessanter gewesen, wenn Michael Marcus Thurner nicht auf das Klischee des Staatsbesuches – siehe auch die zahlreichen im Heyne Verlag veröffentlichten Miniserie mit einem ähnlichen Beginn – zurück gegriffen hätte und diese noch viel mehr Potential bietende Story mit einem unbekannteren und damit auch verletzlicheren Protagonisten verfasst hätte. Alleine Pearl Ten Wafer auch in der vorhandenen schockierenden Kürze als vielschichtig gezeichnete Protagonistin mit ihrer Mischung aus ausbildungstechnischer Härte und einem gut versteckten, aber viel Wäre im richtigen Moment ausstrahlenden Herz aus Gold wäre die ideale Figur gewesen, um diese Geschichte auf ihren erfahrenen Schultern zu tragen. In den gut geschriebenen bedrohlichen Situationen wäre so mehr Spannung möglich gewesen. 

 Zumal sie verwurzelt in der Kultur Epsals viel geschockter und überraschter auf die internen Entwicklungen hätte reagieren können. Mit ihr im Mittelpunkt statt dem ein wenig blassen und pragmatischen Perry Rhodan wäre aus diesem Perry Rhodan Extra  mit ein wenig anderer Betonung ein überdurchschnittliches Extra entstanden, so ist „Die Phantome von Epsal“ immer noch lesens- und empfehlenswert, da ein weiterer weißer Fleck in der langen Perry Rhodan Historie ein wenig farblich gestaltet wird.

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 1558 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 190 Seiten
  • Verlag: Perry Rhodan digital (23. November 2017)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
Kategorie: