Rettungskreuzer Ikarus 62 "Janus"

Rettungskreuzer Ikarus 62, Titelbild, Sylke Brandt,
Sylke Brandt

Nicht auf einem Planeten, sondern wie der Gott auf einer „doppelköpfigen“ Raumstation spielt der Abschlussband von Sylke Brandts „Rettungskreuzer Ikarus“ Trilogie. Diese Urlaubsstation in den Tiefen des Alls besteht quasi aus einer familienfreundlichen Zone sowie im unteren Teil der Station aus den dunklen Abgründen, in denen alles erlaubt und jede Verantwortung der Stationsleitung mittels umfangreicher Klauseln ausgeschlossen ist. Dieser exotische Schauplatz ist zumindest interessant beschrieben, auch wenn die Autorin vor allem im Zusammenspiel der einzelnen Kräfte hinsichtlich der verschiedenen Bombendrohungen, der möglichen Auslieferungsgesuche des von mehr als einer Seite gesuchten Wagners und schließlich dem aggressiv agierenden Echsenvolk der Panapek nicht das ganze Potential ausschöpft. Der Leser vermisst vielleicht mehr durchaus kontraproduktiv agierende Nebenfiguren, die es den beiden Frauen im Mittelpunkt des Geschehens schwerer gemacht hätten. Auch die Informationen über diese seltsame Welt erscheinen ein wenig rudimentär und hätten durchaus dreidimensionaler extrapoliert werden können.

Der Abschluss der Trilogie ist zusätzlich ein wenig zu offnen. Die Söldnerin der schwarzen Flamme möchte nach den ersten beiden Teilmissionen auf „Thaki Thai“ und „Onelope“ jetzt endlich ihren inzwischen personalisierten Widersacher Wagner entweder ausschalten oder zumindest in Gefahr bringen. Dazu greift die schwarze Flamme auf Julika Chen zurück, eine durchaus verschrobene, ein wenig affektierte Angestellte, die Wagner als indirekte Vertrauensperson mittels fingierter Informationen aus dem Versteck locken soll. Der Weg dahin ist wie es sich für einen „Buddy“ Roman gehört mit einigen Missverständnissen gepflastert, zu denen nicht nur eine Anspielung auf „Spiderman“ und eine seiner geschätzten Verhörmethoden gehört, sondern eine pragmatische Vorgehensweise der Söldnerin, die Kollateralschäden einkalkuliert hat. Das Ende erinnert an die „Bombenleger“ Streifen der siebziger Jahre, in denen ein furchtloser Freiwilliger sich gegen die Bombe/ die Bomben stellt, um das Leben möglichst vieler unschuldiger nicht zu evakuierender Menschen/ Fremden zu retten. Sylke Brandt erzeugt ohne Frage in diesen Abschnitten ausreichend Spannung, zumal mit der Söldnerin der schwarzen Flamme Skyta eine Figur im Mittelpunkt der ganzen Trilogie steht, die durchaus geopfert werden könnte. Enttäuschend ist, dass nach einer Reihe von Herausforderungen der Plot zu sehr zerflattert und zumindest einige Parteien mit leeren Händen dastehen. Auch die abschließende Bedrohung durch die Panapeker wird zu schnell und zu wenig herausfordernd gelöst, so dass kritisch gesprochen, sich viel um im Grunde nichts bewegt hat. Es ist nicht das erste Mal im Laufe der „Rettungskreuzer Ikarus“ Serie, dass derartige Pyrrhussiege zu verbuchen sind. Nur hätte man sich einen runderen Abschluss gewünscht.

Zu den Stärken dieser drei Roman gehört die Zeichnung der weiblichen Charaktere. Allen voran natürlich die Söldnerin Skyta, die anfänglich als zu demütigende Assistentin sich im Schatten der arroganten und in sich selbst verliebten Julika Chen bewegen muss, bevor sie den Spieß umdreht. Ohne in die Details zu gehen bleibt Skyta ein faszinierender Charakter, der mehr und mehr über ihre Söldnerrolle und das Eingehen von nicht immer kalkulierbaren Risiken hinauswächst und so etwas wie Empathie für ihre Umgebung empfindet. Im Gegenzug wird die von einer Sekunde zur anderen in das Undercoverleben geworfene Julika Chen „menschlicher“ und damit auch zugänglicher. Natürlich wird sie immer wieder von der potentiellen Rücksichtslosigkeit ihrer Verbündeten überrascht, die um Ziele zu erreichen, auch über ihre Leiche gegangen wären. Die Dialoge sind spritzig und wirken lebendig. Manchmal fehlt ihnen auch nicht ein Schuss Doppeldeutigkeit, wobei sie weniger konstruiert erscheinen als in manchem Dirk van den Boom Roman. Bei den Actionszenen verteilt die Autorin das Gewicht auf zwei weibliche Schultern, so dass Julika Chen aus ihrer anfänglich rein passiven Rolle mehr und mehr hinaus in den Mittelpunkt des Geschehens katapultiert wird, während Skyta insbesondere im interessanten, den Hintergrund der Janus Station beleuchtenden Mittelteil dieses Romans sich positiv zurückzieht und nicht zu sehr den Plot dominiert. Natürlich muss sie am Ende zumindest die Situation retten, aber wenn sie von einem weiteren Plan spricht, der irgendwo im Hintergrund geköchelt hat, hofft der Leser auf ihre freien Interpretationsmöglichkeiten und einen nicht zuletzt auch für diese seltsame Station positiven Abschluss der Auseinandersetzung um den an mehreren Fronten populären und gerne Heim geholten Wagner. Der Schurke hat vielleicht rückblickend in der ganzen Trilogie zu wenige Auftritte und eine Konfrontation dem klischeehaften Muster der „James Bond“ Filme zwischen Antiheldin und überdimensionierten Verbrecher folgend hätte vor allem dem Spannungsbogen gut getan, aber so bleibt er eine stetige Nadel im Heuhaufen.

Zusammengefasst haben die drei Romane Sylke Brandts durch das Aufbrechen zu stereotyper Handlungsmuster in Form aus der Vergangenheit schwellender intergalaktischer Bedrohungen und vor allem die Konzentration auf eine bisher eher als Nebenfigur zu betrachtende Skyta sehr gut unterhalten. Es sind ohne Frage nicht alles neue Ideen, welche die Autorin aufgegriffen und in ihren drei Romanen verwandt hat. Aber selbst wenn die Vorlagen/ Inspirationen zu erkennen sind, hat sie aus den bekannten Versatzstücken nicht zuletzt dank der drei sehr unterschiedlichen, aber dreidimensionalen Hintergründe eine unterhaltsame Trilogie erschaffen, die zu den besten Minizyklen innerhalb der inzwischen langen Geschichte des „Rettungskreuzer Ikarus“ gezählt werden kann.

Atlantis- Verlag

Titelbild: Lothar Bauer
Paperback, ca. 100 Seiten, ISBN 978-3-86502-305-7