Karl May Welten II

Michael Petzel und Jürgen Wehnert

Fast zwei Jahre nach den ersten Karl May Welten veröffentlicht der Bamberg- Radebeuler Verlag einen zweiten Sammelband, wieder zusammengestellt von Michael Petzel und Jürgen Wehnert. Die insgesamt zwölf Beiträge präsentieren in inzwischen gewohnter Bandbreite Themen aus allein Bereichen des Karl May Kosmos. Von dem Nachverfolgen May´scher Reisen über bislang unbekannte Fragmente seines Werkes, einen Blick auf Trittbrettfahrer seines literarischen Schaffens werfend bis zu den Drehorten der populären May Verfilmungen und einem Artikel über den May Streifen „Im Reich des silbernen Löwen“. Das Buch ist wieder mit einer gelungenen Auswahl farbiger und schwarzweißer Motive – vom Aushangfotos bis hinter den Kulissen und den May´schen Postkarten reicht das Spektrum -ansprechend bebildert.

Der Auftakt gehört wieder dem Meister persönlich. Es wird ein Fragment einer bislang unveröffentlichten Humoreske namens „Unter den Eiern“ abgedruckt. Einmal als Reproduktion in Mays einzigartiger verschnörkelter Handschrift und dann in lesbarer Schrift. Dazu kommen Anmerkungen von Dieter Sudhoff, der versucht diesen mit am ältesten Originaltext aus Karl Mays Werk zuzuordnen. Mit Zuordnungen setzen sich auch Wilhelm Vinzenz und der Herausgeber der „Karl May Welten“ Jürgen Wehnert auseinander. Sie widmen sich einem zeitlich falsch eingeordneten Nachdruck von Mays Novelle „Old Firehand“- die später in „Winnetou II“ aufgegangen ist – und argumentieren überzeugend, dass es sich nicht um einen sehr frühen Druck dieser gelungenen Geschichte aus dem Jahr 1875 handelt, sondern viele recherchierbare Fakten dafür sprechen, dass die Novelle deutlich später nachgedruckt worden ist. Neben zwei Abbildungen – einmal eine Textseite und dann zwei gelungene Kohlezeichnungen – überzeugt die sachliche, fundierte Argumentation der Autoren, auch wenn diese spezifischen Einordnungen sich eher an die Karl May Insider als den durchschnittlichen Mayleser richten. Unter „Papageienbilder. Fehsenfelds Karl May Postkarten“ dokumentiert Dieter Sudhoff nicht nur die Kontroverse zwischen May und seinem Herausgeber um die ersten Karl May Postkarten, sondern geht auch auf deren Entstehung ein. Neben einer reichhaltigen Auswahl von schwarzweißen und farbigen Reproduktionen sind es die Zitate aus dem Briefwechsel, welche den Artikel sehr lesenswert machen. Dabei ist es nicht nur Karl Mays Eitelkeit, die für die Missstimmung gesorgt hat. ER bestand darauf, dass die ersten Karten den Autoren in verschiedenen Verkleidungen seiner wichtigsten Protagonisten zeigen. Er verurteilte die ersten ihm nicht genügenden Entwürfe und ließ den weiteren Verkauf verbieten, nachdem er sein volles Honorar im voraus kassiert hat. Auch wenn May insbesondere auf die Integrität seiner Figuren und die Phantasie seiner Leser hinweist, wirken diese Proteste eher oberflächlich und sprechen von einem übersteigerten Ego. Zumindest will er zukünftig auf den – falschen – Doktortitel verzichten, da ihm Titel - !!! – nichts bedeuten. Auch wenn die abgebildeten Motive sicherlich nicht der Qualität ernsthafter Künstler entsprechen, ist Karl Mays Kritik zu hart. Sie zeigt aber auch, dass Karl May ein unzuverlässiger Geschäftspartner sein kann. Thomas Winkler nimmt in seinem reichhaltigen bebilderten Artikel ein anderes Sammlersujet unter die Lupe: „Karl May im Spiel“. ER stellt sehr kurz und übersichtlich Brett-, Würfel und schließlich Kartenspiele mit Motiven aus oder auf seinem Werk basierend vor. Bei einigen der Abbildungen lässt sich nur das Fazit ziehen, wie gut es ist, dass der alte May diese Motive nicht zu seinen Lebzeiten gesehen hat. Die handschriftlichen Kommentare hätten ganze Romane gefüllt.

Mit den Segelschiffen in Karl Mays frühen Arbeiten setzt sich Rudi Schweikert in „Boudeuse trifft Swallow“ sehr kompakt mit interessanten Hintergrundinformationen und historischen Querverweisen auf die Originale auseinander. Der Artikel ist mit einigen Beispielen ansprechend bebildert, die Zitate für Karl May Fans eher konterproduktiv.

Neben Karl Mays umfangreichem Werk stehen auch sein Leben sowie sein Umfeld im Mittelpunkt des Fandoms. Die fünfbändige „Karl May Chronik“, welche fast jeden Tag seines Lebens genauso erfasst, ist eine faszinierende Lektüre, wenn auch sehr speziell auf die Karl May positiv fanatischen Anhänger ausgerichtet. In „Macht aber genau das, was auf Karte No. 16 steht“ untersucht Hartmut Schmidt eine Übernachtung Mai in einem Luxushotel Port Saids, die Karl May in seinen Aufzeichnungen sind näher erläutert. Diese scheint im Zusammenhang mit den beginnenden Hetzjagden auf sein Werk und seine Person in Deutschland zu stehen. Von den Originalansichtskarten ausgehend – einige sind hier abgebildet worden – versucht Schmidt nicht nur den Tag zu rekonstruieren, sondern mittels unterschiedlicher Aussagen in den späteren Prozessen weist er nach, das beide Seiten sich sehr unterschiedlich positioniert haben und aus welchen Perspektiven Motive und Wahrheiten zum eigenen Nutzen verschoben werden. In einem engen thematischen Zusammenhang steht mit Karl Mays letzten literarischen Jahren steht Franz Sättler, ein Anhänger Mays, der sich später vom Orientalisten zum Adonisten inklusiv diverser Mitgliedschaften im Geheimbünden weiterentwickelt hat. Peter Richter geht insbesondere gegen Ende des Artikels – nach Mays Tod – auf Sättlers obskure Leidenschaften und seine Mitgliedschaften in Geheimlogen ein. Zu Beginn zitiert er aus einigen positiven Besprechungen Sättlers über Mays Werke genauso wie aus einem Besuchsbericht in der „Villa Shatterhand“. Der Text wird durch einige wenige Fotos aus Sättlers „Reiseromanen“ in der echten Tradition Mays ergänzt. Hier wäre es schön gewesen, wenn der Autor kritischer auf diese Bücher eingegangen wäre. Es fehlen nicht die Hinweise auf die May´sche Erzählweise, die Sättler übernommen hat. Aber da dieser im Gegensatz zu May zumindest die Sprachen und die Religion des Nahen Ostens studiert hat, wäre es interessant, ob sich die in seinen Rezensionen findenden rassistischen Entgleisungen auch in seinem umfangreichen mehrteiligen Romanwerk wiederholen. So bleibt dem interessierten Fan nur die Möglichkeit, sich die Bücher selbst antiquarisch zu besorgen und ein eigenes Urteil zu fällen. Henning Franke deduziert den Weg von Karl Mays populärem Volksstück „Im Tal des Todes“ zu seinen Wurzeln im Kolportageroman „Deutsche Herzen, deutsche Helden“ zurück. Er zeigt die Veränderung der Charaktere von Mays Supermann Oskar Steinbach zu „Old Shatterhand“ und „Old Firehand“ auf. Er weist auf den Hintergrund hin, dass der Verlag selbst erhebliche Bearbeitungen an Mays Text vorgenommen und eine ungekürzte und damit vergleichbare Ausgabe erst ab 1996 vorliegt. Die verschiedenen Szenarien – vom Bühnenstück bis zu den Kinoverfilmungen – passieren kurz Revue.

Den breitesten Part nehmen die Artikel ein, die Bezüge zu den immer noch sehr populären Kinofilmen darstellen. Das beginnt mit dem Hinweis, dass eine überraschende Dialogpassage aus „Im Reich des silbernen Löwen“ wahrscheinlich auf eine historisch allerdings nicht belegte perfide Belagerungsidee der Mongolen zurückgeht. Diese ist kurz vor der Niederschrift des Drehbuchs in einem populären Abenteuerroman und dessen hoher Auflage quer über Deutschland verbreitet worden und hat sicherlich den Drehbuchautoren zumindest subtil beeinflusst. Die Reise zu den Drehorten in Jugoslawien gehören immer wieder zu den Höhepunkten der Karl May Welten. Während Luky Schrempf sehr persönlicher Bericht in die Kategorie Reisen wie sie so nicht im Fahrplan stehen abgeheftet werden kann, überzeugt Karl Ebners Bericht vor allem durch die vergleichenden Fotos aus den Verfilmungen und dem heutigen Jugoslawien. Es ist erstaunlich, wie sich die Natur nicht um Bürgerkriege und Kleinstaatlerei gekümmert hat und sich immer noch prachtvoll vor dem Auge des Karl May Anhängers präsentiert. Das einige Orte aufgrund der Minengefahr (noch) nicht besucht werden können, lässt allerdings die jüngste Vergangenheit in einem traurigen Licht erscheinen. Es bleibt festzustellen, dass es nicht mehr viele weiße Flecken auf der großen Karte der Karl May Drehorte gibt. Mit „Hier irrte Reinl“ greift Michael Petzel eine Anekdote aus der Zeit vor der Präsentation der ersten Karl May Verfilmung im Spiegel auf. Nicht unbegründet auf das typisch deutsche in den May´schen Stoffen angesprochen, behauptet der Regisseur, außerhalb von Deutschland interessiert sich niemand für den Stoff. Eine verhängnisvolle Äußerung, die in erster Linie das Studio aufgrund des hohen Budgets zusammenzucken und zu einer Gegendarstellung verleiten lässt. Aus dem Briefwechsel geht hervor, wie hart und prägnant die Rechtsabteilung Reinl gezwungen hat, der Interviewerin einen Hörfehler zu unterstellen und den richtigen Text abzudrucken. Wie so oft liegt die Ironie der Geschichte in der Tatsache, dass der „Schatz am Silbersee“ ein durchschlagender Erfolg geworden ist und der Spiegel diese Gegendarstellung nicht abdruckte, bzw. abdrucken musste. Mit einer kurzen Vorstellung der verschiedenen Stuntmen inklusiv des obligatorischen Bildmaterials endet der Ausflug in die wilden sechziger Jahre. Michael Petzel stellt einige der wichtigsten starken Männer vor. Pointiert, prägnant mit der richtigen Mischung aus Informationen und Geschichtchen rundet dieser lesenswerte Artikel die cineastischen Karl May Welten ab. Es folgen noch zwei Rezensionen zu Veröffentlichungen rund um das Thema Karl May – zu einem die Karl May Chronik in fünf Bänden, zum anderen ein Gedichtband mit frühen lyrischen Werken.

Wie der erste Band bietet dieser Almanach sehr viele, sehr gute Informationen über den populären Abenteuerschriftsteller, ohne die siebente oder achte Interpretation seiner eigentlichen Romane anzubieten. Die Mischung aus kritischer Betrachtung, Hinweisen auf das Merchaidising und schließlich der ausführliche Filmpart stimmen und haben sich in den ersten beiden Ausgaben bewehrt. Die Bildauswahl ist reichhaltig, die Wiedergabe der Bilder insbesondere für die älteren Vorlagen exzellent. Eine gelungene Veröffentlichung.

Michael Petzel und Jürgen Wehnert: "Karl May Welten II"
Anthologie, Softcover, 216 Seiten
Karl May Verlag 2007

ISBN 3-7802-3026-7

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