Forever Magazine 48

Neil Clarke

Das Jahr 2019 startet Herausgeber Neil Clarke außerhalb des Ausblicks auf seine neuen Projekte mit einer Frauenpowernummer. Die drei hier nachgedruckten Geschichten stammen durchaus mit „männlichen“ Themen versehen von Frauen.

 Suzanna Palmer präsentiert mit „Number Thirty- Nine Skink“ aus dem Jahre 2017 die jüngste und kürzeste Geschichte dieser Ausgabe. Der Erzähler ist eine künstliche Maschinenintelligenz, die auf einem fremden Planeten wahrscheinlich im Rahmen eines ambivalenten Terraformingprozess für die Erschaffung von kleinen Tieren und besondere Pflanzenarten zuständig ist. Im Rahmen dieses Prozess soll die planetere Oberfläche wie die Atmosphäre angepasst werden. Da die Voraussetzungen schon sehr gut sind, handelt es sich um einen selektiven Prozess. Jedes Team besteht aus einer Maschine und einem Menschen. Der menschliche Partner Mike ist vor einiger Zeit ums Leben gekommen, aber die Maschine setzt stoisch und immer verrückter werdend ihren ursprünglichen Auftrag fort.

 Suzanne Palmer bemüht sich, einen Einblick in die fiktive Psyche der Maschine zu geben. Es ist ein schmaler Grat, denn zu menschlich darf die Denkweise nicht sein, zu fremd aber auch nicht. Während die Eingangssequenz mit den Hintergrunderklärungen überzeugend ist, versucht die Autorin im mittleren Teil der Geschichte zu viel, um dann zwar im ein wenig belehrenden Ende alle Fragen zu beantworten, aber einiges auch passend zu machen.

 Ann Leckie präsentiert mit „Another Word for World“ eine Geschichte, die ohne Probleme im Universum ihrer mit alle wichtigen Science Fiction Preisen ausgezeichneten Trilogie spielen kann. Futuristische Technik trifft auf monarchistische Herrscherstrukturen.

 Ashiban soll mit der Regierung auf dem Planeten Iss einen Friedensvertrag aushandeln. Auf dem Weg über unwirtlichen Gelände wird ihr Gleiter abgeschossen. An Bord befindet sich ein Mitglied der königlichen Familie. Gemeinsam müssen sie sich durch das herausfordernde Gelände schlagen, ohne zu wissen, wer den Anschlag auf ihr Leben verübt hat und wem sie gegebenenfalls von den Einheimischen trauen können.

 Die erste Hälfte der Geschichte ist nicht nur ausgesprochen exotisch spannend, sondern die Charaktere überzeugen. Die Standesunterschiede machen im Grunde angesichts der geringen Überlebenschancen der beiden Protagonisten keinen Sinn und stehen ihnen doch mehrfach im Wege.

 Das grundlegende Problem dieser oberflächlich unterhaltsamen Geschichte besteht aber in einem Missverständnis. Anscheinend hat das Council der Erde, das für das Terraforming zuständig ist, mit den falschen Wesen auf dem Planeten gesprochen und so die kriegerischen Akte provoziert. Im Verlaufe ihrer Reise über diese exotische Welt lernen Ashiban und ihre Begleitung von dem Fehler und versuchen ihn auszugleichen.

 Angesichts der Zeitspanne – es sind anscheinend mehrere Jahrzehnte seit dem ersten Kontaktversuch vergangen – erscheint es unwahrscheinlich, dass niemand auf beiden Seiten diesen „Fehler“ bemerkt haben will und es zu keinen Versuchen gekommen ist, ihn zu korrigieren. Vor allem weil die in einer Extremlage sich befindenden Botschafter relativ schnell hinter dieses Missverständnis kommen und in der Lage sind, es zumindest vorläufig zu beheben, wenn auch noch nicht zu heilen.

 Auch die Idee, das mit einem mechanischen Übersetzer ein solcher Fehler nicht entstanden wäre, erscheint weit hergeholt, da sie ja mit den falschen Leuten und nicht in der falschen Sprache geredet haben. So erscheint die grundlegende Prämisse dieser trotzdem interessanten Überlebensgeschichte zwischen allen Fronten stark konstruiert.

 Ann Leckie ist aber eine überdurchschnittliche Erzählerin, die aus einem mechanischen Plot trotzdem sehr viel Stimmung, sehr viel Momentum herausholt, um den Leser positiv bei der Stange zu halten.

 Judith Bermans „The Fear Gun“ aus dem Jahre 2004 ist die längste Geschichte dieser „Forever“ Ausgabe. Die Ausgangslage ist im Grunde ein literarisches Klischee. Eine amerikanische Kleinstadt im Hinterland wehrt sich gegen Außerirdische, welche die Erde angegriffen haben. Vor einigen Jahren ist eines der Raumschiffe im amerikanischen Hinterland in der Nähe dieser Kleinstadt abgestürzt. Die Menschen führen seitdem einen Partisanenkrieg gegen die Außerirdischen. Die weltweite Lage ist chaotisch, die Menschen befinden sich nach dem Angriff in einer Art Verteidigungsstellung. In Lewisville ist die Lage noch schwieriger. Das Dorf ist historisch schon immer isoliert gewesen. Der Zusammenbruch der Kommunikation hat sie noch weiter in die Enge getrieben, Hilfe von außen ist nicht zu erwarten. Auf der anderen Seite sind die Außerirdischen mit der Besetzung der Erde nicht unbedingt weit gekommen, so dass die hier gestrandeten überlebenden Fremden auch keine Hilfe aus der Luft erwarten können.

Seit Jahren tobt also dieser Kleinkrieg zwischen den Außerirdischen und den uramerikanischen Hinterländlern.

Als versprengte Einheiten der amerikanischen Armee auftauchen, ändert sich die Lage nicht unbedingt zum Besseren. Während die Kleinstädter mit einer Art elektrischen Lanze die Außerirdischen immer auf Abstand gehalten haben, sucht die Armee nach einer Art Geheimwaffe und droht den brüchigen kriegerischen Status Quo nicht unbedingt zu Gunsten der Siedler zum Kippen zu bringen.

 Auch wenn die Grundidee der Handvoll amerikanischer patriotischer Vaterlandsverteidiger gegen die zumindest in der Theorie technologisch überlegenen Fremden nicht unbedingt neu ist, gelingen Judith Berman eine Reihe von lesenswerten, zeitlosen Szenen. Mit viel Liebe zum Detail beginnend mit dem örtlichen Dorfhund zeichnet sie die menschlichen Charaktere. Sie wachsen dem Leser in ihrer entschlossenen Naivität; dem Willen, das Knie auch nicht vor den Resten der amerikanischen Armee zu beugen im Verlaufe der Geschichte ans Herz. Vor allem weil die im Titel erwähnte „Fear Gun“ als ultimative Alienwaffe sich mehr und mehr als eine Art MacGuffin erweist, das die Moral aufrecht erhält, ansonsten aber keinen echten Sinn macht.

 Gegen Ende überschlagen sich nicht nur die Ereignisse, die Autorin baut auch eine Reihe von seltsamen, nicht unbedingt sich selbst erklärenden Szenen ein. Der Dreierkonflikt sorgt für Spannung, zumal die Armee als arrogante Besatzer und nicht Retter gezeichnet werden. Die Außerirdischen bleiben ambivalent, exotisch und fremdartig.

 Stilistisch trifft die Autorin vor allem den amerikanischen Frontierslang mit diesem so einzigartigen Willen, sich niemals jeglicher Ungerechtigkeit zu beugen. Im Verlaufe der Handlung wünscht man sich vielleicht ein oder zwei nicht unbedingt so überraschende, aber konsequenter ausgespielte Wendungen. Manchmal greift zu sehr das Prinzip Zufall, während zu Beginn manches ein wenig zu übertrieben theatralisch, zu stark konstruiert erscheint. Auch die Idee, das die Fremden aufgrund ihrer technologischen Überlegenheit nicht schneller Hilfe rufen können als die isolierten Dörfler scheint bemüht, ist aber notwendig, damit die ganze Prämisse funktioniert.

 Ein solider, gut unterhaltender Science Western Abschluss dieser ausgesprochen kurzweilig zu lesenden erster „Forever“ Ausgabe des Jahres 2019; die vielleicht keine besonderen Höhepunkt präsentiert, aber gute zeitlose Unterhaltung von drei sehr unterschiedlichen, aber empfehlenswerten Autorinnen.   

Forever Magazine Issue 48 ebook by Neil Clarke,Judith Berman,Suzanne Palmer,Ann Leckie

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E Book, 112 seiten