Fate of the Union

Fate of the Union, Titelbild, Rezension
Max Allan Collins & Matthew Clemens

"Fate of the Union" ist der zweite von momentan drei modernen Thrillern um den ehemaligen Geheimagenten und Bodyguard Reeder und seine Partnerin Rogers, die den allgegenwärtigen Reeder immer wieder als Berater zu im Grunde geheimen Ermittlungen einlädt, dessen Folgen die Integrität vor allem der amerikanischen Demokratie bedrohen könnten. Im ersten Roman "Supreme Justice" hatte der Leser das Gefühl, einen Roman aus den achtziger Jahren mit einer Clint Eastwood Inkarnation in der relativen Gegenwart zu lesen. Die wenigen Datumsngaben im vorliegenden Roman deuten darauf hin, dass die Serie in der nahen wie fiktiven Zukunft des Jahres 2019 spielen könnte.

 Der zeitliche Kontext spielt dabei keine Rolle, wahrscheinlich sollten politische Probleme der Gegenwart umschifft werden. Im ersten Band hat sich Collins vor allem teilweise provokativ gegen die aus seiner Sicht nicht mehr amerikanische Politik der Republikaner gewandt und dem eher hilflos agierenden demokratischen Präsidenten gegen Brücke gebaut. Im vorliegenden Buch kommt die Gefahr für die Demokratie aus einem gänzlich anderen Lager. Der gesichtslosen politischen Mitte, die zwischen Demokraten und Republikanern zerrieben sich wieder organisieren und Amerika der berühmten Mittelschicht zurückgeben soll. Die abschließende These ist genuso provokant wie die Angriffe auf die erzkonservativen politisch zurückgebliebenen Reaktionär gewesen wäre. Mit seinem Protagonisten verfügt Collins im Grunde über einen idealen politischen Niemand, der eine Meinung hat, durch den Verkauf seiner Firmenanteile inzwischen reich ist und trotzdem weiterarbeitet. Auch wenn Reeder es im ersten Buch mit Männern zu tun hat, denen er dienen muss, die er nicht akzeptiert, lernt er fast als Umkehrschluss im vorliegenden Roman einen Mann kennen, der es wie Warren Buffet aus armen Verhältnissen an die monetäre Spitze geschafft hat und doch ein Mensch geblieben ist. Dieser fiktive Investor beeindruckt Reeder. Das am Ende einige Tatsachen aber anders aussehen, steht auf einem gänzlich anderen Blatt, wird die Leser verwirren, gehört aber leider auch zur Mechanik der ganzen Serie. Beginnend mit der Auflösung des Plots ist es wie im ersten Buch die im Grunde am wenigsten wahrscheinlich erscheinende und sympathisch gezeichnete Randfigur, die vielleicht auch ihrer zynischen und verklärten Sicht Amerika zu ordnen sucht. Diese Ordnung kann in beiden Romanen nur über das Chaos erfolgen, das am Rande des Massenmordes und den Vorgehensweise der terroristischen Gruppen aller politisch extremer Richtungen  entsprechend bis aufs Blut bekämpft werden muss. In beiden Fällen werden die Ausgangslagen durch die kontinuierliche Action und die Brutalität der jeweiligen Vorgehensweise im wahrsten Sinne des Wortes im Blut von entweder gänzlich unschuldigen oder nur mittelbar schuldigen Menschen ertränkt.

 Vor allem weil im Gegensatz zum ersten Roman ein abschließendes und nachhaltiges Motiv fehlt. Aus einer komplexen Verschwörung ist abschließend eine persönliche Rachegeschichte geworden.  In "Fate of the Union" erweitert Max Allan Collins das Spektrum kontinuierlich. Die Grundidee ist dabei auf den ersten Blick verführerich wie pragmatisch. Ein von extremen zerrissenes Amerika sucht seine friedliche Zukunft in der goldenen, im Grunde auf Harmonie basierenden Mitte. Ob derartige Katastrophen Amerika nicht  noch mehr in die extremen Außenbereiche drückt, wird nicht durchgesprochen. Warum ein derartig konservativ denkender Mann die Idee haben könnte, zu einer Art Heiland zu mutieren wird genauso wenig vorbereitet wie die Möglichkeit, einen James Bond Antagonisten mit unerkannter psychopathischer Natur in den Mantel eines kapitalistischen Erlösers zu packen. Das Ende ist in dieser Hinsicht zu abrupt, zu offen und vor allem wie beim ersten Roman durch den Mantel des Schweigens gegenüber der ahnungslosen Öffentlichkeit gekennzeichnet. Unabhängig von der Tatsache, dass nach dem Tag X die geballte Staatsmann die gleichen Schlüsse gezogen und zu vergleichbaren Ergebnisse gekommen wäre, wie Reeder mit ein wenig Hilfe von Rogers. Und ein derartig intelligenter Mann hätte das in seinen Plänen berücksichtigt.

 Während das Ende höchstens konsequent und den anscheinend in dieser Serie inzwischen etablierten Gesetzmäßigkeiten folgt, ist der Auftakt des Buches deutlich vielschichtiger und ambitionierter gestaltet.

 Reeder wird durch einen ehemaligen Kameraden und Freund in die Angelegenheit einbezogen. Dieser hat versucht, Reeder zu erreichen und ihn gebeten, ihm bei einer großen Sache zu helfen. Am nächsten Tag ist er erhängt aufgefunden worden. Reeder geht wie dessen Frau nicht von Selbstmord, sondern einem Mord aus. Wie im ersten Buch steht er mit seiner Meinung alleine. Parallel ermittelt Rogers in einer Reihe von Morden. Die Menschen haben auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun, die Art der Ermordung erinnert allerdings an eine professionelle Hinrichtung.

 Eine der spannenden Fragen des Buches ist, ob und wie diese beiden unterschiedlichen Ermittlungen zusammenlaufen. Im Gegensatz zu den Behörden ist es immer Reeder, der einen Schritt voraus ist. Ein blonder Mann mit Skimaske ist an den verschiedenen Tatorten gesehen worden. Den größten Fehler macht er wahrscheinlich, als er das Büro des anfänglich Getöteten in Brand setzt und damit offen zeigt, dass er die Unterlagen noch nicht gefunden hat. Reeder bleibt damit auf der Spur. Auch im Auftaktband ist ein derartiger kleiner Fehler notwendig, um die Ermittlungen fortzusetzen und vor allem zu zeigen, dass nicht alle Behörden, sondern nur der ehemalige Leibwächter mit seiner Intuition richtig liegt.

 Lange Zeit erscheint Rogers Ermittlungsebene mit dem verzweifelten Transvestiten und dem deutlich zugänglicheren Milieu der bessere Handlungsbogen. Reeder fokussiert sich sehr schnell und der Anschlag auf den reichsten Mann der USA und einen möglichen neuen Präsidentschaftskandidaten wirkt zu aufgesetzt und ähnelt zu sehr den Grundideen vieler Fernsehserien und Thriller. Am Ende passen aber die einzelnen Versatzstücke beider Ermittlungen zusammen und ergeben für den immer nur auf Augenhöhe informierten Leser ein komplexeres Bild. Vor allem wechselt Max Allan Collins in zwei oder drei relevanten Szenen die Erzählebene und gibt dem außenstehenden Betrachter einen kleinen Vorteil, der aber abschließend nichts bringt. Vor allem irritiert die Verschiebung zusätzlich, weil die Autoren hinsichtlich der Intention des Täters und vor allem seiner Position in der Hierarchie im Kern falsche oder zumindest falsch zu verstehende Angaben machen. 

Auch die Ignoranz der Polizei hinsichtlich eines Serientäters, der mit der gleichen Methode aber wahllosen Opfern zuschlägt, erscheint so stark konstruiert, dass der Leser weiß, die beiden Ermittlungsebenen hängen zusammen.

 Der finale Showdown enthält auch eine  kuriose Szene. Die Dramatik gegen Ende ist zufriedenstellend, auch wenn immer wieder hinsichtlich des Anschlagzieles geraten werden muss. Es kommt aber im öffentlichen politischen Leben Washingtons nur ein einziges Ziel in Frage, daher wirken die Diskussionen wie die Quadratur des Kreises.

Am Ende erledigt Reeder die Angelegenheit erstaunlich pragmatisch und impliziert mit seinem Handeln, dass das ausführende Organ ein Einzeltäter ist, während der eigentliche Hintermann mit den angesprochenen nur in der Theorie, aber nicht an der vorgestellten Persönlichkeit extrapolierten Motiven nicht aktiv in das schmutzige Geschehen eingreift. Trotzdem wirkt der Weg ein wenig zu bemüht und die Idee, dass eine brutale wie dank Drei- D- Druckern perfektionierte wie perfekte Waffe unauffällig über Jahre vom Militär ignoriert privat weiter entwickelt werden kann, scheint eher fürs Papier entwickelt als in der schon dunklen Realität verankert.

 Von der Grundkonzeption her ist „Fate of the Union“ kein schlechtes Buch. Eine interessante auch politisch brisante These, die aber  stellenweise zu simpel umgesetzt worden ist. Die Zeichnung der einzelnen Figuren bietet keinen Fortschritt gegenüber dem ersten Buch, die Dialoge wirken weiterhin stellenweise eher wie eine Karikatur der Überhelden aus den achtziger Jahren als wirklich lebendige Protagonisten, so dass der Roman lockere oberflächliche sein Potential verschenkende Lektüre darstellt,  aber leider nicht mehr.      

 

  • Taschenbuch: 318 Seiten
  • Verlag: Thomas & Mercer (10. November 2015)
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-10: 1503947408
  • ISBN-13: 978-1503947405
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