Sherlock Holmes und die Vampire von London

Autor	Sylvain Cordurié Zeichner	Laci Einband	Hardcover Seiten	96 Seiten Überlänge Band	1 von 1 Lieferzeit	3-5 Werktage ISBN	978-3-95839-197-0
Sylvain Corudie & Lacy

In den Originalgeschichten gab es zumindest die tragische Begegnung mit „The Adventure of the Sussex Vampire“ und der kanadische Fernsehfilm „Der Vampir von Whitechapel“ mit Matt Frewer spielte auch mit der Idee, das der berühmteste Detektiv dem markanten Untoten begegnet sein könnte. Es hat selbst eine japanische Manga Zeichentrickserie mit dem Titel „Vampire Holmes“ gegeben, die zumindest teilweise nach dem Schema ablaufen, welche das neue Splitter Double „Sherlock Holmes und die Vampire von London“ ebenfalls präsentiert.  In Frankreich erschienen die beiden Teile von Sylvain Cordurie geschrieben und von Laci gezeichnet schon 2010. Es handelt sich auch nicht um eine deutsche Erstveröffentlichung. Als „Der Ruf des Blutes“ und „Tote und Lebende“ sind die beiden Alben 2011 im „Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag“ erschienen. Inhaltlich spielt dieser Doppelband vor dem schon im letzten Jahr veröffentlichten „Sherlock Holmes & Necronomicon“. Am Ende dieses Abenteuers gibt sich Sherlock Holmes erst auf die Expedition ins Ewige Eis. Da beide Geschichten in den verlorenen Jahren nach dem angeblichen Tod an den Reichenbachfällen spielen, hinterlässt Sherlock Holmes seinem Freund Watson eine entsprechende Zusammenfassung der übernatürlichen Ereignisse.

Sylvain Cordurie geht nicht nur in diesem vorliegenden Doppelband einen eigenartigen Weg. Sherlock Holmes kehrt nach London zurück. In seine Wohnung in der Baker Street kann der Detektiv nicht, weil Moriartys Männer sie überwachen. Mycroft braucht aber als Vertrauer Sherlock Holmes Hilfe.  Interessant – wahrscheinlich eher unbeabsichtigt – bezieht sich der Inhalt auf Bram Stokers Roman „Dracula“, der erst 1897 geschrieben worden ist, während die Handlung in den verlorenen Jahren und expliziert genannt 1891 spielt. Mit ein wenig mehr Geschick hätte der Autor auch Bram Stoker in die Handlung einbauen und das Geschehen als Inspiration nehmen können. So finden sich nur ausreichend Anspielungen, die aber vor allem aufgrund der Zeichnung des Obervampirs ins Leere laufen. Curdurie will keinen weiteren Dracula, keine geschundene Kreatur, sondern etwas Bedrohlicheres und damit auch Brutales/ Böses. Aus der Moderne zurück auf das viktorianische Zeitalter zu schauen, verführt aber auch dazu, den Vampirmythos als Inbegriff der Sexualität auch in die dekadenten Hände eines Anne Rice Romans zu legen.  Der Off Kommentar soll die Sherlock Holmes Fans gnädig stimmen. Er erinnert an die Doktor Watson Geschichten und schafft darüber hinaus eine Intimität zwischen dem in diesen Szenen sogar humorvollen Sherlock Holmes und dem Leser, welche die grundlegende Handlung nicht erreichen kann. Es stellt sich ja von Beginn an nicht die Frage, ob Sherlock Holmes überlebt, sondern wie er seinen Feind besiegen kann.

Und in dieser Hinsicht ist der Comic auch zwiespältig. Da die Arbeiten Sylvain Corduries nicht in der chronologischen Reihenfolge veröffentlicht worden sind, fällt auf dieses Abenteuer rückblickend deutlich mehr auf, dass der Hauptcharakter nur selten wie Sherlock Holmes agiert. Ohne Frage entspricht seine finale Waffe nicht nur seiner Deduktionsgabe, sondern seiner wissenschaftlichen Genauigkeit, mit welcher der die Schwächen seines Gegners in diesem Fall sogar aus einer reinen Position der Abhängigkeit heraus analysiert. Interessant ist, dass im Gegensatz zu deutlich Action orientierteren späteren Sherlock Holmes der Autor seine Figur unabhängig von Lacis ausdrucksstarken, aber auch starren Gesichtszeichnungen „schwächer“ erscheinen lässt. Obwohl er von Mycroft gebeten wird, die Vampirplage zu beenden, begibt sich der Detektiv aus Angst um Doktor Watsons Familie in eine fast pathetisch erscheinende Abhängigkeit der Obervampirs, der wiederum einen Feind ehemals in den eigenen Reihen ausschalten möchte. Dazu muss der Graf Selymes seine Macht demonstrieren, wobei der Leser nicht gänzlich nachvollziehen kann, ob es sich um ein reales Geschehen – Watson spielt nicht mit – handelt oder eine zynische Suggestion des Möglichen.  Auch wenn Sherlock Holmes „Doppelagententätigkeit“ sich eher aus Notwendigkeiten denn planerischer Sicherheit heraus entwickelt, ist es interessant, wie passiv vor allem auch in Begleitung einer an Irene Adler erinnernden Vampirfrau ausschließlich reagiert, bevor er während des finalen feurigen Showdowns – Feuer ist ein Thema, dass Sylvain Cordurie immer wieder gerne aufgreift – fast aus dem Nichts heraus die Initiative ergreift.   Streng logisch und hinsichtlich der Situation emotionslos vorgehend ist dieser Sherlock Holmes auch im Stande, einen Verrat natürlich nicht an einem Menschen, sondern nur einem anderen Untoten zu begehen.

Sein Hauptgegenspieler ist wie erwähnt der Graf von Selymes, der auf der anderen Kanalseite in einem herrschaftlichen Haus wahre Orgien feiert und sich vor allem vom Blut von Frauen ernährt, wobei Jungfrauen dabei nicht zwingend notwendig sind. Auch wenn er in seiner überheblichen und grausamen Art übermenschlich und damit wie mehrfach bewiesen auch unbesiegbar erscheint, verzichtet der Autor darauf, ihm faszinierende unsterbliche Züge zu geben.  Selymes zwingt Sherlock Holmes, den Abtrünnigen Vampir Simon Chanes finden, der in einer der sadistischen Szenen zu Beginn des Plots ein sadomasochistisches Spiel unterbricht und Täter wie Opfer tötet. Sylvain Courdie gibt sich aber sehr viel Mühe, nicht nur die in der Gegenwart ein wenig konstruiert erscheinende Verbindung zwischen Sherlock Holmes und Graf von Selymes zu etablieren, sondern die zwei Vampire sowie den einen Detektiv mit einem von ihm gelösten, allerdings in Hinblick auf den Urkanon auch fiktiven Fall in Verbindung zu bringen. Dazu kommt, dass die Motive der beiden Vampire – Herrschsucht und reiner Überlebenstrieb – plötzlich nachvollziehbarer erscheinen. Simon Chanes ist dabei der mehr dreidimensionale, deutlich motivtechnisch besser herausgearbeitete Verbündete wider Willen.    

Diese Beziehungen, diese Vertiefung des Plots erfolgen ausschließlich im zweiten Band dieser abgeschlossenen Miniserie, während die erste Ausgabe den Hintergrund und das Ausgangsszenario trotz der zahllosen Actionszenen etwas zu schwerfällig, zu wenig fließend und viel zu umständlich konstruiert erscheinen lässt.  

Die willige Vampirhelferin wirkt wie eine Kopie von Irene Adler, deren Auftritt aus einer Traumsequenz besteht, die Sherlock Holmes suggerieren soll, das die große Liebe seines Lebens immer noch lebt. Nicht nur einmal spielt der Autor im Verlaufe der Handlung mit der Idee, dass eines der übernatürlichen Wesen plötzlich ums Leben kommt, bevor es auf der nächsten Seite wieder in die Handlung eingreift. Das sich zu stark wiederholende Element wird in wichtigen Szenen dann leider auch nicht effektiv genug eingesetzt.  Zusammengefasst wirkt die Handlung immer noch nicht wie in einer klassischen Sherlock Holmes Geschichte stringent oder deduzierend nachvollziehbar, aber nach dem zu statischen Auftakt wird der Leser wie eingangs erwähnt mit einem die Initiative intelligent an sich reißenden, verschlagenen Sherlock Holmes versöhnt.  Der Zeichner Illustrator Vladimir Krstic Laci unterstreicht, dass er ein guter Zeichner, vielleicht sogar ein sehr guter Illustrator ist, der sich im Laufe der Serie – die nächsten beiden Alben hat er ebenfalls gezeichnet – deutlich steigert. Während die viktorianischen Hintergründe nicht nur gut recherchiert, sondern auch entsprechend dreidimensional abgebildet worden sind, wirkt ein Raddampfer auf dem Weg nach Calais als letzter Hinweis auf Anne Rice schwülstige Vampirgeschichten, während die Gesichter nicht einheitlich genug sind. Die Figuren sind immer in Bewegung, aber an einigen Stellen wirken ihre Gesichtszüge nicht einheitlich genug. Auch Sherlock Holmes wirkt ein wenig zu steif, zu wenig englisch, sondern erinnert mehr an die Pulphelden amerikanischer Serien.

Zusammenfassend bemüht sich Sylvain Cordurie eine kurzweilig zu lesende Geschichte voller Anspielungen zu erzählen, welche die Vampire als rasende, aber intelligente Bestien zeigt, während der Autor mit diesem Sherlock Holmes noch einige Probleme hat. Auf der anderen Seite operiert das Königreich mit einer Art Spezialtruppe auch sehr rücksichtslos und ist bereit, nach dem Abschlagen des Kopfes der Vampirorganisation das Böse an den Wurzeln herauszureißen. Der Splitter Verlag hat die beiden vor fünf Jahren in Deutschland veröffentlichten Alben zu einem wieder optisch ansprechenden Hardcoveralbum zusammengefasst.  

 

AutorSylvain Cordurié
ZeichnerLaci
EinbandHardcover
Seiten96 Seiten Überlänge
Band1 von 1
VerlagSplitter
ISBN978-3-95839-197-0
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