The Magazine of Fantasy and Science Fiction July/ August 2014

C.C. Finlay

In der Ausgabe “July/ August” 2014 übernahm C.C. Finlay erst als Gast die Herausgebe einer Ausgabe dieses seit vielen Jahrzehnten unter der Ägide sehr weniger Verantwortlicher publizierten Magazins. Schon die Anzahl der Geschichten ist für Stammleser überraschend. Aber Finlay geht noch einen Schritt weiter, in dem er Storys mit humanistischen Themen aus unterschiedlichen Subgenres für eine der interessanten Ausgaben der letzten Jahre zusammenstellte.

“Palm Strike´s Last Case” aus der Feder von Charlie Jane Anders ist eine interessante Mischung aus teilweise überdrehter und parodierter Superheldengeschichte und einer Science Fiction Explorerstory. Dabei geht die Autorin ausgesprochen respektvoll vor allem mit ihren Charakteren um. Luc als Superheld hat den Drogenbaron Dark Shard seit Jahren intensiv bekämpft. Müde und ausgelaugt siedelt er sich auf einer der Koloniewelten an, wobei ihn nicht nur die Droge, sondern vor allem ein Attentäter begleitet. Mit den melancholischen Dialogen, dem Blick zurück und der vergeblichen Hoffnung auf einen neuen Start im All überzeugt „Palm Strike´s Last Case“ weit über den geradlinigen Plot hinaus. 

Es ist aber nicht die einzige Geschichte dieser Ausgabe, die Genre beliebig miteinander verbindet. „Subduction“ von Paul M. Berger führt nicht nur Drachen ein, sondern verfügt mit Oliver über einen unsteten Charakter, der aus Kalifornien zu einer kleinen Insel im Nordpazifik reist, auf welcher er nicht nur in einer eher konstruierten Situation die Bäckerin Moira kennen und wahrscheinlich lieben lernt, sondern sich vor den immer stärker werdenden Erdbeben fürchten muss. Da der Protagonist unter Amnesie leidet, wirkt seine Naivität und Hilflosigkeit auch betörend. Die phantastischen Elemente sind gut in der ansonsten realistischen Story platziert worden.  

„Seven Things Cadet Blanchard Learned from the Trade Summit Incident” ist die Debütgeschichte Annalee Flower Hornes. Sie gehört zu den kurzen Anekdoten, die sich in fast jeder der “Magazine of Fantasy & Science Fiction” Ausgaben finden lassen. Es geht um das Blamieren von Vorgesetzten und Diplomaten, um die ungeschriebenen Regeln des Militärs und schließlich eine eher klischeehafte Wendung gegen Ende des kurzweilig zu lesenden Plots, die leider aufgesetzt erscheint. 
Annalee Flower Horne

„The Traveling Salesman Solution“ von David Erik Nelson ist eine interessante Parallelweltgeschichte. Eine der wenigen Storys, die eine bekannte Prämisse in eine eher unbekanntere Richtung ausbaut. Während eines lokalen Marathons sorgt eine Anomalie dafür, dass anscheinend einer der im vorderen Feld platzieren Teilnehmer während des Laufens seines „Schuhe“ wechseln kann. Was anfänglich humorvoll bis bizarr erscheint, wird immer dunkler und bedrohlicher, als die technischen Implikationen ans Licht kommen. Gute Charaktere und eine solide Handlungsführung lassen diese kurze Geschichte aus der Ausgabe herausragen. Sandra McDonald nutzt eine Art Collegehandbuch, um in „End of the World Community College“ verschiedene Weltuntergangsszenarien Revue passieren zu lassen. Wie in der folgenden Anekdote „The Day of the Nuptial Flight“ von Sarina Dorie, die ein wenig an die Ambivalenz von „Picknick at the Hanging Rock“ erinnert, sind die einzelnen Ideen nicht unbedingt bis zur bitteren Neige extrapoliert. Viel mehr fordern sie den Leser heraus, über das Gelesene nachzudenken und selbst Entscheidungen zu treffen. Im Gegensatz zu diesen beiden Anekdoten funktioniert „The Day of the Nuptial Flight“ von Sarina Dorie nicht sonderlich gut. Ihr Ansatz ist ohne Frage ambitioniert. Aus einer fremden Perspektive eine Geschichte zu erzählen. Der Erzähler gehört zu den Insekten und sucht seine Königin. Als diese Suche erfolglos geblieben ist, nähert sich der Erzähler natürlich einem menschlichen Wesen und versucht dessen Aufmerksamkeit zu erregen. Interessant ist, wie die Autorin versucht, die fremde Denkweise des Insekts in einfaches, dem Leser verständliches Englisch zu übertragen, während auf der anderen Seite der Plot zu phantastisch erscheint, um wirklich funktionieren zu können.

„The Aerophone“ von Daniesh Rao bezieht sich auf die Flöten der Mayas und ihre inzwischen fast in Vergessenheit geratenen Zeremonien. Daniesh Rao hätte es geholfen, wenn ein sehr guter Lektor mit ihm am Stil gearbeitet hätte. Wahrscheinlich ist Englisch nicht seine Muttersprache und an einigen wichtigen emotionalen Stellen fehlt ihm das sprachliche Feingefühl, um die notwendige Stimmung zu erzeugen. Hinzu kommt, das sich der Plot ausgesprochen träge entwickelt, so dass wie in „The Day of the Nuptial Flight“ der Leser zu wenig in die Handlung einbezogen wird.   

 Neben einigen Ausflügen in den Bereich der Fantasy finden sich auch dunkle Grusel, um nicht von Horror Texten zu sprechen. So ist „The Girl who go below“ von Cat Hellisen eine wunderbar dunkle, stilistisch überdurchschnittlich geschriebene Reise in eine Dreierbeziehung. Zwischen zwei Schwestern aus Südafrika steht ein geheimnisvoller Mann. Die überraschende und effektiv gesetzte Pointe gleicht den eher ruhigen Aufbau zufrieden stellend aus. Auch „Belly“ von Haddayr Copley- Woods ist eine ungewöhnlich Variante der „Hänsel& Gretel“ Geschichte. Ein junges  Mädchen leidet buchstäblich mit ihrer Schwester im Magen einer Hexe. Es gibt keine weitergehenden Erklärungen, das Szenario entfaltet sich aus dem Nichts heraus und wird immer dunkler, brutaler, bis es wie es sich für Märchen gehört umdreht und aus dem Opfer notwendigerweise auch der Täter wird. Die letzte Gruselgeschichte „A Guide to the Fruits of Hawai í” aus der Feder von Alaya Dawn Johnson ist ebenfalls keine leichter Kost. Vampire leben in einem Konzentrationslager. Natürlich ist diese Prämisse nicht nur schwierig umzusetzen, sie verlangt vor allem auch eine respektvolle Annäherung an das Thema. Ohne in blutigen Exzessen zu verweilen gelingt es, den Plot nicht nur gut darzustellen, sondern Vampire als Teil eines natürlich phantastischen, aber evolutionär in dieser Welt auch notwendigen Teils der Nahrungskette darzustellen und sie sympathischer als die Wächter des Lagers zu beschreiben.

 Mit dem wirklich längsten Titel ausgestattet gehört „Testimony of Samuel Frobisher Regarding...“ aus der Feder von Ian Tregillis zu den Mittlern zwischen den Genres. In einer Parallelwelt spielend handelt es sich um eine der für H.P. Lovecraft so typischen Geschichten, in denen aus den Tiefen in diesem Fall des Meeres im frühen 19. Jahrhundert ein seltsames Wesen geborgen wird. Wie Hodgson erschafft er eine unheimliche Atmosphäre, die vor allem funktioniert, weil er die Grundbegriffe der Seefahrt, deren Herausforderungen und wenig erfüllende Momente intensiv und sehr kompakt in diese kurzweilig zu lesende Geschichte gepackt und dem Leser neben den phantastischen Elementen sehr glaubhaft dargestellt hat.

 Zu den experimentellen Texten gehört „Five Tales of the Aqueduct“ von Spencer Ellsworth. Sehr verspielt, sehr speziell konzentrieren sich diese fünf nicht zusammenhängenden Episoden auf den Handlungsort und weniger auf ausgefeilte Charaktere. In einer Sammlung mit so thematisch verschiedenen, aber vor allem auch stilistisch überdurchschnittlich geschriebenen Geschichten ist es eher eine Geschmackssache, ob man sich emotional mitreißen oder wie in der vorliegenden Story experimentell herausfordern lassen möchte.   

 Im sekundärliterarischen Teil stellen Charles de Lint und Chris Moriarty wieder eine Reihe von Neuerscheinungen vor. Während sich de Lint eher von Stimmungen treiben lässt, geht Moriarty eher kritisch auf die Details ein der abschließenden Rebrik seltene Kuriositäten stellt dieses Mal Paul di Fillipo einen Science Fiction Roman des bekannten Thrillerautoren Ed McBain vor, der eine Wiederentdeckung ohne Frage wert ist. Leider ist das Auffinden dieser seltenen Bücher neben dem monetären Aufwand selbst in Zeiten des Internets nicht einfach. In ihrer Filmkolumne geht   Kathi Maio stellt in ihrer Filmkolumne auf die verschiedenen Filmserien mit jugendlichen Heldinnen ein, von denen sie die „Tribute von Panem“ sehr kritisch auch mit der eher unbekannten japanischen Serie „Battle Royale“ vergleicht.

 Als Gastherausgeber hat C.C. Finlay eine überdurchschnittlich gute und vor allem auch angesichts der vielen Kurzgeschichte thematisch sehr breite Ausgabe zusammengestellt, welche die inzwischen sehr lange Tradition des Magazins – es besteht immerhin 2014 schon 65 Jahre – mit neuen Ideen verbindet.

Paperback, Taschenbuch

256 Seiten