Saat des Grauens

Hugh Walker

„Saat des Grauens“ ist als Ergänzung zu der die drei Fantasy und Jugendgeschichten umfassenden Storysammlung „Reich ohne Schatten“ betrachtet werden. Die insgesamt sechs Geschichten stammen aus den Fanzines der sechziger Jahre. Es lohnt sich mit dem sekundärliterarischen Anhang anzufangen. Franz Schröpf und Hubert Straßl berichten von den Anfängen des österreichischen Fandoms und den ersten literarischen Gehversuchen. Es handelt sich um einen Ausschnitt aus einem Interview. Horst Hermann von Allwörden geht in „Bradbury, Mayrink, Ewers & Co“ auf die Wurzeln und Vorbilder des Horror Autoren Hugh Walker ein. Unglücklich ist, dass von Allwörden für diesen Nachdruck seinen Artikel nicht überarbeitet hat, denn es ergeben sich einige Widersprüche zwischen Hubert Straßl persönlichen Angaben und seinen Thesen. So sind die Linzer schon nach Wien umgezogen und in die dortige Science Fiction Gruppe aufgenommen worden, bevor sie aus der Linzer Zeit die sechs Ausgaben ihres satirischen Fanzines produziert haben. Auch andere Bezüge wirken erstaunlich bemüht. Auf der anderen Seiten zeigt von Allwörden auf, auf wieviele Vorbilder Hugh Walker schließlich in einigen der hier zusammengefassten satirischen Texte zurückgegriffen hat. Abschließend ist die Einleitung zu „Meine zwei Plasmaten“ von Axel Melhardt & Hubert Straßl wichtig, um einige, aber nicht alle Bezüge zu dieser ambitionierten, aber auch ein wenig konfusen Geschichte zu verstehen. Heinz Rehwalds Zeichnungen aus den Erstveröffentlichungen runden das Ambiente entsprechend gut ab.
Hugh Walker behandelt dabei sehr gerne typische Szenen auf eine eher untypische Art und Weise. „Invasion“ zeigt die Zusammenhänge erst im Grunde während der letzten Sätze. Rückblickend lässt sich eher wie bei Philip K. Dick denn Ray Bradbury erkennen, wer wirklich der Fremde ist. Im Handlungsbogen von „Meine zwei Plasmaten“ wendet sich der Erzähler direkt an den Leser und weist ihn darauf hin, dass eine Handlung mit Parallelwelten, mindestens einhundert Ohnmachtsanfällen und vor allem ihn verfolgenden Schaukelpferden ohne Frage konfus sein muss. Die satirische Stimme ist wie nicht nur Horst von Allwörden feststellt, aus Hugh Walkers professionellen Werk später verschwunden. Hier funktioniert sie nur bedingt. Für die Länge der Geschichte ist der Hintergrund nicht nur zu ambitioniert, sondern nicht konsequent genug ausgebaut worden. Wie der Erzähler hetzt der Leser durch die Handlung, bis Hugh Walker den Handlungsbogen nicht abschließt, sondern eher mit einigen Erläuterungen abbricht.
„Die Paras“ ist über weite Strecken einer der vielleicht den sechziger Jahren am ehesten entsprechenden Geschichten. Ein Raumfahrer landet auf einer fremden Welt, begegnet einer außerirdischen tierähnliche Rasse, die deutlich mehr als nur einen Kommunikationspartner in ihm sehen. Der Roboter wird in die Irre geführt und am Ende wird teilweise von außen eine Lösung impliziert. Hugh Walkers Schreibstil ist bei dieser frühen Fingerübung noch nicht so fließend und stellenweise agiert er ausgesprochen bemüht, bevor er am Ende zumindest einige Klischees der damaligen Zeit zur Seite räumt und mit einem fast rasanten Dreh in der Handlung sich Ray Bradburys Geschichten nähert. Irgendwo zwischen Weird Fiction und Ray Bradbury ist auch „Der Fall Moracek“ angesiedelt. Im Gegensatz zu dem klassischen Science Fiction Ambiente von „Die Paras“ ist die Ausgangslage fast klassischer Bradbury. Ein Mann entdeckt seltsame Fähigkeiten – Hugh Walker bleibt ambivalent - und die Wissenschaftler sind verblüfft. Natürlich handelt es sich vor allem um einen unscheinbaren Mann, der zumindest für kurze Zeit eingeschränkte übermächtige, eher der Perry Rhodan Serie entlehnte als Gott ähnliche Fähigkeiten bekommen. Sein ganzes Leben wird vor allem von außen auf den Kopf gestellt. Die moralische Keule wiegt vielleicht ein wenig schwer, aber bis dahin ist es eine unterhaltsame und im Vergleich zu „Die Paras“ deutlich beschwingter erzählte Geschichte.
Die Titelgeschichte „Saat des Grauens“ ist eine Mischung aus Science Fiction und Horror. Aus der Science Fiction hat er die Mutanten und das gigantische, zu vernichtende Elektronengehirn übernommen. Mit beiden Aspekten folgt er im Grunde noch den Klischees der Golden Age Science Fiction und kann hier auch nur wenige neue Ideen beitragen. Auf der anderen sehr viel interessanteren Seite dringen in diese technokratische Welt mystische Wesen angeführt von Satan ein. In vielen Texten verbindet Hugh Walker von ihm Real Phantasien genannt die phantastische, wahrscheinlich sogar virtuelle Welt entweder mit der Gegenwart oder wie nicht nur in diesem Fall, sondern auch in der folgenden Urban Fantasy Geschichte mit einer märchenhaften mystischen Welt. Während „Saat des Grauens“ relativ stringent und unabhängig von der besonderen Kombination auch eher konsequent gestaltet worden ist, erscheint die letzte Story „Der magische Stein“ wie ein Vorgriff auf die Urban Fantasy Geschichten, die vor allem im 21. Jahrhundert so populär werden sollten. Der unscheinbar wirkende Erzähler erhält von einem auffälligen Mann, der zaubern kann, den Auftrag, von einer Frau einen besonderen Stein zu stehlen. Als Waffe erhält er ein Schwert, das sich schnell als das legendäre Schwert Excalibur herausstellt. Es ist erstaunlich, wie schnell während der finalen Auseinandersetzung Hugh Walker allen Figuren ihre Schleier von den Gesichter reißt und sie alle als mögliche „Überlebende“ der Ära König Arthurs darstellt. Der Leser weiß nicht, ob der unzuverlässige Erzähler wahnsinnig geworden ist, ob er die Ereignisse träumt oder tatsächlich eine Vermischung nicht nur von Realität und Phantasie, sondern verschiedenen Zeiten stattgefunden hat. Das Ende wirkt ein wenig zu hektisch und ist nicht ausreichend ausformuliert. Aber das Potential dieser Geschichte ist enorm und vor allem die pointierten doppeldeutigen Dialoge machen sie auch heute zu einem Lesevergnügen.

Es sind die verschiedenen Anekdoten am Ende dieser Sammlung, die einen tiefer gehenden Eindruck hinterlassen. Neben den karrieretechnischen Fakten erzählt Hugh Walker von den damaligen, aus heutiger Sicht archaisch erscheinenden Sammlermethoden mit den buchstäblichen Wettrennen um die begehrten amerikanischen und englischen Taschenbücher. Über die ersten Fanzines und schließlich werden die verschiedenen Lebensläufe der Mitglieder der Linzer bzw. Wiener Science Fiction Gruppe zusammengefasst. Alleine der Hinweis auf das kurzzeitige Comeback Helmuth W. Mommers nach dem Verkauf seiner Geschäfte fehlt. Es ist eine Zeitreise, die den Leser vor allen in die Entstehungszeit der Geschichten zurück katapultiert und vor allem jüngeren Fans einen Eindruck verschafft, wie in den sechziger bis neunziger Jahren Fanmagazine wirklich als Gruppenarbeit produziert, vervielfältigt und nicht selten auch verteilt worden sind. Dazu finden sich Hinweise auf die wichtigen Clubs wie den SFCD und FOLLOW, sowie die ersten Strategie- und Rollenspiele, aus denen schließlich MAGIRA entstehen sollte.

Hugh Walker hat die Geschichten behutsam für die Gegenwart überarbeitet, den ursprünglichen Flair aber bestehen lassen. Auch wenn sie nicht professionell veröffentlicht worden sind, zeigen sie nicht nur thematisch, sondern auch stilistisch, in welche Science Fiction Richtung sich der Linzer Autor entwickeln sollte. Schon in den sechziger Jahren versuchte Hugh Walker offensichtlich, die Versatzstücke des Genres eher auszunutzen und in seine Richtung zu extrapolieren als den Klischee der Literatur zu folgen, die vor allem an den deutschen und österreichischen Kiosken, aber nicht mehr in Großbritannien oder den USA vorherrschte.

  • Taschenbuch: 184 Seiten
  • Verlag: CreateSpace Independent Publishing Platform (11. Februar 2016) Verlag Emmerich
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 1519645341
  • ISBN-13: 978-1519645340
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