Gewalt zwischen den Sternen

Gordon R. Dickson

Der Apex Verlag legt  „Gewalt zwischen den Sternen“ zum ersten Mal als Ebook und generell als  Taschenbuch neu auf. In den USA erschien der Roman ursprünglich im Oktober und November 1961 als Serial in zwei aufeinanderfolgenden Ausgaben des „The Magazine of Fantasy & Science Fiction“. Ein Jahr später wurde dieser Kurzroman im erweiterten Kreis der Hugo Favouriten genannt, aber durch die Veröffentlichung als Magazinserial nicht berücksichtigt. Später veröffentlichte der Tor Verlag „Naked to the Stars“ zusammen mit „The Alien Way“ als Tor Doube 31 (ca. 1991). In Deutschland publizierte der Winther Verlag die Geschichte als alleinstehendes Taschenbuch im Rahmen ihrer kurzlebigen SF Reihe, übersetzt von Karl Otto Pakleppa. Für die Neuauflage wurde der Text noch einmal durchgesehen.

Angesichts des Ukraine Konflikts hat die Geschichte nichts von ihrer Brisanz verloren. In der ferneren Zukunft sucht die Menschheit im wahrsten Sinne des Wortes Lebensraums in fremden Sonnensystem, auf anderen Planeten. Die Politiker sind der Ansicht, nur Expansion kann eine soziale wie wirtschaftliche Stagnation auf der Erde verhindern. Die Militärs sind der Ansicht, wer sich nicht beugt, wird ausradiert. Dadurch führen die Menschen auf verschiedenen Planeten gegen die meistens technisch unterlegenen Einheimischen gnadenlose Vernichtungskriege- Gordon R. Dickson hat sich bei den Kriegsszenen sicherlich nicht nur von den beiden Weltkriegen, sondern auch dem Koreakrieg inspirieren lassen.

Der Roman beginnt mit einem Angriff auf eine Siedlung der von Gordon R. Dickson auch als niedliche tierähnliche Kreaturen beschriebene Lehaunan. Vor wird noch einmal martialisch deutlich gemacht, das ein Soldat im Krieg natürlich kein Mörder ist, weil er den Befehlen gehorcht. Gordon R. Dicksons Schreibstil, seine martialischen Dialoge und vor allem die papierdünnen Rechtfertigungen der Militärs hinsichtlich der brutalen Gewalt auch gegenüber Unschuldigen rücken den Plot zu Beginn in die Nähe faschistoider und vor allem auch kriegsverherrlichender Propaganda. Robert A. Heinlein wird für „Sternenkrieger“ die gleichen Vorwürfe vorgehalten bekommen.

Der Angriff erfolgt noch in der Zeit eines Waffenstillstands. Dabei macht der Autor deutlich, dass die menschlichen Offiziere ganz bewusst gegen die Vereinbarung verstoßen, denn Sonnenaufgang ist auf diesem Planeten auch eine subjektive Empfindung und die Bedeutung zwischen den Menschen und Lehaunan nicht ganz geklärt. Am Ende sind die Leidtragenden die Kinder, wie eine anrührige, vielleicht von einigen Lesern auch als sentimental empfundene Szene zeigt. Aber die Brutalität des Krieges wird bei Gordon R. Dickson von Beginn an deutlich gemacht. Später finden sich eine Reihe von Auseinandersetzungen im Buch, bei denen den irdischen Soldaten auch entsprechender Widerstand entgegen gebracht wird. In den Momenten des langsamen Sterbens werden aus den Soldaten wieder Menschen. Vielleicht einen Moment zu spät.

Gordon R. Dickson liebt in seinen Romanen eckige Protagonisten, die Veränderungen durchlaufen. Dabei ist es wichtig, sich auch im Rahmen der eigenen Möglichkeiten gegen das System zu stellen. In Dicksons umfangreichen Werk finden sich derartige Außenseiter, die mit List und Intelligenz gegen die meisten stereotyp denkenden Regierungsorgane agieren und ihnen den Eulenspiegel ins Gesicht halten. Oder die Protagonisten werden traumatisiert, um anschließend auch durch die Kraft der Liebe eine andere Perspektive zu erlangen und aufzuwachen. Bei Cal Truant als Dreh- und Angelpunkt dieses vorliegenden Romans ist es die zweite Möglichkeit. Er nimmt am Angriff teil, ist sich allerdings schnell bewusst, dass die militärischen Ziele auf Lügen basieren und hier friedliche Fremde einfach massakriert werden. Er ist aber noch nicht in der Lage, sich gegen die militärische Maschinerie zu wehren.

Cal Truant ist anschließend für den Transport einer Gruppe von Gefangenen durch die Wüste zuständig. Dabei beginnt er nach und nach auch deren Position und vor allem ihr Recht auf den eigenen Planeten zu verstehen. Von Akzeptieren ist noch nicht die Rede.

Am Ende des Einsatzs lernt er nicht nur die Krankenschwester Annie kennen, weil ein Freund von ihm im Lazarett liegt, sondern er wird auch versetzt. Er soll Mitglied der Kontaktserviceteams werden, welche die Truppen begleiten.

Hier erschafft Gordon R. Dickson ein Kuriosum. Die Kontaktoffiziere begleiten die Truppen auch während der aktiven Angriffe. Die Kontaktmitglieder sollen zwar auf der einen Seite in einem sehr beschränkten Ausmaß Kontakt mit den Feinden  - die Menschheit begegnet in diesem Stadion der Expansion immer nur Feinden – aufnehmen, aber hinter den Truppen agieren und notfalls nur die   Verwundeten von der Front wegbringen. Als Mitglied des Kontaktteams muss Cal Truant als weiteres Kuriosum eine erneute Grundausbildung durchlaufen, auch wenn er als Offizier schon alle Qualifikationen hat. Gordon R. Dickson beschreibt wie später Stanley Kubrick in „Full Metall Jacket“ die brutale Grundausbildung, in welcher es geht, Menschen zu brechen und anschließend zu stupiden Mordmaschinen zu machen. Dabei haben die Kontaktoffiziere im Grunde keine echte Bedeutung. Die Militärs akzeptieren sie nicht, Vollmachten haben sie auch nicht. Als Ablenkung sind die Leute zu gut ausgebildet.

Anschließend wird Cal Truant auf einen anderen Planeten, aber vor allem zu seiner alten Einheit versetzt, die ihm bis auf wenige Ausnahmen natürlich keinen Respekt entgegenbringen.  Auf dem Planeten geht vieles schief. Auch wenn die Menschen den Einheimischen technisch überlegen sind, gelingt es einem Anführer, sich mit mehr als dreißigtausend Freiwilligen in den schwierig zu erreichenden Dschungel zurückzuziehen. Ein Partisanenkrieg droht. In diesem Abschnitt des Romans spannt Gordon R. Dickson den Bogen zu den alten, bekannten amerikanischen Western mit den unterlegenen Indianern, die aber schnell nicht nur von den Weißen lernen, sondern ihre Waffen kaufen, stehlen oder nachbauen. Militärisch ist die Lage vor allem in den wenigen größeren Siedlungen unter Kontrolle, der Rest der Welt wird dem Widerstand überlassen. Noch stehen keine menschlichen Siedler vor der Tür.

Im letzten Viertel des Buches beginnt Cal Truant gegen das System zu rebellieren. Mit einer verwegenen Aktion versucht er den bisherigen Status Quo zu durchbrechen und die beiden Seiten zu Verhandlungen zu bewegen. Dabei sind die Interessenlagen sehr konträr. Es erscheint unwahrscheinlich, dass die Menschen den Planeten aufgeben oder sich die Einheimischen quasi dem Joch der Menschheit beugen. Gordon R. Dickson führt diesen Punkt allerdings auch nicht weiter aus, sondern konzentriert sich auf Cal Truant, der natürlich für seine Insubordination bestraft werden soll.

Gordon R. Dickson ist immer ein grundsätzlich optimistischer Autor gewesen. Nicht selten feierte er in seinem umfangreichen Romanen den Pyrrhussieg des Individuums über das System. Auch hier steht am Ende eine zumindest politische Veränderung innerhalb der irdischen Regierungsstrukturen mit der Verteilung von Verantwortung auf mehrere Schultern. Das wirkt ein wenig kitschig inklusiv der rührenden, ein wenig pathetischen Liebesgeschichte. Darum ist Gordon R. Dickson auch noch einmal gezwungen, Cal Truants bis dahin etwa unterkühlte Haltung gegenüber der ihm treu „ergebenen“ Annie zu überdenken und eine Erklärung nachzuschieben. Schon als Kind hat Carl Truant die Ungerechtigkeit der Herrschenden gegenüber der eigenen Familie miterleben müssen. Diese innere Opposition hat sich ein Leben lang durch seine Haltung durchgezogen, auch wenn er als Soldat lange Zeit das eigenständige Denken absichtlich verdrängt hat. Für Cal Truant scheint auch das Leben mit einer unehrenhaften Entlassung zu enden. Erst sein Umfeld muss ihm deutlich machen, dass das Militär nicht allgegenwärtig ist.

Das Ende des Buches ist in einem Aspekt optimistisch. Viel wird zukünftig fairer mit den Fremden erst geredet und dann geschossen. Am Expansionsdrang der Erde hat sich allerdings grundlegend nichts geändert und jeder bewohnbare Planet mit einer einheimischen Bevölkerung wird als Eroberungsobjekt angesehen. Dieser nihilistische Aspekt geht durch das ein wenig hektisch erscheinende Ende unter.

Aber generell ist „Gewalt zwischen den Sternen“ der Versuch, aus einem anfänglich mit einer leicht kritischen Distanz zur klassischen Military geschriebenen Science Fiction Roman eine Art Zwitter zu machen, der impliziert, dass die militärische Konfrontation am Anfang steht oder vielleicht auch aus der perversen Sichtweise der Menschheit stehen muss, während die politischen Verhandlungen sowie die Anpassung der Fremden an die Herrschaft der Menschheit nach der erfolgreichen Eroberung angegangen werden können. Aber nicht müssen. 

Diese Einstellung hebt das Buch nicht unbedingt aus der Masse von Military Science Fiction Geschichten heraus, ist aber zumindest ein kleiner Schritt für die Menschheit… in die richtige Richtung.

Das Winther Taschenbuch ist heute antiquarisch noch zu erhalten, aber eher selten. Aus diesem Grund alleine ist die Neuauflage überfällig. Hinzu kommt, das Gordon R. Dickson zu der Schar von heute fast vergessenen Science Fiction Autoren gehört, von deren Werk nur ein Bruchteil aktuell lieferbar ist. Die Neuveröffentlichung auch zum ersten Mal als E Book ist deshalb generell zu begrüßen, auch wenn „Nakes to the Stars“ eher zu den Frühwerken des Autoren, aber nicht zu seinen besten Arbeiten gehört.

GALAXIS SCIENCE FICTION, Band 43: GEWALT ZWISCHEN DEN STERNEN: Geschichten aus der Welt von Morgen - wie man sie sich gest...

  • Herausgeber ‏ : Apex Verlag ; 1. Edition (21. Februar 2022)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Taschenbuch ‏ : ‎ 180 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3754952749
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3754952740