Ingenieure des Kosmos

Clifford D. Simak

„Ingenieure des Kosmos“ ist Clifford D. Simaks erster Roman. Zu Beginn der fünfziger Jahre publiziert basiert er auf einer erweiterten Novelle, welche der Amerikaner schon 1939  in John W. Campbells „Astounding Science Fiction“ veröffentlichte. Zu dieser Zeit arbeitete Simak noch als Journalist, hatte aber innerhalb von knapp einem Jahr fast ein Dutzend Kurzgeschichten publiziert.

 Auf den ersten Blick ist „Ingenieure des Kosmos“ ein ungewöhnliches Buch. Simak gilt als Pazifist der Golden Age Autoren, der nicht selten wie teilweise James Blish mit einem pastoralen moralisierenden Untertön die aus seiner Sicht nicht selten gewalttätigen Exzesse der Gegenwart verurteilte und nach pazifistischen Lösungen suchte. Immer wieder kehrte er mit seinen weit in der Zukunft spielenden Geschichten in das ländliche, anscheinend zeitlose Wisconsin zurück. Auf der anderen Seite ist beginnend mit dem Titel „Ingenieure des Kosmos“ aber auch eine der wissenschaftlichen Geschichten, die der an der Universität Ingenieurwesen studierende Simak wahrscheinlich am Einfachsten publizieren konnte. Sein Horizont reicht wie Olaf Stapledons Romane und vielleicht Isaac Asimovs „Foundation“ Serie weit in die Zukunft bis in das 65. Jahrhundert. Auf der anderen Seite scheinen sich einige Eigenschaften der Menschheit nicht verändert zu haben. Der militärische Konflikt dient im Grunde nur als eine Art Katalysator, um schließlich wie auch in einigen anderen Büchern Simaks ein friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Völker in den aus seiner Sicht ausreichend Weiten der eigenen Galaxis zu ermöglichen. Aber „Ingenieure des Kosmos“ ist noch viel mehr.

 Der Roman setzt sich aus so vielen kleinen Ideen und Handlungsvariablen zusammen, dass heute wahrscheinlich eine ganze Serie nicht ausgereicht hätte. Hervorzuheben ist der Abstecher in die ferne Zukunft, in welcher die drei menschlichen Protagonisten dem letzten Vertreter der eigenen Spezis in einer kleinen, aber gemütlich eingerichteten Hütte auf einer sterbenden unwirtlichen Erde begegnen. Die Gespräche sind kurz, aber philosophisch. In einem anderen Exkurs wird allerdings nur mittels Botschaft aufgezeigt, wie die Erde ursprünglich von Menschen „bevölkert“ worden ist. Mehr chronologische Spannbreite geht in einem stringenten Science Fiction Abenteuer Roman gar nicht. Vor allem, weil der Pragmatiker Clifford D. Simak auf den belehrenden Oberbau eines Olaf Stapledons verzichtet und seine drei Protagonisten – zwei Reporter und eine eigensinnige Wissenschaftlerin – immer mitten ins Geschehen wirft. Sie verfügen vielleicht nicht über das Wissen der „Ingenieure des Kosmos“, aber mit ihrem freien Denken, im Grunde ihrer naiven Unbeschwertheit und der grenzenlosen Neugierde sowie Motivation, noch praktischen Lösungen zu suchen sind diese drei besonderen Vertreter der menschlichen Rasse den Fremden grenzenlos überlegen. Auch wenn sie es nur – ein typisches Zeichen eines Simak Romans – gemeinsam schaffen können.

 Auch wenn der Autor immer wieder die klassisch bis klischeehaften Aspekte der Space Opera in die laufende Handlung einbaut, ist das Buch eher in Ehren ergraut und zeigt, wie einfallsreich, ambitioniert und provozierend mutig sich schon von Anfang seiner Schriftstellerkarriere gegen die Grenzen der Space Opera gestellt hat und mit deren Leitplanken eigene Wege gegangen ist. Die wissenschaftlichen und historischen Hintergründe wie die Zeitspanne seit der Entstehung der Erde; die Beschaffenheit der äußeren Planeten oder die „Räume“, welche zu zeitlich wie entfernungstechnisch zu überwinden sind, erscheinen alle veraltet und sind typisch für die „Frontier“ Mentalität der dreißiger bis fünfziger Jahre Science Fiction mit ihrer „Anything Goes“ Mentalität. Sie sind ohne Frage die schwächsten Elemente des kompakten Romans, aber sie gehören aus heutiger Sicht auch zu der Relevanz der Geschichte, welche der Amerikaner zu erzählen sucht.  

 Der Auftakt entspricht am ehesten der Space Opera Science Fiction der fünfziger Jahre. Die beiden Reporter bzw. Photographen Gary Nelson und Herb Harper sind auf dem Weg zum Pluto. An Bord der SPACE PUP sind wie immer wieder auf der Suche nach neuen Geschichten. Ein Pionier will vom Pluto aus mit seinem überlichtschnellen selbstgebauten Raumschiff gegen die Anweisungen der Erdregierung in die Tiefen des Alls starten. Auf dem Weg dahin finden die beiden Reporter ein im All treibendes Raumschiff mit einer eingefrorenen Frau namens Caroline Martin an Bord. Sie hatte sich vor mehr als eintausend Jahren geweigert, die von ihr entwickelten Waffen in einem Konflikt zur Verfügung zu stellen. Sie wurde an Bord eines Wracks in die Tiefen des Alls verbannt. Sie konnte ihren Körper, aber nicht ihren Geist einfrieren, der mehr als eintausend Jahre in der sprichwörtlichen Isolation des schlafenden Körpers verbracht hat. Es ist nicht der einzige, aber der erste Paukenschlag des Romans. Auch wenn Clifford D. Simak den technischen Fortschritt lobt, ist es ihm wichtig, die Gefahren durch totalitäre Regime oder blinden Aktionismus zu ignorieren. Und diese drakonische Strafe hat schon einiges für sich.

 Caroline Martin ist aber der Ansicht, Stimmen aus den Tiefen des Alls zu hören. Auch die Station auf dem Pluto bestätigt diese Botschaften. „Metaluna 4 antwortet nicht“ vorwegnehmend handelt es sich um einen Hilferuf der „Ingenieure des Kosmos“. An Bord der SPACE PUP reisen die beiden Reporterin und schließlich Caroline Martin dank der ihnen zur Verfügung gestellten Technologie zu den so genannten Ingeneuren des Kosmos.

 Ab diesem Moment teilt sich im Grunde der Roman. Auf der einen Seite sehen sich die metallischen Wesen – der Begriff Roboter wird vermieden – von einer aggressiven Rasse bedroht. Die Defensivsysteme funktionieren nicht mehr. Diese Aggressoren müssen aber besiegt werden, damit sich die Ingenieure des Kosmos der zweiten, eher Simaks Werk entsprechenden Gefahr stellen können. Zwei Universen aus zwei unterschiedlichen Dimensionen treiben aufeinander zu. Das ganze Leben droht vernichtet zu werden. Für beiden Probleme brauchen die Ingenieure des Kosmos weniger das eher in diesen Aspekten rudimentäre Wissen der Menschheit, sondern ihren Hang zur Improvisation und vor allem zusätzlich Caroline Martins effektives Durchdenken komplexer Probleme und deren Reduktion auf einzelne, dann wieder greifbare Facetten.

 Im Laufe der folgenden Seite greift Simak eine Ideen zum ersten Mal auf, die er in späteren Romanen intensiver und vor allem effektiver ausarbeiten wird. Die Ideen von Paralleluniversen hat er später in „Ring around the Sun“ noch ein sehr viel intelligenter und vielschichtiger aufgenommen. Die Folgen der Kollision der beiden gigantischen Sternenhaufen wird er später auf einer gänzlich anderen Ebene dank „Invasion aus der Zukunft“ noch einmal beleuchten.

 Interessant ist, dass der Amerikaner neben den beiden angesprochenen Schwerpunkten die Idee der Reise in die ferne Zukunft quasi aus H.G. Wells Geschichte extrapoliert oder Erich von Dänikens „Die Götter aus dem Weltall“ mit Wylie & Balmer „When Worlds Collide“ aus einer etwas anderen Perspektive kombiniert. Nicht selten finden sich diese Ideen sehr kompakt und immer indirekt präsentiert zwischen den wenigen, dann aber sehr gut geschriebenen Actionszenen.

 Der Leser hat das unbestimmte Gefühl, als habe Clifford D. Simak befürchtet, nur einen Roman schreiben zu können. So wollte er möglichst alle Ideen in die Handlung packen. Herausgekommen ist ein vom Panorama ausgesprochen breiter und vor allem interessanter, vielschichtiger Roman mit einer etwas sprunghaften Handlung; einer starken Fokussierung allerdings auf die moderne und pragmatisch denkende Caroline Martin und schließlich einem Feuerwerk von Ideen, die alle ihre eigenen eigenständigen Romane verdient hätten. Vor allem für einen Roman aus den fünfziger Jahren eine sehr ambitionierte und auch heute noch hinsichtlich der literarischen Evolution Simaks relevante Geschichte, welche die ungekürzte Neuauflage auch als E book mehr als verdient hat.  

Ingenieure des Kosmos: Roman

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 887 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 127 Seiten
  • Verlag: Heyne Verlag (31. August 2017)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B071WZ1F8T