Janet Leigh

Michelangelo Capua

Aus heutiger Sicht ist Janet Leigh in erster Linie für ihre Ehe mit dem Sexsymbol Tony Curtis und ihren fünfzehn Minuten langen Auftritt als Marion Crane in Alfred Hitchcocks "Psycho" im Gedächtnis geblieben. Michelangelo Capua zeigt in seiner bei McFarland erschienenen Biographie, die insbesondere hinsichtlich der Jugendjahre sich eng, wahrscheinlich zu eng an Janet Leighs eigene 1985 veröffentlichte Autobiographie klammert, nachdrücklich, das dieses Bild relativiert werden muss. Schon vor ihrer Ehe zum aufstrebenden Tony Curtis war Janet Leigh als "Cinderella" Wunder der größere Star der fairerweise zweiten Reihe insbesondere des MGM Studios. Und "Psycho" stellte in erster Linie einen bemerkenswerten Auftritt da, weil Alfred Hitchcock ein bekanntes und markantes Gesicht brauchte, um Hollywoods ungeschriebene Gesetze, dass keine "positiven" Protagonisten frühzeitig ums Leben kommen, auf den Kopf zu stellen und deswegen "Psycho" zu einem so eindrucksvollen Seherlebnis zu machen.

 

Capua selbst muss in seinem Vorwort zugeben, dass Janet Leigh als Schauspielerin ohne Frage faszinierend und wunderhübsch ist. Als Mensch ist sie kein Material für eine Biographie, geschweige denn eine Autobiographie. Im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen - wie ihr berühmter Mann Tony Curtis aus einfachen Verhältnissen kommend - war sie sich des falschen Glamours wie der Verantwortung Hollywoods gegenüber ihrem/ seinem Publikum immer bewusst. Durch ihr Leben ziehen sich keine großen Skandale und wenn es negative Hinweise – Tony Curtis beschuldigt sie, regelmäßig zu trinken – gibt, dann relativiert der Autor sie oder kanzelt sie mit einer nicht weiter extrapolierten Nebenbemerkung ab. Es ist selten, dass eine Biographie das Objekt der Obsession derartig positiv von ihrer Jugend an portraitiert und wichtige Fragen – dreimal verheiratet bis zu ihrem 21. Lebensjahr – fast romantisch verklärend anspricht. Tiefe darf der Leser hinsichtlich ihres Privatlebens nicht erwarten. Daher ist die Biographie eher eine Einführung in ihr Leben, die von ihrer Autobiographie und Tony Curtis eher subjektiven und anscheinend absichtlich unvollständigen Büchern umfassender begleitet werden muss.

Janet Leigh war zumindest Michaelangelo Capua folgend immer lernwillig und zurückhaltend. Im vorliegenden Buch finden sich selbst über die Dreharbeiten, die allgemein als schwierig eingestuft werden, nur wenige kritische und dann meistens auch selbstkritische Anmerkungen. Dadurch erscheint Capuas Buch teilweise auch wenig farblos. An anderen Stellen – ihr Vater hatte später finanzielle Probleme und als ihm Tony Curtis nicht von Janet Leighs Geld leihen wollte, hat er Selbstmord verübt – hätte ohne nach Skandalen zu suchen eine nachhaltigere und kritischere Extrapolation von selbst angesprochenen Themen Janet Leigh als Mensch dreidimensionaler und zugänglicher erscheinen lassen.

 

Über Janet Leighs Jugend in einer Familie während der Depression erfährt der Leser im Grunde nur positives. Ein Einzelkind, auf Händen getragen immer am Rande zum übertriebenen Verwöhnen. Begabt, talentiert und früh an Jungs interessiert. Behütet von den Eltern, bei denen der Vater später ein gehöriges Interesse hat, die stetig wachsenden finanziellen Möglichkeiten der Tochter zumindest im Hintergrund zu überwachen und diese Flanke potentiellen Schwiegersöhnen nicht zu öffnen. Durch einen Zufall, für den es drei nur leicht unterschiedliche Varianten gibt, öffnet sich für Janet Leigh das Tour nach Hollywood. Eine Schauspielerin Norma Shearer sieht ihr Foto im Hotel von Janet Leighs Verwandten und reicht es an ihr Studio bzw. deren Agentur weiter. Zufällig sucht das Studio für die opulente Verfilmung „The Romance of Rosy Ridge“ – 1947 – ein junges unverbrauchtes und unschuldig wirkendes Gesicht, das gegenüber einem der damals populärsten und heute fast vergessenen Stars Van Johnson spielen soll. Der Auftakt von Janet Leighs Karriere, die anschließend in einer Reihe von sehr unterschiedlichen, aber in erster Linie leichten Filmen zum Star aufgebaut wird. Während das fast bedrohliche Interesse Howard Hughes an ihr und sein Versuch, sie als Star in zumindest zwei RKO Produktionen sowohl beruflich als auch später privat einzunehmen, mehrfach ausführlich betont wird, erscheinen die Anmerkungen über ihr Privatleben eher vorsichtig ambivalent. Ihre erste Ehe mit einem Hobbymusiker, der in Hollywood gescheitert ist, wird geschieden. Janet Leigh übernimmt dessen Schulden beim Staat und arbeitet sie die ersten Jahre ihres Sieben- Jahres- Vertrags mit MGM an. Sie hat zwei oder drei kurze Liebesgeschichte mit Männern aus dem Künstlermilieu, ohne das der Biograph Capua ins Detail geht. Alles bleibt klinisch sauber. Es ist wunderschön zu lesen, wie er selbst die offensichtlich anfänglich sehr stark sexuelle Beziehung zu Tony Curtis umschreibt. Bis zum Treffen mit dem späteren Sexsymbol Hollywoods beschreibt Capua Janet Leighs Filme teilweise sehr unkritisch. Wenn es sich um Erfolgsstreifen wie „The Naked Spur“ mit Anthony Mann oder Fred Zinnemanns „Act of Violence“ handelt, werden sowohl Janet Leighs Rolle als auch die Besonderheit der Streifen oder ihrer Regisseure deutlich herausgearbeitet. Wenn Janet Leigh in eher seichten Filmen auftritt und die Klischees Hollywoods – eine attraktive junge Frau, die nach den Beschwernissen des Lebens schließlich in die Arme eines natürlich attraktiven und nicht selten älteren Mannes sinken kann – vertritt, dann bleibt die Kritik auf Fakten beschreibt, die Janet Leigh nicht zu vertreten hat. Der Druck und die Zwangsvorgabe des damaligen Hollywoodsystems wird zu stark relativiert und Janet Leigh weiterhin als Glückskind der damaligen Zeit dargestellt, die ihren Aufstieg ohne Frage auch nicht fassen kann. In einigen Bemerkungen lässt sich auch heute noch die positiv unbekümmerte Naivität ablesen, mit der Janet Leigh die rasante eigene Karriere zusammenzufassen suchte. Der Leser wünscht sich dagegen eine intensivere Auseinandersetzung mit Janet Leighs Rollen und ihrer Darstellung. Im Vergleich zu vielen anderen Star und Sternchen ist sie aber weiterhin lernwillig und akzeptiert selbst als inzwischen mehrere Jahre im Geschäft befindliche Schauspielerin mit Hauptrollen Ratschläge von Kollegen. Auf der anderen Seite verhält sie sich auch bis zu ihrer Ehe mit Tony Curtis, dessen Karriere sie schließlich vor ihre eigenen Erfolge gestellt hat, wie eine typische Vertragsschauspielerin, die jedes Engagement akzeptiert und teilweise drei Produktionen nebeneinander abwickeln muss. Es ist kein Wunder, dass Hollywoodregisseur Fred Zinnemann ihr zu erklären suchte, dass die gegenwärtige Produktion mit Arbeiten vor der Kamera immer die Wichtigste ist, da hier nicht nur die Studiobosse, sondern auch das Publikum ihr ins Gesicht schaut.

 In dem Abschnitt über die Dreharbeiten zu „Scaramouche“ findet sich auch der einzige negative Hinweis auf das Verhalten eines Kollegen. Stewart Granger hat angesichts seiner unterdurchschnittlichen Fechtkünste und der Unfähigkeit, bestimmte Bewegungen fehlerlos auszuführen, beinahe seine am Set arbeitende Frau mit einem geworfenen Degen schwer verletzt. Das ist aber auch alles, was Michaelangelo Capua als Klatsch & Tratsch neben dem Howard Hughes Exkurs anbieten möchte. Und dieser Exkurs ist auch eher die tragisch traurige Geschichte eines „Wunderkindes“, das mit zu viel Geld ausgestattet am Leben gescheitert ist.

Mit Tony Curtis an ihrer Seite beginnt nicht nur karrieretechnisch ein neuer Abschnitt in ihrem Leben. Es ist faszinierend, wie die beiden aus einfachen Verhältnissen stammenden Menschen im Grunde privat ein teilweise anderes Paar sind als es die Öffentlichkeit zu sehen wünscht. Wie schon angedeutet beginnt die uneitle und teilweise selbstkritische Janet Leigh sich für ihre Ehe beruflich zurückzunehmen, während ihre erste Ehe nicht an ihrem Erfolg, sondern an der unrealistischen Selbsteinschätzung ihres zu jungen und unerfahrenen Ehemanns gescheitert ist. Dieser Punkt wird von Michelangelo Capua allerdings zu wenig nachhaltig herausgearbeitet. So erscheint der Autor in diesen wichtigen Phasen von Janet Leighs Leben weniger als Biograph, denn als Faktensammler, was den informativen Gehalt des Buches auf der hintergründigen Ebene teilweise entwertet. Die Fakten werden zu wenig gegenüber gestellt. Tony Curtis ist Geldverschwender und Lebemann, während Janet Leigh sich entweder von ihrer Fehlgeburt erholt oder hart arbeitend um die Kinder kümmert. Jamie Lee Curtis kurzzeitige Abhängig von Drogen, die zeitgleich mit einer intensiveren Kontaktaufnahme zu dem inzwischen von Janet Leigh geschiedenen und viel stärker abhängigen Curtis erfolgt, wird in einem kurzen, abschließend positiven ausgerichteten Absatz erwähnt. Während Leigh auf der einen Seite immer als sparsam und vorsichtig dargestellt wird, konzentriert sich die Beschreibung Tony Curtis auf dessen Casanova Image und seinen verschwenderischen Lebensstil, wobei auf der anderen Seite Janet Leigh schönen Dingen – wie zahlreiche Diebstähle und Einbrüche unterstreichen – auch nicht abgeneigt gewesen ist. Ihr Privatleben gleitet mit einer weiteren Beziehung wieder in ruhigere Bahnen. Capua geht auf ihr Privatleben ein. Die Dominanz ihrer Mutterrolle gegenüber ihrer eigenen Karriere während der Ehe mit Tony Curtis wird nach „Psycho“ relativiert, in dem sie sich um die Kinder kümmerte, mehr Fernsehrollen annahm und schließlich auch versuchte, ihr Leben in der Öffentlichkeit mit dem eher scheuen Privatleben ihres Mannes – ein US Banker – zu koordinieren. Trotzdem agierte sie regelmäßig vor der Kamera, wobei sich wie ein roter Faden durch die Studie zieht, dass sie weniger konsequent und zielgerichtet als aus dem Moment Rollen übernommen hat. Vielleicht hat diese fehlende Konsequenz, diese ambivalente Ausrichtung eine ganz große Karriere verhindert. Zwischen den Zeilen kann man lesen, dass Janet Leigh aber auch hinsichtlich ihrer karikativen Arbeit genauso Erfüllung gefunden hat wie vor der Kamera. Eitelkeit gibt es bei ihr nicht, höchstens kleine Eitelkeiten.

Viele Leser werden enttäuscht sein, dass insbesondere „Psycho“ so oberflächlich abgehandelt wird. Aber Janet Leigh hat neben ihrer Autobiographie und zwei Romanen auch über die Dreharbeiten an diesem Film eine Erinnerung verfasst, auf die Michelangelo Capua nur bedingt zurückgreift. Es findet sich höchstens die Anmerkung, dass sie Richard Franklins gelobten „Psycho II“ ablehnt und das Prequel interessiert angeschaut hat.

Im ausführlichen Anhang werden alle Filme und Fernsehserien aufgelistet, an denen Janet Leigh mitgewirkt hat. Neben den Credits gibt es eine umfassende Inhaltsangabe und verschiedene Kritikerzitate, wobei Michelangelo zwischen der Rezension des ganzen Produkts und speziellen Hinweisen auf Janet Leigh unterscheidet. Es empfiehlt sich, diese kurzen, pointierten und aus verschiedenen Perspektiven geschriebenen Kritiken dem Haupttext gegenüberzustellen, da Capua selbst nicht gelungene Produktionen nicht positiv darstellt. Selbst die Fokussierung seiner Anmerkungen auf Janet Leigh aus seiner Sicht nur selten durchschnittliche Darstellungskunst löst das grundlegende Problem dieser Studie nicht: Capua trennt das Objekt seiner Begierde zu stark von ihren Arbeiten und versucht den Graben zwischen den herausragenden Filmen in sehr unterschiedlichen Genres und den nicht selten vom Studio initiierten Auftragsarbeiten mit einer Reihe von Floskeln zu überdecken. Damit tut er weder Janet Leigh noch sich als Biograph einen Gefallen. Hinzu kommen grobe Fehler. So verwechselt er „Suddenly“, in dem Frank Sinatra einen Auftragskiller spielt, der den amerikanischen Präsidenten ermorden soll, mit „The Manchurian Candidate“, in dem Sinatra das Attentat auf den Präsidenten in letzter Sekunde verhindert. Da nicht endgültig geklärt werden konnte, ob Oswald einen Monat vor seinem Attentat auf Kennedy den Streifen „Suddenley“ gesehen hat oder nicht, kaufte Sinatra ihn und versteckt diesen Film und nicht „The Manchurian Candidate“ in seinem Safe. Als Ganzes wünscht sich der Leser einen deutlich tieferen analysierenden Einblick in Janet Leighs deutlich umfassenderes Werk als man es im Gedächtnis behält. Das Janet Leigh sich zum Beispiel über den Auftrag in „The Fog“ zusammen mit ihrer durch John Carpenters „Halloween“ zu einer „Scream Queen“ gewordenen Tochter gefreut hat, steht in einem deutlich Kontrast zu Anmerkungen über Kelly Curtis, die sich zu einem schwierigen Zusammenleben mit ihrem Vater entschieden hat. Es wird weder die Landis Komödie „Die Glücksritter“ – sie trat mit ihrer Schwester Jamie Lee Curtis auf – noch Horrorfilme wie „The Sect“ erwähnt. Die Tendenz, alles was eher unangenehm und das Image einer Ikone beschädigend sein könnte, abzuwälzen, durchzieht die ansonsten lesenswerte, aber stellenweise oberflächliche Biographie wie ein roter Faden. Entschädigt wird der Leser auf der anderen Seite durch eine Vielzahl von sehr gut wieder gegebenen Bildern – der Anteil der privaten Fotos ist verschwindend gering – sowie ein ausführliches Glossar, das alle relevanten Informationen über ihr Werk zusammenfasst.      

  • Taschenbuch: 250 Seiten
  • Verlag: Mcfarland & Co Inc (15. April 2013)
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-10: 0786470224
  • ISBN-13: 978-0786470228
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