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Dirty Harry (1971), Ein Mann sieht rot (1974) und seine Fortsetzungen sowie John Carpenters Assault – Anschlag bei Nacht (1976) waren die Auseinandersetzung Hollywoods mit der Angst der US-Bürger vor der wachsenden Kriminalität in den amerikanischen Großstädten. Diese Ängste waren nicht gänzlich unbegründet.
Seit den 50er Jahren begann die US-Mittelschicht in die Vorstädte abzuwandern. Die großen Metropolen hatten immer weniger Steuermittel zur Verfügung, um die städtische Infrastruktur zu erhalten. In der Folge verfielen in den 70er und 80er Jahren die U-Bahnen, Polizisten wurden entlassen, der Drogenhandel nahm stark zu und als dessen Folge stieg auch die Mordrate. Dies führte wiederum dazu, dass immer mehr wohlhabende Bürger vor der zunehmenden Kriminalität und Gewalt aus Städten wie New York in die grünen Vororte flohen.
John Carpenter griff diese Entwicklung 1981 erneut auf, verlegt aber das Problem in eine Zukunft, in welcher die Verbrechensrate immer weiter angestiegen ist. In Die Klapperschlange, im Original Escape from New York, hat man deswegen gleich ganz Manhattan in ein Hochsicherheitsgefängnis verwandelt. Dort sind die Insassen sich selbst überlassen.
Die Handlung des Films ist aus Sicht des Jahres 1981 sechzehn Jahre in die Zukunft verlagert. 1997 entführen linke Terroristen die Air Force One. Bevor die Entführer das Flugzeug über Manhattan abstürzen lassen, gelingt es dem US-Präsidenten, mit einer Rettungskapsel unverletzt auf der Gefängnisinsel zu landen. Als die Polizeikräfte mit Hubschraubern in Manhattan landen, finden sie nur noch die leere Rettungskapsel vor. Von dem Staatsoberhaupt und wichtigem Geheimmaterial, welches er bei sich führte, fehlt jede Spur.
"Holen Sie sich einen neuen Präsidenten."
Nun könnte der Sicherheitsapparat der USA dem Rat von Snake Plissken folgen, den Präsidenten abschreiben und Neuwahlen ausrufen. Aber so einfach lässt sich die Sache nicht lösen: Denn der Präsident war auf dem Weg zu Friedensverhandlungen mit China und der Sowjetunion, mit denen sich die USA in dieser fiktiven Realität im Dritten Weltkrieg befinden. Bei sich trug der Präsident eine wichtige Kassette, welche die Welt vor ihrer nuklearen Vernichtung bewahren kann.
Da die Polizei von einem Abgesandten des Duke of New York, dem Herrscher des Gefängnisses, gewarnt wurde, dass jeder Polizeieinsatz in Manhattan zur sofortigen Exekution des Präsidenten führen würde, bleibt dem verzweifelten Gefängnisdirektor Hauk nur ein Weg.
Es trifft sich gut, dass gerade der ehemalige Elitesoldat Snake Plissken nach Manhattan eingeliefert werden soll. Hauk verspricht Plissken nun die Freiheit, wenn dieser nach Manhattan fliegt, den Präsidenten findet und ihn mit samt der wichtigen Audiokassette herausholt. Plissken bleiben für die Mission dafür nur 22 Stunden.
Als zusätzliche Motivation hat Hauk ihn zwei explosive Minibomben in den Hals indiziert, die nach Ablauf der Frist detonieren. Mit einem Segelflugzeug landet Plissken unbemerkt auf dem Dach des World Trade Centers und macht sich auf die Suche. Mithilfe des Taxifahrers Cabbie und Brain, einem ehemaligen Komplizen von Plissken, gelingt es ihm schließlich, den Präsidenten aus den Händen des Dukes zu befreien.
John Carpenter gehört zu den Filmemachern, die bei ihren Projekten nicht nur die Regie übernehmen. Bei Die Klapperschlange schrieb er am Drehbuch mit und komponierte zusammen mit Allan Howarth den Soundtrack. Seine Karriere begann Carpenter 1974 mit dem satirischen Science-Fiction-Film Dark Star. Neben Die Klapperschlange machte er sich vor allen mit Halloween – Nächte des Grauens (1978) und Das Ding aus einer anderen Welt (1982) einen Namen als Science-Fiction- und Horrorregisseur.
In den 80ern folgten dann Big Trouble in Little China, Fürst der Finsternis und Sie leben!. In den 90er Jahren nahm sein Erfolg ein wenig ab, obwohl Carpenter gelungene Filme wie Mächte des Wahnsinns (1994) drehte. Zuletzt inszenierte er den Horrorfilm The Ward (2010). Immer wieder arbeitet Carpenter mit der Produzentin Debra Hill (Halloween, The Fog – Nebel des Grauens, Flucht aus L.A.) zusammen.
Das Actionkino der 80er-Jahre war geprägt von muskulösen Helden wie Arnold Schwarzenegger (Predator), Sylvester Stallone (Rambo), Dolph Lundgren (Masters of the Universe) oder Jean-Claude Van Damme (Bloodsport). Kurt Russel fällt da ein wenig aus der Reihe. Im direkten Vergleich zu den aufgepumpten Actionhelden wirkt der durchaus muskulösen Schauspieler rauer, undurchsichtiger und zwielichtiger. Er wäre eher zwischen Mel Gibson (Mad Max) und Bruce Willis (Stirb langsam) anzusiedeln, mit dem er sich auch den Synchronsprecher Manfred Lehmann teilt.
"Ich dachte du wärst tot."
Für Russel war Die Klapperschlange sein endgültiger Durchbruch als Schauspieler. Er drehte mit Carpenter noch Das Ding aus einer anderen Welt, Big Trouble in Little China und Flucht aus LA. Den Helden verkörperte Russel (Tango und Cash, Stargate) erfolgreich auch unter der Leitung anderer Regisseure. Zuletzt übernahm er sogar mal die Rolle des Schurkens (Death Proof – Todsicher, Guardians of the Galaxy Vol. 2).
John Carpenter greift gerne auf Schauspieler zurück, mit denen er bereits zusammengearbeitet hat. In Die Klapperschlange sind Adrienne Barbeau (The Fog), Donald Pleasence (Halloween, Fürst der Finsternis), Harry Dean Stanton (Christine) und Tom Atkins (The Fog) wieder mit von der Partie.
Außerdem treten Ernest Borgnine (Das dreckige Dutzend, Der Flug des Phoenix, Airwolf) als Taxifahrer Cabbie, Lee Van Cleef (Für ein paar Dollar mehr, Zwei glorreiche Halunken) als Gefängnisdirektor Hauk und Isaac Hayes (Titelsong zu Shaft, Stimme von Chefkochs in South Park) als der Duke in dem Film auf.
Die Science-Fiction-Filme der 80er Jahre haben alles zu bieten: unterhaltsame Space Operas wie Star Wars, kindgerechten Aliens in Steven Spielbergs ET, actionreiche Kämpfe gegen Weltraummonster in Aliens oder düstere Endzeitszenarien in Mad Max. Somit ist Die Klapperschlange weder ein ungewöhnlicher noch ein typischer Genre-Vertreter des Jahrzehnts.
John Carpenter wollte zwei verschiedene Weltentwürfe für seinen Film erzeugen. Einmal die glatte, helle und hoch technisierte Welt der Polizeistation. Dem entgegensetzt steht das Bild des heruntergekommenen, finsteren und halb verfallenen Stadtzentrums. Obwohl der Film in New York spielt, wurden nur die Eröffnungsszene und die Einstellungen mit der Freiheitsstatue im Hintergrund vor Ort gedreht. Alle anderen Szenen drehte man in anderen Städten oder, wie Snakes Flug mit dem Segelflugzeug, mit hilfe eines Modells.
Dieses Model wurde 1982 übermalt und kam bei den Dreharbeiten zu Blade Runner erneut zum Einsatz. John Carpenter hat mit Die Klapperschlange eine Art Anti-Blade-Runner geschaffen. Bei ihm ist alles dreckig, dunkel und kaputt. Es gibt keine Neonlichreklamen und keine fliegenden Autos, sondern nur Graffiti und brennende Autowracks. Die Gefangenen in Manhattan sehen aus, wie ein wilder Mix aus Rockerbande, zerlumpten Piraten und New-Wave-Punks.
"Sie haben jedoch die Wahl sich töten und einäschern zu lassen."
Eine Inspiration für Carpenter war Ein Mann sieht rot (Death Wish) von Michael Winner. Auch wenn er der Aussage und der zugrunde liegende Philosophie des Films nicht zustimmte, mochte er die Darstellung der Großstadt als Dschungel voller Gefahren. Winners Death-Wish-Reihe hat einen konservativen bis reaktionären Grundton, der dazu dient, Selbstjustiz zu rechtfertigen. Carpenters Werk ist da schwerer einzuordnen.
Die linken Terroristen, die zu Beginn die Präsidentenmaschine entführen, kämpfen zwar für eine bessere Welt, handelt aber selbst nicht nach ihren Idealen. Von der Welt außerhalb Manhattans bekommt der Zuschauer nur die Polizeiwachen rund um die Halbinsel zu sehen. Sie stehen eigentlich für Recht und Ordnung – aber ihre Rechtsauffassung scheint nur noch wenig mit einem demokratischen Staatswesen gemeinsam zu haben.
Die Gefängnisinsassen hingegen leben in einer archaischen Welt ohne modernen Komfort und kämpfen um die wenigen Ressourcen innerhalb der Mauern. Die Szenerie gleicht den Mad-Max-Filmen ohne Sand und Sonnenschein. Der Held selbst fühlt sich gar keiner Seite zugehörig. Snake ist alles egal – die trostlose Welt um ihn herum ertränkt er in Zynismus.
Ursprünglich gab es eine Eröffnungsszene, welche den Bankraub, die anschließende Flucht mit der U-Bahn und Snake Festnahme zeigt. Die Polizei kann ihn nur stellen, weil Snake seinem angeschossen Komplizen zur Hilfe kommt. Die Szene wurde von Carpenter aus dem Film herausgeschnitten, da sie laut dem Regisseur die Figur zu sehr vermenschlichte.
Im direkten Vergleich zu Carpenters Assault – Anschlag bei Nacht gibt es auch keine Helden, die in der Not ihre Feindseligkeiten begraben und gegen eine äußere Bedrohung zusammenarbeiten. In Die Klapperschlange ist sich jeder zunächst selbst der Nächste. Trotz der sehr ambivalenten Helden hat der Film eine eindeutige Botschaft: Nicht nur die Verbrecher in Manhattan verrohen, sondern auch der Rechtsstaat, der sich mit unmenschlichen Maßnahmen vor ihnen schützen will.
Die Klapperschlange ist ein Film mit überwiegenden männlichen Protagonisten. Adrienne Barbeau hat als Maggie meist nicht mehr zu tun, als tief dekolletiert durch Bild zu laufen. In der Fortsetzung Flucht aus L.A. stehen zumindest schon einmal mehr Frauen auf der Besetzungsliste.
Die Grundidee des Originals wurde 1996 wieder aufgegriffen. Flucht aus L.A. erzählt im Prinzip die gleiche Geschichte mit größeren Budget noch mal. Snake Plissken wird wieder von Kurt Russel gespielt, der diesmal in die Gefängnisinsel L.A. eindringen muss und auf dieselben Figuren (nur von anderen Darstellern gespielt) trifft wie im Original.
Die Fortsetzung kommt nicht an die Qualität des Vorgängers heran und gleicht streckenweise einer Parodie von Die Klapperschlange. Dennoch gibt es seit mehreren Jahren Pläne für einen dritten Teil. So wollten Regisseur Robert Rodriguez (Sin City) und Drehbuchautor Neil Cross (Luther) 2015 noch eine Art Prequel drehen. Diese Pläne sind jedoch vom Tisch und aktuell arbeitet Autor und Regisseur Leigh Whannell (Der Unsichtbare) an einem Reboot des Films.
Ein möglicher Reboot wird es schwer haben, einen eigenen Schwerpunkt zu setzen. Den schon die Originalstory gibt eigentlich nicht sehr viel her und die Grundidee wurde seit 1981 in Filmen wie Ghettogangz – Die Hölle vor Paris (2004) wieder aufgegriffen. Die Klapperschlange lebt von John Carpenters Art Filme zu drehen, seinem Soundtrack und den sehr guten Hauptdarstellern. Da braucht es eigentlichen keine weiteren Fortsetzungen oder Reboots, da der Film auch heute noch sehr gut funktioniert.