Ein Mann mit Verantwortung

Stephen Robinett

1986 veröffentlichte der Heyne Verlag mit „Ein Mann mit Verantwortung“ Stephen Robinetts zweiten Roman. Sein erster noch unter Pseudonym in den USA publizierter Roman „Das Sternentor“ ist einige Jahre früher in der Science Fiction Reihe des Goldmann Verlags erschienen. In den USA schon 1978 aufgelegt handelt es sich um eine amüsante Rechtsanwaltsgeschichte mit nur einigen wenigen utopischen Ideen, die in eine lange Zeit realistische Handlung eingebaut worden sind. Noch stärker als in „Das Sternentor“ überzeugt bei „Ein Mann mit Verantwortung“ die Zeichnung der Protagonisten.

 Harry Penny ist ein Rechtsanwalt im 21. Jahrhundert. Er teilt sich seine Praxis mit einem Kollegen, der im Grunde immer abwesend ist. Dieser Kollege wird ihm später auf rosa Papier einen wichtigen Hinweis geben, wobei die Grundidee des Ponzi Schemas für den Leser schon klar erkennbar ist. Diese Idee eines betrügerischen Kettenbriefes, in deren Abwicklung die ersten Anleger mit dem Geld der Nachfolger immer pünktlich und überdurchschnittlich bezahlt werden, um weitere Investitionen zu ermöglichen, ist nicht neu. Die Geschichte Ponzis wird kurz umrissen, selbst in der Gegenwart des 21. Jahrhunderts haben diese Gaunereien mit höchsten Renditeversprechen eine Hochkonjunktur.

 Harry Penny übernimmt den Fall einer Art Stammkundin. Obwohl sie finanziell unabhängig ist, klagt sie gerne als eine Art Zeitvertreib. In diesem Fall will sie Harry Penny anheuern, weil sie einhundertsechzig Dollar in eine Stadt der Zukunft im argentinischen Dschungel investiert hat. Als sie zufällig in dieser Gegend ist, besucht sie die Baustelle und findet nichts. Auch wenn der Betrag angesichts der Millionen von Aktionären lächerlich erscheint, übernimmt Harry Penny den Fall und will nicht einen Bekannten vertreten, der aus anderen finanziellen Gründen dieses Investment abstoßen möchte. Nur weigert sich die Gesellschaft ihren Vertragsbedingungen folgend die Aktien zurückzunehmen. Ein freier Verkauf an eine Horde gieriger Börsenmakler ist auch nicht durch die besondere Art der Aktien möglich.

 Kurze Zeit später fällt Harry Penny nur ein dritter Fall vor die Füße. Ein junger Angestellter dieser Firma, von gigantischen Kopfschmerzen geplagt, soll die Führung angegriffen haben. Auch wenn kein großer Schaden entstanden ist, soll er wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt werden. Das erscheint dem pragmatischen, aber auch cleveren Anwalt übertrieben.

 Stephen Robinett hat seinen Roman kurzweilig aufgebaut. Der Plot ist stringent und lange Zeit denkt der Leser nur an ein klassisches Kapitalverbrechen, zumal auch Harry Pennys ehemalige Freundin und jetzige Frau des Firmengründers und Wall Street Genies plötzlich etwas von ihm will.

 Der Klappentext ist ein wenig irreführend. Es gibt keine gigantische Computermaschine, welche in Form von eines kapitalistischen Colossus die westliche Hemisphäre kontrolliert. Viel mehr zeichnet Stephen Robinett nach, wie ein Tradegenie sich plötzlich zurückzieht, seine Stiftung forciert und der Menschheit Gutes tun will. Dabei kümmert er sich zehn Jahre später mit der Rückkehr auf die Bühne durch das angesprochene Projekt Stadt der Zukunft nicht um seine Gesundheit. Es kommt wie es eigentlich kommen müsste. Doch ist der Tod des Firmengründers Sterling vielleicht auch nur Teil eines gigantischen Schwindels, um mit hunderten von Millionen Dollars zu verschwinden?

 Auf der Suche nach den Hintergründen dieses seltsamen Projektes begegnet Harry Penny einer Reihe von exzentrischen Figuren. Neben dem allgegenwärtigen und doch nicht wirklich greifbaren Sterling trifft er auf einen Sektengründer, der lange Zeit von diesem unterstützt worden ist. Der Sektengründer behauptet, die Seelen von Verstorbenen einzufangen. Viel interessanter ist die Begegnung mit einem Arzt, dessen Forschern medizinisch eine Art Gedächtnistransfer ermöglichen könnten.

 Hinzu kommt, dass Sterlings Partner ausgerechnet der Schwiegersohns des einflussreichsten argentinischen Industriellen ist, der auf eine absonderliche Art und Weise ausgerechnet die linke Opposition nur so weit unterstützt, als das sie sich selbst finanzieren können.

 Harry Penny agiert ohne wirklichen Druck. Auch wenn es einige wenige Szenen mit körperlichen Bedrohungen gibt, handelt es sich in erster Linie um ein ausgesprochen intellektuelles Spiel, das ein wenig den populären Rechtsanwaltserien wie „Matlock“ nach empfunden worden ist. Harry Penny ist ein Zyniker, der einen gewissen Charme versprüht und sich mit einer Mischung aus Drohungen und Überzeugungsarbeit, aber wenig Charisma oder Charme die entsprechenden Informationen besorgt. Auch wenn er noch Gefühle für seine ehemalige Freundin heckt und Stephen Robinett dieses handlungstechnische Klischee erst am Ende des Buches in einer fast tragischen Variation von „Casablanca“ auf den Kopf stellt, ist er kein emotionaler Mensch. Er ist im wahrsten Sinne ein störrischer Pragmatiker, der seinen Auftrag bis zum bitteren Ende ausführt und dabei handelt es sich in diesem Fall um einhundertsechzig Dollar, die ein hunderte Millionen von Dollar umfassendes Investment ins Wanken bringen.

 Wie angesprochen sind die utopischen Idee selten, aber ausgesprochen effektiv gesetzt. Eine der ersten Sequenzen ist eine gigantische Computeranlage, die es mittels Satelliten ermöglicht, jeden Platz der Erde quasi per Livestream zu sehen. Oder im Falle der Baustelle eben auch nicht.

 Eine andere Idee ist die Auseinandersetzung mit der relativen Unsterblichkeit. Erst gegen Ende wird diese Prämisse in den Vordergrund gerückt und einzelne Aspekte der Ermittlungen ergeben ein klareres, aber nicht unbedingt menschlicheres Bild. Wie bei vielen Wirtschaftskrimis wird die Fassade des Wohltäters als egoistisches Gehabe mit einer neurotischen Angst vor dem eigenen Ende entlarvt. Stephen Robinett präsentiert dabei ohne in die technischen Details zu gehen im Grunde zwei Arten des Überlebens. Einmal die Medizinische und zum Anderen die Esoterische. Eine abschließende Antwort wird es nicht geben.

 Aus diesen Fakten ergibt sich noch eine andere Frage, die ebenfalls eher angerissen wird. Alleine ihr Potential hätte einen weiteren Roman füllen können. Es wird nicht deutlich, ob das von einer der Firmen in Stirlings Stiftung entwickelte Computerprogramm alleine eine virtuelle Interpretation des Schöpfers – in diesem Fall Stirling – erschafft und ablaufen lassen kann oder ob die Software so lernfähig ist, dass sie den nächsten Schritt gehen und entsprechend autark handeln kann. Diese Idee geht während der finalen Konfrontation zwischen „Schurke“ und dem Mann mit Verantwortung passend am Flughafen fast unter. Stephen Robinett verzichtet dabei auf die typischen Klischees und ignoriert die mögliche schwarzweiß Malerei. Am Ende sind die Investoren selbst schuld, wenn ihre Gier das Hirn frisst.

 Der Roman ist äußerst kurzweilig geschrieben. Harry Penny ist ein guter Begleiter, der nicht selten einen flotten pointierten und doppeldeutigen Spruch auf den Lippen hat, aber eben nicht der klassische charismatische Held ist. Immer wieder laufen einzelne Handlungsfäden wie der nicht erreichbare Kanzleipartner parallel zum eigentlichen Plot und verbreiten die Basis. Souverän werden die juristischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge auf einer klar verständlichen Ebene erläutert und über die resolute Auftraggeberin, die mit Klagen gegen Ungerechtigkeiten ihre eigene Langeweile bekämpft, kann der Lese trotz ihrer manchmal auch nervigen Art und Weise schmunzeln.

 „Das Sternentor“ ist hinsichtlich der Science Fiction Elemente ohne Frage der bessere, der utopischere Roman. Inhaltlich ist „Der Mann mit Verantwortung“ vor allem wegen der angesprochenen Stärken auf der Charakterebene und einem lange Zeit sehr spannend entwickelten Wirtschaftskrimi sehr viel konsequenter, routinierter, aber auch ironischer und schließlich allgegenwärtiger.    

  • Broschiert: 249 Seiten
  • Verlag: Heyne Verlag; Auflage: Dt. Erstveröff. (1986)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3453313127
  • ISBN-13: 978-3453313125
  • gebrauchtes Buch – Robinett, Stephen – Ein Mann mit Verantwortung