Gallowglass

Gordon Ferris

Mit dem vierten Roman um Douglas Brodie und dem insgesamt sechsten Band einer kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Glagow spielenden miteinander verbundenen Reihe löst sich Gordon Ferris aus der Vergangenheit. Die Absicht des Autoren ist vor allem nach dem sehr gelungenen dritten Band „Pilgrimsoul“ klar, die Serie zu einem Höhepunkt zu bringen und möglichst viele, wenn nicht alle roten Fäden aus den ersten drei Abenteuern abzuschließen. Das schließt nicht nur die Abrechnung mit dem korrupten Polizisten Sangster ein, sondern im Epilog wird der Leser ambitioniert, aber auch konstruiert erkennen, wie weit die eigentlichen Pläne dieser mehrschichtigen Verschwörung wirklich gereicht haben. Auch eine geradlinige Auflösung dieser perfiden Plans hätte ausgereicht, dem nicht unbedingt beliebten Journalisten und Ermittler ein perfektes Verbrechen unterzuschieben und ihn alleine zum Sündenbock zu machen. Wenn einer der Antagonisten schließlich zugibt, es wäre ihm bei diesen schwierigen Planungen in erster Linie darum gegangen, Brodie ebenfalls in diesem Gefängnis zu sehen, so wirken diese Aussagen wie schon angedeutet zu extrem konstruiert und basierend auf den verschiedenen Zufällen während der Ermittlungen nicht unbedingt nachvollziehbar.

 Der Roman beginnt mit einem Paukenschlag. Douglas Brodie ist tot und weilt gleichzeitig auf seiner eigenen Beerdigung. Da Gordon Ferris alle Glasgower Krimis aus der Ich- Perspektive verfasst hat, ist diese Vorgehensweise kontraproduktiv, da der Leser relativ schnell nicht zum letzten Mal in diesem Roman dem Ermittler einen Schritt voraus ist und nur darauf wartet, bis die Vergangenheitsebene die Gegenwart mit der Beerdigungsszene erreicht hat. Erst ab dieser Sekunde nimmt die Handlung wirklich wieder Fahrt auf und Brodie kann aktiv nicht immer mit legalen Mitteln die Ermittlungen weiter ausführen, die schließlich als eine kleine Enttäuschung eher in persönlichere Bereicherung gipfeln, als die politischen Implikationen des Marshall Plans und vor allen den Folgen der Gold gedeckten amerikanischen Währung im Vergleich zum schwächelnden, auf die Unterstützung der Amerikaner angewiesenen Pfund enger in die Kriminalgeschichte einzubauen. „Pilgrimsoul“ hat das deutlich effektiver und vor allem provokanter gemacht. Am Ende des Romans hat der Leser das Gefühl, als habe die spannende Ablenkungsspur für Gordon Ferris entweder ihren Reiz verloren oder er konnte sich nicht mehr nachvollziehbar einbauen, so dass er sich auf die lange Hand der örtlichen Mafia und die Korruption eines untreuen Bänkers verlassen hat.

Douglas Brodie soll der Frau eines entführten Bänkers helfen, das Lösegeld zu übergeben. Am Ende einer Odyssee durch Glasgow ist der Bänker mit Brodies Waffe erschossen und dieser liegt von hinten niedergeschlagen neben der Leiche. Für seinen Erzrivalen im Revier ist der Fall klar. Brodie hat die Entführung selbst geplant, um seine finanzielle Situation aufzubessern. Gleichzeitig wird sein Konto leer geräumt, um die Notwendigkeit dieser Tat zu demonstrieren. Diese zusätzliche Idee ist eine der ersten Schwächen des Buches, denn das Konto wird erst nach der Entführung und Verhaftung leer geräumt, die Zeit einige Wochen in die Vergangenheit gesetzt. Da es sich zusätzlich um ein Sparbuchkonto handelt, hätte Brodie einfach das Buch präsentieren können, um zumindest Unstimmigkeiten aufzudecken. Unabhängig davon ziehen Brodie, seine Freundin Sam und die Unterstützer vom britischen Geheimdienst einen „Graf von Monte Christo“ Plan durch. Brodie täuscht seinen Selbstmord vor, wird begraben und kann so als Toter in seinem eigenen Fall ermitteln. Dabei wandelt er auf einem sehr schmalen Grad, den viele Menschen müssten ihn eigentlich erkennen und seine Tarnung bestehend nur aus einem wild gewachsenen Bart ist ein wenig zu offensichtlich. Schnell kann er feststellen, dass das Entführungsopfer in den letzten Jahren über Scheinkonten und Scheinfirmen große Summen umgeleitet hat. Als sich herausstellt, dass sein Bruder auch noch in einer Irrenanstalt in der Nähe lebt, ist für den Leser im Vergleich zum deutlich schwerfälliger operierenden Douglas Brodie nicht nur der Zusammenhang klar, sondern zumindest ein Teil des Ablaufes. Da Gordon Ferris nur eine Handvoll von Verdächtigen mit allerdings sehr unterschiedlichen Motiven, aber gemeinsamen Zielen präsentiert, setzt sich der Fall erstaunlich schnell zusammen und die einzelnen Details spielen weniger große Rollen als es sich der Autor erhofft hat.

Während die Zeichnung der Figuren weiterhin zu den Stärken des Buches gehört, ist die Vorgehensweise dieses Mal erstaunlich unoriginell bis langweilig. So muss Brodie entweder alleine und/ oder mit einem ehemaligen Strafgefangenen und Fälscher, der sich die Rehabilitierung und vor allem einen Orden erhofft, sowohl in die Bank des Opfers als auch später in das Büro eines Rechtsanwaltes teilweise mehrfach einbrechen, um die ersten beweisbaren Grundzüge sicherzustellen. Da diese Fakten durch die kriminelle Beschaffung vor Gericht nicht anerkannt werden können, kehrt Brodie später in der Verkleidung eines Sonderbeauftragten des Geheimdienstes wieder zurück und lehrt die Akten mit der Hilfe einer ganzen Mannschaft. Das seine Vorgehensweise – falsche Identität und vor allem das Vorspiegeln eines Offiziersrangs – genauso von den Gerichten nicht anerkannt werden könnte, lässt Ferris außer acht. Mit den insgesamt drei Aktionen, von denen eine seinem eigenen Konto dient, hat Brodie alle wichtigen Fakten zusammen, so dass er die „Hintermänner“ an dieser in mehrfacher Hinsicht kompliziert, aber effektiv konstruierten Verschwörung stellen kann. Vielleicht ist es Zufall, das am Ende eine Hommage an Dashiell Hammetts „The Maltese Falcon“ herauskommt, aber auch hier kommt insbesondere in Kombination mit Ferris inzwischen vertrauter Vorgehensweise vordergründig nur eine Person in Frage, die natürlich wieder Rückendeckung hat. Wie oft ist insbesondere Brodie in den letzten Romanen mit der Tür ins Haus gefallen und konnte entweder nur durch einen Zufall oder wie in diesem Fall dem rechtzeitigen Auftreten der im Grunde falschen Polizeieinheit gerettet werden. Kriminaltechnisch ist es die erste von insgesamt drei direkten Konfrontationen, in denen Brodie die Verdächtigen mit seinen Beweisen konfrontiert und ihre Pläne offen legt. Während die erste Begegnung für den eigentlichen Fall der Entführung wichtig ist, handelt es sich bei der zweiten durchgeführt durch seine Freunde in hoch stehenden Positionen um eine Art reinigende und abschließende Katharsis, während letztendlich die finale Begegnung wie schon angedeutet zu stark konstruiert den Bogen zum ersten Roman schließt. Vergleicht der Leser den Showdown mit dem nachfolgenden Aufräumen, dann fällt auf, dass die Epiloge zu viel Zeit und zu viel Raum einnehmen. Etwas melancholisch bis kitschig verabschiedet sich Gordon Ferris von seiner lieb gewordenen Figur und schenkt ihr das Happyend, das sich im ersten Buch schon abgezeichnet hat.

„Gallowglas” ist Bezeichnung der alten Söldner, die gegen die Wikinger kämpfen musste, vielleicht nicht einmal der falsche Titel dieses Buches, denn Brodie bringt sich als Söldner für kleines Geld in Schwierigkeiten. Wie schon angedeutet ist der grundlegende Plot solide geplant und der Autor versucht, möglichst viele falsche Spuren zu legen. Es gibt aber ein grundsätzliches Problem nicht nur mit dem vorliegenden Band, sondern dem zusammen mit „Bitterglas“ schwächsten Buch der Serie. Wie schon angedeutet sind die Hinweise auf das sich spürbar, aber schwerfällig vom Zweiten Weltkrieg erholende Glasgow  nicht so stark vertreten wie in der ersten dunklen, nihilistischen und vor allem angesichts der Atmosphäre eindrucksvollen  Brodie- Geschichte oder die dunklen langen Schatten der Nazivergangenheit und die immer wieder aufkommende Furcht vor den überlegenden Schergen aus dem dritten Band „Pilgrimsoul“. Während „The Hanging Shed“ einen rückblickend eher profanen, aber zynischen Kriminalfall vor dieser erdrückenden Stimmung und vor allem den ausgezehrten und gezeichneten Gewinnern – aber in ihren Herzen Verlierern – des Zweiten Weltkriegs präsentierte, zeichnet „Bitter Water“ ein vernichtendes Bild der amerikanischen Opportunitätspolitik, welche die nützlichsten Nazi unabhängig von ihrer Vergangenheit nach Amerika schleuste. In „Gallowglas“ sind wie angedeutet diese Ansätze auch vorhanden, Gordon Ferris kann sie aber nicht in die Handlung nachhaltig einbauen und hätte selbst bei einem klassisch klischeehaften Sujet wie Bankbetrug und Urkundenfälschung vielleicht Abzweiglinien der amerikanischen Geldströme etablieren können, um die Andeutungen mit Leben zu erfüllen.

So liegt ein unterhaltsamer abschließender Kriminalfall einer exotischen Detektivromanserie vor, die nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen, dem Milieu auf den Mund gezeichneten Nebenfiguren und der solide durchgeplanten, aber erratisch eingesetzten Atmosphäre dem Leser eher im Gedächtnis bleibt als bei der Analyse des eher durchschnittlichen und teilweise lange im Voraus bis auf den Epilog erkennbaren Kriminalfalls.

 

 

 

 

 

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 597 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 384 Seiten
  • Verlag: Corvus (3. April 2014)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Englisch
  • ASIN: B00HXZF6M2
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