Shada

Douglas Adams

Mit „Shada“ veröffentlicht Cross Cult das aus heutiger Sicht nur noch bedingt verlorene Abenteuer des vierten Doctors. Der durch „Per Anhalter durch die Galaxis“ bekannt gewordene Douglas Adams gehörte zu den Autoren, die insbesondere Tom Bakers interessanteste Abenteuer verfasst hat. Mit „The Pirate Planet“ hob er die Serie aus den kindlichen Wurzeln auf ein neues Niveau. „Shada“ sollte die siebzehnte Staffel – 1979/1980 – abschließen. Obwohl das Drehbuch nicht gänzlich fertig gestellt worden ist, begannen die Dreharbeiten. Aufgrund eines Streikes bei der BBC konnte die Folge nicht mehr fertig gestellt werden und das vorhandene Material ist archiviert worden. 1992 im Zuge der VHS Veröffentlichungen der alten Folge sind die gefilmten Teile von Tom Baker mit einer verbindenden Erzählung begleitet zum ersten Mal in einer eher rudimentären Form veröffentlicht worden. 11 Jahre später erschien das ursprüngliche Manuskript als Hörspiel mit begleitender Animation. Allerdings wurde der vierte Doctor gegen eine spätere Inkarnation ausgetauscht. Gareth Roberts geht in seinem ausführlichen Nachwort auf seine schwierige Arbeit ein, sowohl Douglas Adams Originalfassung, die er dank Expose und schriftlichen Notizen restaurieren konnte, gerecht zu werden als aufgrund des vorhandenen Materials die rudimentären Fernsehteile einzubauen. Neben der Rückkehr des vierten Doctors ist aus heutiger Sicht erstaunlich, wie gut es Gareth Roberts gelungen ist, insbesondere die späten siebziger und frühen achtziger Jahre nicht nur mit passenden, von Claudia Kern gut übersetzten Dialogen wieder zu beleben, sondern den starken, auch aus den Fernsehfolgen ablesbaren Auftakt dieser Folge zufrieden stellend, wenn auch mit einem Hang zur Wiederholung zu beleben. Gareth Roberts erwähnt aber auch, dass Douglas Adams mit keiner zu seinen Lebzeiten entstandenen Fassungen wirklich zufrieden gewesen ist und anscheinend der Verwendung des Materials eher unbewusst zugestimmt hat. Die gezeigten Folgen – die ersten drei Episoden sind überwiegend erhalten – weisen erhebliches Potential auf, dass aber weder Douglas Adams in einer zufrieden stellenden Form noch Gareth Roberts aufgrund des gigantischen Erwartungsdrucks wirklich heben konnten. Auch wenn sich Roberts bemüht hat, das Ende dramatisch zufrieden stellender zu gestalten, leidet die Gesamtkonstruktion der Geschichte unter zu vielen „Toten“, die plötzlich mit dem Doctor beginnend wieder auferstehen und in die Handlung eingreifen. Wie bei vielen Douglas Adams Geschichten ist die überdrehte Handlung eher eine Bühne, auf der seine exzentrischen, aber auch liebenswerten Figuren tanzen können und als Persönlichkeiten länger im Gedächtnis bleiben denn die verwirrende, sich selbst auch übertölpende Handlung.

 Skagra sieht sich als der zukünftige Herrscher des Universums, nachdem er seinen Glauben an Gott früh abgelegt hat. Dazu benötigt er allerdings nicht nur eine Reihe von Utensilien der „Time Lords“, sondern das Buch mit den letzten Geheimnissen Gallifreys, um den Gefangenen auf dem verlorenen Planeten Shada zu befreien. Fängt der Leser mit diesem Aspekt der Handlung an, denn kritisieren Gareth Roberts und Douglas Adams die auf Gallifrey zurückgebliebenen „Time Lords“ im Grunde als egoistische Opportunisten, die still und heimlich Gesetze manipuliert haben, um schwierigen Prozessen gegen Superverbrecher aus dem Weg zu gehen. Es ist schade, dass dieser Aspekt der Handlung im Verlaufe der verschiedenen chaotischen Verfolgungsjagden förmlich verloren geht und am Ende der Doctor zumindest ein kleines gutes Haar an seinen Time Lords lässt. Der einzige, der möglicherweise erstens weiß, wo das Buch ist und zweitens eine Ahnung haben könnte, in welchem Teil des Universums sich Shada befindet, ist ein in Rente geschickter Time Lord, der sich als zerstreuter, Bücher liebender Professor in Cambridge eingeschrieben hat. Professor Chronotis ist eine der gelungenen Schöpfungen, der später von Douglas Adams mit einigen Handlungsteilen „Shadas“ in „Dirk Gently´s Holistic Detective Agency“ wieder belebt worden ist. Obwohl seine Figur als zerstreuter Professor mit einem Hang für Tee über weite Strecken fest gelegt worden ist, dreht Douglas Adams am Ende die Handlung und hält dem Leser hinsichtlich der Erwartungshaltung gegenüber allen Schurken des bekannten Universums einen Spiegel ins Gesicht. Diese Wandlung wirkt spannungstechnisch ohne Frage sehr gut entwickelt. Inhaltlich bleibt insbesondere Chronotis und damit auch die Vergangenheit des Superverbrechers ambivalent im Dunkel. Andeutungen sind vorhanden, aber der Leser vermisst wie in den meisten Slapstick Komödien den Schritt nach vorne. Unabhängig von diesen Schwächen hat sich Douglas Adams sehr viel Mühe gegeben, den britischen Lebensgeist in dieser sympathischen, dreidimensionalen und im Hintergrund die Handlung auch ein wenig dominierenden Figur zu fokussieren. Mit dem zeitlosen Cambridge und seinem Hang zur absoluten Diskretion – ein Professor badet jeden Sonntag in seinem Büro und Professor Chronotis müsste nach jedem menschlichen Maßstab schon lange tot sein – hat Douglas Adams einen interessanten Hintergrund seinem Roman hinzugefügt. Die vor Ort spielenden Szenen mit der romantischen Flussfahrt – Romana lässt sich gerne vom Doctor den Fluss hinab „rudern“ – führen den Zuschauer/ Leser ruhig in das kontinuierlich an Tempo gewinnende Geschehen ein.

 Zu den menschlichen Begleitern können Claire und Chris, die sich am Ende ihrer Liebe versichern. Es ist erstaunlich, das ausgerechnet die beiden einzigen echten Menschen in dieser kontinuierlichen Verfolgungsjagd in erster Linie durch den Raum und weniger die Zeit so eindimensional und schwach gezeichnet worden sind. Irgendwann geht dem Leser Chris Zögern zu weit und er möchte die beiden jungen Menschen aufeinander zu schubsen. Claires Wandlung zu einer „Tardis“ Spezialisten ist amüsant und hilft bei einigen scharfen Kurven innerhalb der Handlung. Auf der anderen Seite hat diese „Deus Ex Machina“ Lösung auch den Hang eines Kompromisses.

Wie kein anderer satirischer Science Fiction Autor kann Douglas Adams den Gigantismus seiner „Superschurken“ in überdrehter Manier beschreiben. Skagra ist eine dieser egomannen Figuren, die begleitet von einer das jeweilige Bewusstsein seiner Feinde bzw. notwendiger Wissenschaftler aufsaugenden Kugel sowie einem modernen Raumschiff mit einem komplexen wie emotional gestörten Bewusstsein begleitet voller Sendungsbewusstsein den Sturm auf das bekannte Universum unternimmt. Seine anfänglich schrecklichen Taten – so tötet er nicht nur Professor Chronotis, sondern saugt auch mehrere irdische Wissenschaftler förmlich aus – werden gegen Ende wieder relativiert. Der „Doctor Who“ der sechziger bis achtziger Jahre wendete sich auch an ein jugendliches Publikum und da konnte ein „Massenmörder“ insbesondere von Menschen nicht akzeptiert werden. Ansonsten beschreibt Douglas Adams ihn als charismatisch, dessen perfekter Plan sich aber in der zweiten Hälfte des Plots spätestens mit dem Erreichen des Gefängnisplaneten buchstäblich in Luft auflöst. Als Figur ein Höhepunkt dieser Serie wünscht sich der Leser mehr direkte Konfrontationen mit dem Doctor.Im Schatten des Doctors ist Romana allerdings eher eindimensional bis pragmatisch gezeichnet. Sie kann nur auf das Geschehen reagieren und wenn sie sich gegenüber Claire hinsichtlich ihrer Reisen mit dem Exzentriker verteidigen muss, wünscht man sich eine entschlossene Zeitreisende, welche das junge Mädchen in ihre Schranken verweist. K 9 ist ein Erzeugnis dieser Epoche, den Doctor für ein jüngeres Zielpublikum „auszurichten“. Zumindest zieht Douglas Adams diese umstrittene Schöpfung eher mit als das sie ihn wie in einigen anderen Episoden dieser Ära in den Mittelpunkt stellt.

Mit dem vierten Doctor gespielt von Tom Baker hat Douglas Adams allerdings eine Figur gefunden, die in ihrer aufgesetzten Exzentrik wie die neuen Inkarnationen sehr gut zu seinem extrovertierten, auf die Details Wert liegenden Schreibstil passt. Im Gegensatz zu vielen anderen „Dr. Who“ Abenteuern ist sich der Brite einer Schwäche bewusst. Der Doctor muss auf der einen Seite der „Held“ sein, darf aber auf der anderen Seite auch nicht alles alleine erledigen. Zumindest wird ein Teil der Verantwortung auf die beiden menschlichen Helfer und leider auch K 9 verteilt. Neben dem Wunderwerk der Tardis gehört die alte Zeitmaschine des Professor genauso zu den technischen Errungenschaften wie Skagras melancholisches Raumschiff, das direkt aus „Per Anhalter durch die Galaxis“ die Fronte gewechselt haben könnte. Auch wenn nach einem guten Auftakt der Doctor teilweise zu passiv im Mittelteil beschrieben worden ist, durchzieht seine kontinuierliche Reaktion bis zur abschließenden Aktion positiv diesen kurzweilig zu lesenden Roman.

Handlungstechnisch gibt sich Robert sehr viel Mühe, die deutlich flachere zweite Hälfte „Shadas“ interessanter und ambitionierter erscheinen zu lassen als es vielleicht sogar Douglas Adams im Sinn gehabt hat. Dabei kreist der Plot zu sehr um das Element der Wiedererweckung und vor allem die mehrfach angewandte Fähigkeit, dem Aussaugen des Verstandes ein Schnippchen zu schlagen. Einmal ist diese Idee ohne Frage gut angewandt, aber so oft wie es in der vorliegenden Geschichte vorkommt, wirkt es zu sehr recycelt. Eine weitere Schwäche ist „Shada“ selbst. Für die Intensität und Länge der Suche verweilen die Figuren zu wenig und zu oberflächlich auf dem Gefängnisplaneten. Zu den Stärken des ohne Frage lesenswerten, aber nicht den Heiligen Gral Doctor Whos darstellenden Buches gehören die angesprochenen Auftaktszenen in Cambridge und die hervorragend geschriebenen Dialoge, die von Douglas Adams dominierender Erzählstimme – wie in seinen „Per Anhalter durch die Galaxis“ Romanen durchbricht er die Barriere zum Leser und zieht sie indirekt mitten hinein in seine Beschreibungen – sehr gut getragen werden. Alleine der Versuch, „Shada“ das ihr zustehende Format zu geben und die ohne Frage detaillierte, aber nicht komplette Restauration der Fernsehserie zu ergänzen, macht den Erwerb dieses Buches empfehlenswert. Es ist schön, nach einer so langen Pause wieder einen erkennbaren Douglas Adams zu lesen, auch wenn der unbestimmte Gefühl bleibt, ein Buch aus einem Paralleluniversum in Händen zu halten, in dem die Dirk Gently Abenteuer nicht veröffentlicht worden sind.  

 

 

 

13x18cm, 

TB, Cross Cult

sw, 

420 Seiten, 

ISBN
 978-3-86425-444-4