Red Skin 1 - Welcome to America

Red Skin 1, Welcome to America, Rezension
Xavier Dirson & Terry Dodson

Agenten sind wieder in. Nicht nur im Kino wie das unterschätzte „U.N.C.L.E.“ Remake bewiesen hat, sondern auch als Comics. Die von Xavier Dorison und Terry Dodson entwickelte Comicserie „Red Skin“ um die russische Speznas Agentin kurz vor Ende des Kalten Krieges in den USA wirkt wie zeichnerisch eine Mischung aus „Danger Girls“ und der amerikanischen Fernsehserie „The American“. Dabei legen Autor und Zeichner trotz der Agentenpersiflage sehr viel Wert auf die Zwischentöne und spielen mit den Klischees von den bösen Kapitalisten und den guten Amerikanern.

Es ist interessant, wie unterschiedlich sich die beiden Länder USA und Sowjetunion gesellschaftlich entwickeln. In den USA hat die Flower Power Generation der sechziger Jahre und die sexuelle Revolution der siebziger Jahre tiefe Spuren in einem plötzlich wieder puritanischer werdenden Amerika des Jahre 1977 hinterlassen. Es ist der Hinweis auf einen anlaufenden unbedeutenden Science Fiction Film namens „STAR WARS“, der das Jahr so gut eingrenzen lässt. Was heute vielleicht ein Schmunzeln hinterlässt, ist im Sommer 1977 die Erwartungshaltung an den Streifen gewesen, der mittels Handpropaganda während einiger Science Fiction Cons der Öffentlichkeit schmackhaft gemacht worden ist. Die Pornoindustrie blüht, wie der ironische Auftakt zeigt. Während die Sitten verfallen und die Moral geschwächt wird, bildet sich um den brutalen Massenmörder Zimmermann eine Gruppe von erzkonservativen Kräften heraus, die mit dem unbekannten Täter als Vorbild die amerikanische Gesellschaft reinigen und den Kommunismus wieder als Feindbild Nummer eins etablieren wollen. Diese auch zur Wahl antretende Bewegung könnte die Abrüstungsverhandlungen mit den USA erschweren. In der Sowjetunion ist neben dem aktiven Tauschhandel zumindest eine deutliche Lockerung der Sitten zu erkennen. So lebt die zu einer Superheldin ohne Superkräfte ausgebildete sehr attraktive Vera Jelnikoff in einer freien Dreierbeziehung. Ihre Mitbewohner lassen es während ihrer Abwesenheit ordentlich krachen und der Wodka fließt in Strömen. Auch Vera ist kein Unschuldslamm, wie der Fluggast auf dem Nachbarsitz positiv erfahren wird. Ihre Vorgesetzten schicken sie in die USA, um dem amerikanischen cineastischen Vorbild entsprechend als Superfrau und Superheldin nicht nur den Zimmermann zu stellen und die erzkonservative Bewegung bloß zu stellen, sondern den guten Willen des Kommunismus pragmatisch erotisch zu verdeutlich.   

Erry Dodson hat beginnend mit dem Cover sichtlich Spaß, junge Frauen in attraktiven Posen darzustellen. Beginnend mit der Pornodarstellerin während der Premiere ihres neusten Streifens bis natürlich zu Red Skin in einem zu engen extra für sie gefertigten Kostüm wimmelt es von sexuellen auch aktiven Frauen. Dabei bemüht sich der Zeichner, sie weniger als klassische Sexobjekte – das klingt wie Ironie, soll aber nicht so klingen – darzustellen, sondern als modern denkende Frauen, die sich nicht nur ihrer sexuellen Anziehungskraft bewusst sind, sondern diese als Mittel zum Zweck einsetzen. Auch Vera gehört in diese Gruppe. In Russland soll sie möglichst nicht mit den einfachen Soldaten an der Akademie sprechen, sie hat sie aber auf ihrer persönlichen Seite. Über ihren Hintergrund gibt es vielleicht nicht viele Informationen, aber sie ist keine überzeugte, aber zumindest eine angepasste Kommunistin, die in erster Linie zu einer Patchup Familie zurückkehren möchte. In den USA fühlt sie sich aufgrund ihrer Fähigkeiten – das Kochen erlernt sie vor dem Fernseher, Motorräder aus Schrott zusammenbauen hat sie aus Moskau mitgebracht – relativ schnell wohl. Sie nutzt die Freundschaft zu einem älteren Pornoregisseur – das deutsche Pendant zum Ekel Alfred -, um sie in die Szene einzuschleichen. Mit der nötigen Selbstironie – keine Schlange im Supermarkt – parodiert Autor Xavier Dorison die kommunistische Planwirtschaft, ohne positiv die amerikanische Überflussgesellschaft zu idealisieren. Es sind die kleinen Zwischentöne, welche allerdings heraustauchen. So ist Red Skin keine klassische Superheldin der alten Tradition, sondern eine durchtrainierte Frau mit einem  gesunden Überlebensinstinkt, die in erster Linie den Schwächeren gegen die puritanische Vereinigung hilft. Dabei setzt sie sich gegen die Anweisungen ihres Kontaktmannes in einigen wichtigen Szenen, der sie als Heldin gegenüber der amerikanischen Öffentlichkeit zu etablieren sucht.

Handlungstechnisch lebt das erste Album vor allem von dem gesellschaftlichen, sich manchmal absichtlich am Rande des Klischees bewegenden politisch progandistischen Konfrontationskurs. Die Sowjetunion wird mit ihren Schwächen – leere Regale, ständige Überwachung und Krieg in Afghanistan – genauso kritisch beschrieben. Absichtlich sind die Bilder hier dunkler, das Klima unwirtlicher, auch wenn ihre Vorgesetzten im ersten Band erstaunlich progressiv und innovativ sind. Mit dem Wechsel in den oberflächlichen Sunshine State und dem entsprechenden Kulturschock hellen sich vor allem in den ersten stimmungsvollen Zeichnungen die Hintergründe deutlich auf. Angeblich aus Dakota kommend kann sich die Superagentin nicht an die Fülle in den Supermärkten gewöhnen; glaubt nicht, das Fernseher auch in den siebziger Jahren nicht repariert werden und fragt, was die Darsteller/ Darstellerinnen bei einem Pornodreh bezahlen müssen anstatt daran zu glauben, dass man/frau mit ihrem Körper Geld verdienen kann. Dazwischen finden sich eine Reihe von Actionszenen, die den Vigilantencomics nachempfunden worden sind. Der Mob ist gesichtslos und wirkt teilweise zu eindimensional dargestellt. Mit dem Zimmermann als verkleideter brutaler Massenmörder und seiner geistlichen Führerin werden zumindest zwei Figuren dreidimensionaler gestaltet. Die wenn auch arrogante Pornodarstellerin hat ihr Schicksal genauso wenig verdient wie die beiden in wilder Ehe lebenden Lesben am Ende dieser leider sehr offenen endenden Abenteuers. Dazwischen werden einzelne Randgestalten der Gesellschaften wie die Prostituierten in einem Bordell in einer offensichtlich absichtlichen „Spiderman“ Hommage gerettet. Die Haupthandlung kann sich noch nicht abschließend entwickeln, da zwei Flanken – ein Angriff auf Vera Arbeitergeber/ väterlichen Freund sowie die erste Konfrontation zwischen Red Skin und Zimmermann – im „Nichts“ vorläufig enden.    

Trotz der teilweise dunklen Handlung sind es die ironischen, liebevollen Details, welche „Red Skin“ zu einer positiven Erfahrung machen. Wie die „Danger Girls“ wird der zugrundeliegende Plot stringent und ernsthaft mit einigen brutalen Exkursen erzählt. Der Leser zweifelt an keiner Stelle, das der psychotische Zimmermann wirklich gefährlich ist, aber die nicht nur durch ihre körperliche Agilität, sondern ihren wachen Geist – dabei reicht die Mischung von einer bemühten Hausfrau bis zur mechanischen Allzweckwaffe -  auf die USA unvorbereitete, aber lernwillige Vera ihn besiegen und die Kapitalisten reformieren wird. Das spielt sich aber eher im Hintergrund ab. Es sind die vielen kleinen Anspielungen, die wie eingangs erwähnt durch die Umkehrung vieler Vorzeichen und Klischees dieses Comics zu einem nicht nur visuellen Lesevergnügen machen. Das so eine perfekte Hommage und gleichzeitig auch Parodie auf die amerikanischen Superhelden nicht von den großen amerikanischen Häusern kommt und deswegen auch zeichnerisch das größere Albumformat in jeglicher Hinsicht ausfüllt, ist das I- Tüpfelchen auf eine Superheldin, die Hammer und Sichel aus unzerstörbaren Materialien nicht nur als politisch korrekt, sondern vor allem als cool ansieht.

    

AutorXavier Dorison
ZeichnerTerry Dodson
EinbandHardcover, Überlänge
Seiten64
Band1 von X
VerlagSplitter
ISBN978-3-95839-206-9
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