Edgar Wallace Neue Fälle 4: Der Spieler

J.j. Preyer

J.J. Preyer schreibt, dass sein Roman „Der Spieler“ nach Motiven des Edgar Wallace Thrillers „The Clue of the Silver Key“ entstanden ist. Edgar Wallace hat diesen Roman in den dreißiger Jahren verfasst.
Dabei hat sich der Autor weniger auf den grundsätzlichen Plot, sondern auf die Personenkonstellationen in Wallace Roman konzentriert. Der Auftakt seines Buches ist gänzlich anders, aber beinhaltet eine andere Hommage an Edgar Wallace.
„Kapitel 1“ ist quasi das Spiel im Spiel. Es handelt sich um die wichtige Sequenz eines Theaterstückes, dessen Premiere unmittelbar bevorsteht. Der Roman spielt in der Gegenwart, das Stücke ist aber in den dreißiger und vierziger Jahren angesiedelt und soll möglichst ein ähnlicher Erfolg werden wie Agatha Christies „Mausefalle“. Durch die Rückdatierung des Theaterstückes erschafft der Autor gleich zu Beginn eine den Christie und Wallace Thrillern entsprechende Atmosphäre, da es während der Vorpremierenfeier zu einem Mord kommt.
Hervey Lyne ist der Onkel der Hauptdarstellerin Penelope und der Vater des Roderik Randoms, der ebenfalls am Stück mitarbeitet. Lyne verwaltet auch Penelopes Vermögen, das sie in wenigen Jahren erben soll. Es wird sie zu einer reichen Frau machen.
An diesem Abend befindet sich auch der ehemalige Schauspieler und inzwischen Chief Inspector Milton Player unter den Gästen. Einer der anderen am Stück Beteiligten oder einer der sehr wenigen Gäste mit der perfide Mörder sein, der Lyne mit einem hochwirksamen Nervengift anscheinend aus Beständen des Ersten Weltkriegs ermordet hat.
Die Ausgangslage ist ein stimmiger Klassiker. Ein begrenzter Täterkreis, möglicherweise ein sehr augenfälliges Motiv – Gier in Kombination mit Neid – und ein Inspektor direkt vor Ort. J.J. Preyer ist sich dieser fast an ein Klischee erinnernden Ausgangslage auch sehr wohl bewusst.
Ein wenig ambivalent spielt er im Laufe seines Romans mit den Versatzstücken. Innerhalb kurzer Zeit kommt es zu weiteren Taten, welche das potentielle erste Motiv des Täters verschleiern könnten. Genau wie die später auch nicht unbedingt notwendig wechselnde Perspektive versucht der Autor aus dem grundsätzlich eher stringenten Plot mehr zu machen als es der Text nötig hat.
Auffällig ist es während des Showdowns, in dem die einzelnen Nachnamen der Protagonisten noch einmal erläutert werden. Das erscheint fast absurd oder durch den Autoren derartig konstruiert, dass er seine Vorgehensweise erst nachträglich erläutern muss. Noch schwieriger wird es, wenn der Leser unabhängig vom Text einen Zusammenhang mit einzelnen Namen und dem Titel des Romans „Der Spieler“ herstellen soll. Dann hätte man mindestens einen weiteren Verdächtigen, der nicht nur ein Kriterium, sondern zwei erfüllt.
Natürlich wäre es eine interessante abschließende und vor allem auch überraschende Wendung, aber in diesem Punkt fehlt J.J. Preyer die Entschlossenheit, eine Hommage gänzlich auf den Kopf zu stellen. Es reicht schon, dass er einige dem Leser auf den ersten Blick vertraute Tatsachen relativiert und sich damit auch als unzuverlässiger Erzähler erweist. Selbst wenn man unterstellt, dass der Täter ein Stümper ist, was die anderen Mordanschläge relativieren, bürgt die ganze Planung zu viele Risiken für andere unschuldige Menschen.
Es ist neben einigen Längen im Mittelteil das schwächste Element des ganzen Romans. J.J. Preyer hat versucht, in diesem Punkt sowohl Edgar Wallace als auch Agatha Christie und vor allem Earl Derr Biggers Charlie Chan nachzueifern und schießt ein wenig über das Ziel hinaus. In einem Film hätte diese Vorgehensweise wahrscheinlich wegen des höheren zugrundeliegenden Tempos besser gepasst.
Unabhängig von diesen kleineren Schwächen überzeugt „Der Spieler“ aber auch in vielen Punkten und stellt einer würdigen Beitrag zu einer modernen Edgar Wallace Reihe dar.
Im Gegensatz zur Inspiration lässt J.J. Preyer den Täter erst im letzten Kapitel entlarven. Wallace präsentierte seinen Mörder sechs Kapitel früher, so dass es noch zu zwei Entführungen kommen konnte.
Es ist weniger der eher stetig bemühte Inspektor Player als Penelope, die ein nachhaltig Interesse an der Aufklärung der Verbrechen hat. Penelope ist eine Frau nur bedingt zwischen zwei Männern. Sie findet den Inspektor interessant, möchte aber erst über eine Beziehung nachdenken, wenn der Täter gefasst ist. Dabei versichert sie sich eher für den Leser als sich selbst immer wieder, dass sie nicht als Verdächtige gilt. Sie hätte auch das geringste Motiv. Der zweite Mann in ihrem Leben ist in Cousin Roderik, den sie allerdings im Gegensatz zu ihm eher als Bruder und nicht als zukünftigen Mann ansieht. Roderik ist ein Aufschneider, der nicht mit Geld umgehen kann. Er will das Theater übernehmen und hofft irgendwie auf eine Beteiligung seiner Cousine.
Alle anderen Figuren beginnend mit dem homosexuellen Regisseur und seinem Freund – der Drehbuchautor – über die Agentin bis zum irgendwie aus der Zeit gefallenen, wenig aktiven Butler sind charakteristisch eher angerissen als vollständig entwickelt. Im Laufe des Buches reduziert Preyer seine Anzahl an Protagonisten notwendigerweise, aber einzelne Schicksale berühren zu wenig. Anstatt seinen gut geschriebenen Dialogen zu vertrauen hätte der Autor ein wenig mehr Arbeit in die Protagonisten stecken sollen, um seinem Buch Fülle zu geben. Fairerweise ist auch Edgar Wallace kein Meister der Zeichnung von Charakteren gewesen, dafür hat er in seinen guten Büchern mehr auf eine von hohem Tempo geprägte Handlung konzentriert.
Das große Manko des Buches ist, dass Penelope als modern denkende, aber teilweise antiquiert handelnde Person zwar durchaus originell und mit zahlreichen Verkleidungen ermittelt, sogar einen Anschlag auf ihr Leben im Gegensatz zu einigen anderen Personen inklusiv eines Privatdetektivs und einer Polizisten überlebt, aber J.J. Preyer in ihre Handlungen keine Dynamik, keinen nachhaltigen Drang bringt. Darunter leidet teilweise nicht nur der Spannungsaufbau, sondern in einigen wichtigen Szenen wechselt der Autor plötzlich die Perspektive und beschreibt einiges aus der verzerrten, subjektiven Perspektive des offensichtlich verrückt paranoiden Täters. Mit dieser Vorgehensweise eng er unnötig und angesichts des mit Personen gut gefüllten Showdowns auch die Möglichkeiten ein.
Viele solcher Exkurse wirken eher wie Füllmaterial, um das Buch ohne Notwendigkeit auf über zweihundert Seiten zu bringen. Viel weniger wäre in einigen Fällen mehr gewesen. Ohne Frage ist „Der Spieler“ eine kurzweilig trotz der angesprochenen Längen zu lesende Hommage auf die Krimis vor allem der zwanziger und dreißiger Jahre, bevor der Film Noir und die Hardboiled Detectives das Verbrechen wieder dahin brachten, wo es hingehört: auf die Straße.
Auch die modernen Ansätze passen sehr gut zusammen. Nur wünscht man sich entweder ein wenig mehr Stimmung, dunkle Atmosphäre und vor allem besser ausgespielte falsche Spuren oder einen kompakter erzählten Plot, dessen Potential ohne Frage nicht nur vorhanden ist, sondern auch grundsätzlich Spaß macht.
So ist „Der Spieler“ wie ein durchschnittlicher Edgar Wallace Roman. Und davon gibt es ja unabhängig von den schnell heruntergeschriebenen Arbeiten immer noch sehr viele. Solide allerdings auch rückblickend zu klar erkennbare Ausgangsbasis und teilweise schematischer Ablauf immer wieder von guten kleinen Einfällen unterbrochen. Auf der anderen Seite macht das Buch trotz der Schwächen auch irgendwie so viel Spaß, etwas Neues vor einem alten Hintergrund zu entdecken und aus der Gegenwart in dieses Krimisubgenre einzutauchen und sich allerdings gemächlich mittreiben zu lassen.

Edgar Wallace - Neue Abenteuer 04: Der Spieler

WWW.blitz-Verlag.de

Taschenbuch, 204 Seiten

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