Cotton Reloaded 22- Dollarmord

Jack Lance

„Cotton Reloaded 22“ aus der Feder des Niederländer Jack Lance ist in mehrfacher Hinsicht ein Debüt für die Serie. Zum ersten  Mal ist ein „Cotton Reloaded“ nicht von einem Deutschen geschrieben worden, zum anderen hat der Serienbetreuer Helmut W. Pesch den Roman übersetzt und zum dritten werden am Ende die im Hintergrund agierenden Mächte eher als kapitalistisch als radikal patriotisch betrachtet. Leider ist „Dollarmord“ aber auch ein typischer Krimi, der zeigt, dass der Autor zwar eine gute Idee gehabt hat, leider aber keine Ahnung aufweist, wie er die umsetzen kann. Man kann von einem Serienherausgeber nicht unbedingt erwarten, dass er sich wie im vorliegenden Fall um börsentechnische Kleinigkeiten kümmert, aber zumindest einen Experten hätte er drauf schauen lassen, um den Plot in der vorliegenden Form zurückzuweisen.

Auch Jeremiah Cottons Persönlichkeit erscheint seltsam entwickelt. So verbringt er einige schöne Stunden, vielleicht Tage mit einer neuen Freundin, ohne ihr seinen wirklichen Beruf zu verraten. Als Decker ihn zu einem Einsatz ruft, verabschiedet er sich ohne Not endgültig von ihr. Die Handlungsweise wirkt wie alles im vorliegenden Roman steif und unnatürlich.Der Leser weiß inzwischen, dass bei Silverman – eine überdeutliche Anspielung auf Goldman Sachs – als einer der größten Brokerfirmen des Landes nicht alles im rechten Lot ist. Ein leitender Angestellter wird nach einem unerfreulich laufenden Gespräch mittels einer Bombe ermordet. Relativ schnell eingeleitete Ermittlungen während an den weltweiten Börsen die Kurse fallen zeigen, dass der Neffe eines weiteren Angestellten von Terroristen entführt und ein Virus in das Handelssystem der Computer eingeführt worden ist. Anscheinend wollen die Täter weltweite Panik erzeugen und den Kapitalismus endgültig zerstören. Die Grundidee mag noch interessant sein, aber die Details sind eine Katastrophe.

Das Virus soll allen Verkaufsaufträgen der Firma eine weitere Null heranhängen. Dadurch wird der Markt quasi mit Aktien überspült und die Kurse in den Keller gedrückt. Silverman  hat vorher über Monate gigantische Leerverkaufspositionen aufgebaut und will sie von den fallenden Kursen profitieren. Was anfänglich anscheinend nur die Handlung von Terroristen ist, erweist sich später als Mischung aus Profitgier und Erpressung. Nur kann dieser Plot nicht funktionieren. Zum einen muss Silverman die zuviel verkauften Aktien auf eigene Kosten eindecken. Ein nicht funktionierendes Computersystem ist wie bei Knight Securities keine Entschuldigung. Die Börsenaufsicht hätte den verzehnfachten Flow einer Firma sofort bemerkt und sie spätestens am nächsten Tag, wenn nicht während der Sitzung vom Handel ausgegrenzt. Das Eindecken der Aktien hätte die Kurse wieder nach oben getrieben und Silverman einen gigantischen Schaden zugefügt. Hinzu kommen die Shortpositionen der Firma, die ja in die Eindeckung der falschen Kundenaufträge auch hätte zurückgekauft werden müssen. Dieser Dominoeffekt hätte die Kurse weiter nach oben getrieben. Die ganze Aktion macht nur Sinn, wenn Jack Lance die einzelnen Phasen des Plans anders aufgebaut hätte. Der Anschlag auf die Börse, um letzt endlich Panik auszulösen, hätte zwar kurzfristig die Kurse noch einmal nach unten gedrückt, aber wahrscheinlich wäre die Börsenaufsicht eingeschritten und hätte den Handel wieder für einige Tage, wenn nicht Wochen ausgesetzt, so dass sich Silverman nicht hätte eindecken können. Wäre diese Aktion von einer Konkurrenzfirma ausgeführt worden, um Silverman zu eliminieren, dann hätte es auch ohne die Entführung Sinn gemacht.Vor allem hätte diese "Wendung" die Warnung vor einem grenzenlosen Kapitalismus stärken und die sich durch einige "Cotton Reloaded" ziehende Idee von demokratiefeindlichen Kräften innerhalb der amerikanischen Oberschicht sogar unterstreichen können. 

Interessant ist auch die angebliche Motivation der einzelnen Verbrecher. Da wären die mittelbaren Terroristen, die im Grunde als Handlanger dienen und kaum charakterisiert worden sind. Die obere Managementebene, die sich auf die Kombination dieser beiden Pläne eingelassen hätte, wird kapitalistisch opportunistisch gezeichnet. Natürlich gibt es skrupellose Manager, aber die Verbrechungen unbekannter Hintermänner sind so vage und als sich die Entführung auch noch als geplanter Teil des Plans herausstellt, wird die Handlung endgültig unglaubwürdig. Und da wären die Schattenmänner. Bedenkt der Leser, dass einzelne Computerprogramme im Sekundentrading einen Kursverfall an der New Yorker Börse um fast zehn Prozent ausgelöst haben, ohne das die Welt darauf reagierte, dann wirkt dieser Plan relativ schwierig. Ein Anschlag außerhalb New Yorks wäre sinnvoller und vor allem unauffälliger gewesen, um den Plan umzusetzen. Aber es soll voller Action sein, was „Cotton Reloaded“ bietet.

Ob es durch die Übersetzung gekommen ist – Helmut W. Pesch ist ein erfahrener Übersetzer – oder durch Jack Lance eher distanzierten Schreibstil, lässt sich nicht abschätzen, aber auch die einzelnen Figuren wirken ausgesprochen leblos und das in den letzten Romanen besser werdende Verhältnis zwischen Decker und Cotton wirkt wieder abgekühlt, zumal Cotton sich eine furchtbare und wirklich nicht erklärbare Pflichtverletzung leistet, die weder richtig Ziel führend ist noch mit seinen Einzelgängen in den letzten Romanen verglichen werden kann. Mit ein wenig mehr Sorgfalt und einem besseren Ablauf hätte „Dollarmord“ ein interessanter und überdurchschnittlicher „Cotton“ werden können. So wiederholt Lance eine Reihe von Klischees – auch wenn er einen guten Broker relativ früh sterben lässt – und verfängt sich in den technischen Schwächen seines Plans. Vor allem die Auflösung ist dann zu melodramatisch simpel, die Hinweise zu schnell gefunden und der Schußwechsel mit den angeblichen Terroristen oder doch nur angeheuerten Killern vor der Entschärfung möglicher Bomben zu simplifiziert, um nachhaltig Spannung zu erzeugen.

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 1179 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 94 Seiten
  • Verlag: Bastei Entertainment (10. Juli 2014)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B00L4E5UHE
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