Drake

H.D.Klein

H.D. Kleins vierter Science Fiction Roman „Drake“ erscheint erstmals nicht im Heyne Verlag, der 2011 nach der Fertigstellung mit dem Manuskript in seinem Programm nichts anfangen konnte, sondern im ambitionierten Atlantis- Verlag. In Bezug auf Kleins Werk schließt sich fast ein Kreis. In seinem Debütwerk „Googol“ drang eine gigantische Pyramide in das Sonnensystem ein. In „Drake“  suchen die Menschen angeführt von dem superreichen Geschwisterpaar Sternberg vordergründig nach einer zweiten Erde und hintergründig in der zweiten Hälfte des stringenten, aber teilweise auch sehr distanziert und schwerfällig mit einem zu gleichen Erzähltempo niedergeschriebenen Roman die Untersuchung einer Zeitanomalie.

Der Auftakt des Buches ist überzeugend. Bodenständige sorgfältige extrapolierte Technik mit einer Reihe von provokanten naturwissenschaftlichen Thesen, denen im Verlauf der Expedition dem die zweite Hälfte dominierenden Plot geschuldet widersprochen werden muss. Die „Unit Eleven“ ist ein gigantisches Raumschiff, das mit dreitausend spezialisierten Männern und Frauen, sowie den überreichen wie dekadenten Sternbergs in die Tiefen des Alls an einer vor berechneten Schleife eine Auswahl von Sonnensystem besucht, bei denen man Planeten mit bewohnbaren Sphären vermutet. Obwohl der ebenfalls an Bord befindliche Wissenschaftler mehrmals sich deutlich positioniert hat, das die Wahrscheinlichkeit, im Umkreis der Erde einen zweiten entsprechenden Planeten zu finden sehr gering ist. Als Gegenleistung für die berechnete Route haben die Sternbergs ein zweites Raumschiff ausgerüstet, das mit weniger Besatzung eine Zeitanomalie untersuchen soll. Diese zweite Handlungsebene beinhaltet den Schlüssel zur leider etwas zu sehr nach „Deus Ex Machina“ Methode riechenden Auflösung des Bandes und wirkt angesichts des sich langsam steigernden Plottempos zu abrupt.

Nach den ersten Enttäuschungen mit noch sich entwickelnden Planeten stoßen sie auf eine Welt, welche verblüffend erdähnliche Bedingungen bietet. Die ersten Expeditionen werden ausgeschickt, bis ein Phänomen hinsichtlich der Trabantenumlaufbahnen die Expedition vor schwere Entscheidungen stellt. Die erste Erforschung dieser Welt beschreibt Klein im Detail. Auf der anderen Seite spürt der Leser die Unruhe der im Hintergrund agierenden Sternbergs, deren Ziel mehr das Auffinden einer zweiten Erde zu sein scheint. Nach einem durchaus interessanten und mittels verschiedener Exkursionen auch wenig belehrenden Auftakt gewinnt „Drake“ an Tempo nach der Landung auf der idyllischen Welt. Da man von Bord des Schiffes nicht alle am Boden befindlichen Forscher rechtzeitig evakuieren kann, wird eine spektakuläre – sie werden in einen nahen Orbit transportiert und sollen dort in ihren Raumanzügen die Katastrophe autark überstehen – und eine leider wenig originelle Lösung gefunden. Man entdeckt eine uralte Anlage, die anscheinend schon mehrere dieser wiederkehrenden Naturkatastrophen überstanden hat und offensichtlicher außerirdischer Bauart ist. Als dass auch noch das zweite Raumschiff auf dem Weg zur Zeitanomalie in Nöte gerät, integriert H.D. Klein zwei außerirdische, aber zumindest oberflächlich auch teilweise menschenähnliche Völker, die sich sei Millionen von Jahren gegenseitig bekriegen. Und in diesen Konflikt geraten die Menschen wider Willen.

Ab diesem Augenblick beginnt „Drake“ auseinanderzufallen. H.D. Klein bemüht sich zwar, originelle Aspekte in dieses zu bekannte Szenario zu integrieren, der Funke will nicht gänzlich überspringen. Die Entdeckung der fremden Kultur erfolgt anfänglich in kleinen Schritten, die wie ein Puzzle gut zusammenpassen. In der fremden Anlage wird genauso wie im Rücken des einzigen an Bord des zweiten Raumschiffs gefundenen Menschen ein offensichtliches Artefakt der Fremden gefunden. Der Brückenschlag ist hergestellt. Das Artefakt ist aber mehr als eine Waffe. Es ist eine Art komplexes Überwachungs-, Aufzeichnungs- und schließlich auch Sendegerät.

Die Menschen begegnen den beiden fremden Völkern direkt oder als Erzählung indirekt. Klein macht den Fehler, sein bislang sehr ruhiges Erzähltempo nicht anzuziehen oder zu variieren. Egal welchen Wundern/ Herausforderungen die Menschen in den Tiefen des Alls begegnen, stilistisch bleibt vieles distanziert und unemotional. In dieser Hinsicht wirkt „Drake“ wie ein Rückfall auf das erzähltechnische „Googol“ Niveau, das ohne Frage herausfordernd, aber nicht wirklich inspirierend ist. Hinzu kommt handlungstechnisch, dass der Roman angesichts seiner bisherigen Länge ausgesprochen abrupt und nicht gänzlich zufriedenstellend endet. Immerhin haben die Menschen auf der einen Seite das größte Abenteuer der Geschichte teilweise erfolgreich hinter sich gebracht. Da es sich um eine überwiegend privat finanzierte Expedition handelt, sind manchmal exzentrischen Exklusivitäten verzeihlich. Da Klein für seine Zukunft keinen nachhaltigen politischen Hintergrund entwirft und das Leben an Bord des gigantischen, teilweise bis in Detail beschriebenen, dann wieder nur angedeuteten Raumschiffs sich streng den Geldgebern bis auf eine kleine Meuterei des Kapitäns gegen unmenschliche Befehle unterordnet, wirkt dieser Schmelztiegel unterschiedlicher Interessen wie eine eigene Zeitkapsel, in welche der Leser über die Schultern weniger Identifikationsfiguren einen langen Blick werfen darf. Die Wunder des Alls treten mehr und mehr in den Hintergrund. Es lässt sich lange diskutieren, ob erstens die Begegnung mit den „bekannten“ Fremden und zweitens ein Millionen Jahre alter Konflikt wirklich notwendig sind, um aus „Drake“ einen spannenden Roman zu machen. Alleine die bodenständige Erforschung fremder Welten entlang der Sternberg Linie auch ohne Berücksichtigung der Zeitanomalie, die wie ein Fremdkörper im ganzen Roman erscheint und später wie schon angesprochen eher konstruiert in die Auflösung integriert wird. H.D. Klein agiert und argumentiert hier auch überambitioniert. Dabei hat er in seinen ersten drei Romanen nachhaltig bewiesen, dass er alleine durch das Erkunden fremder Phänomene das Interesse der Leser hochhalten und vor allem Spannung erzeugen kann.    

Seine Vielzahl von Charakteren reicht von bieder bis bizarr. Einführendes Element ist Caitlyn Mulholland, eine sehr attraktive Frau, die zudem auch noch intelligent ist. H.D. Klein personifiziert sie stilistisch eher ambivalent und reduziert sie wieder mit Floskeln wie „ziemlich“. Insbesondere der Auftakt wirkt hinsichtlich der Erzählstruktur uneinheitlich und unsicher. Mulholland ist die rechte Hand des Unternehmensleiters und spielt bei allen wichtigen Entscheidungen/ Begegnungen eine relevante Rolle. Und trotzdem mag der Funke nicht überspringen, da Klein zu viele Klischees bedient. Zumindest räumt er seiner Figur auf der emotionalen Ebene die Möglichkeit der Schwäche ein.

Mit den Sternbergs führt Klein darüber hinaus im Grunde Anachronismen ein. Exzentrisch, reich, eingebildet, arrogant und doch auch mutig, sich eine derartige Mission zu finanzieren lassen. Wie einige andere Figuren hat der Leser das Gefühl, als habe Klein aus der Gegenwart oder einiger Hollywoodklischees Charaktere in eine deutlich fernere Zukunft übertragen, sie aber nicht weiterentwickelt. Da wird heimlich geraucht und die sozialen Kontakte/ Schichten sind dem Leser sehr vertraut. Das ist auf der einen Seite keine Schwäche des Romans, auf der anderen Seite fehlt hier die Phantasie des Autors, eine zukünftige Gesellschaft zumindest latent zu extrapolieren. Wissenschaftler/ Forscher wie Werfel oder Verotroicx leben für ihre Theorien und bringen manchmal einen belehrenden, unterschwellig latent arroganten Ton in Diskussionen, deren Inhalt durch die Begegnungen mit den beiden fremden Rassen und den gigantischen Hinterlassenschaften ad absurdum geführt werden. Andere Nebenfiguren in kleineren Rollen des Dramas sind weicher, dreidimensionaler und deutlich effektiver gezeichnet worden. Zu den Stärken des ganzen Romans gehört ohne Frage, dass sich der Leser angesichts der zahlreichen Ereignisse und Handlungsfiguren trotzdem sehr gut zurechtfinden kann. Klein gibt sich Mühe, eine Reihe von sachlich fundierten Informationen außerhalb der schon angesprochenen, leicht arroganten Dialoge dem Leser zur Verfügung zu stellen. Dabei wirkt der erste Teil mit der fast schon verzweifelten Suche nach einem erdähnlichen Planeten und der Begegnung mit der fast perfekten Welt „Blue Boy“ faszinierender als die folgenden Exkursionen, in denen die vorhersehbare Handlung mit dem unendlichen Konflikt und der Verbindung der beiden Rassen zu wenig originell herausgearbeitet worden ist.

Wem H.D. Kleins bisherige drei Romane gefallen haben, wird positiv die Stärken des Autoren – Extrapolation eines interessanten Szenarios und einer so weit es geht bodenständig realistischen Zukunft mit der Herausforderung des unendlich erscheinenden Weltalls – in „Drake“ alle wiederfinden und gut unterhalten werden. Wer in Kleins Universum trotz der Unabhängigkeit der einzelnen Romane – „Googol“ und „Googolplex“ sind dabei thematisch und hintergrundtechnisch miteinander verbunden – einsteigen möchte, sollte eher mit dem komplexeren, aber auch faszinierender gestalteten „Googol“ anfangen. „Drake“ wirkt in der zweiten Hälfte zu überambitioniert und will auf zu vielen Hochzeiten zu gleich tanzen, ohne sich auf eine Schrittfolge im Vorwege geeinigt zu haben. 

 

 

 

 

  • Broschiert: 517 Seiten
  • Verlag: Atlantis Verlag Guido Latz (Juni 2013)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3864020638
  • ISBN-13: 978-3864020636