Homo Sapiens 404 Band 20 "Scheissgross ist die Welt"

Claudia Kern

Noch deutlicher als im letzten Roman leidet „Scheißgroß ist die Welt“ – der Titel ist auch irgendwie nicht passend – unter der unglücklichen Struktur mit einer langen Rückblende, deren Ende der Leser ja schon kennt.  Zusätzlich bewegt sich bis auf den Paukenschlag am Ende der Plot zu wenig vorwärts. 

Es gibt in der Gegenwartshandlung aber auch Aspekte, mit denen der zwanzigste Band der Serie wirklich überzeugen kann. Irgendwann musste es ja so kommen, dass die Menschen und ihre „Herrscher“ die Jockeys eine Art Zwangsehe auf einer gleichberechtigten Ebene eingehen müssen.  Nach dem Absturz im letzten Roman scheint die Verbindung zwischen Lanzo und seinem Jockey Jho`tol getrennt worden zu sein.  Für die Jockeys ist es grundsätzlich ein Schock, da sie bislang immer dominant gewesen sind und ihre jeweiligen Wirte eher als Sklaven angesehen haben. Lanzo fühlt sich zwar auf der einen Seite befreit, auf der anderen Seite hat er das Problem, das er den Jockey aber körperlich nicht los werden kann. Also müssen sie folgerichtig eine Zwangspartnerschaft eingehen. Claudia Kern nutzt diese Prämisse für eine Reihe von doppeldeutigen Dialogen und bösartigen Anmerkungen. Allerdings hätte man aus der mehr und mehr von gegenseitigem Respekt dominierten Partnerschaft angesichts der zahlreichen Gefahren deutlich mehr machen können und machen müssen.  Ihre Gegner reichen von den immer aggressiver werdenden Zombiehorden bis zu den brutalen, eher eindimensional gezeichneten Gangs, welche verzweifelt versuchen, Lebensmittel und Waffen zu horten. Einer dieser Familiengangs hat sich Lanzo unter sehr gedehnten Prämissen angeschlossen, um nach den Absturz bis zum Einsetzen der Handlung des vorangegangenen Bandes überleben zu können.

Auf der zweiten Handlungsebene muss Auckland sich mit dem immer gefährlicher werdenden Albaner auseinandersetzen. In der Figur des Albaners hat Claudia Kern einen der besten Antagonisten der ganzen Serie entwickelt. Intellektuell agiert er auf dem Niveau der ehemaligen, jetzt zerstreuten „T.S. Elliott“ Crew. Er ist deutlich rücksichtsloser, opportunistischer und scheint seine Gegner besser zu kennen als diese sich selbst. Hinsichtlich der hoffentlich finalen Auseinandersetzung hat die Autorin einige wirklich gute Ideen parat, die sie aber aus dem Nichts heraus und sehr abrupt umsetzt. Die Hektik wäre unnötig gewesen, wenn sie den Spannungsbogen besser strukturiert hätte.

Sowohl Lanzo als auch Auckland sind ja im Verlaufe der Handlung nicht unbedingt aus dem Nichts aufgetaucht, aber mehr oder minder überraschend wieder erschienen. In beiden Fällen konnte der Leser davon ausgehen, da sie vorher ums Leben gekommen sind. Diese Wiedererweckung von wichtigen Protagonisten, diese aus den Serials bekannte Irreführung des Lesers wird von Claudia Kern in diesem Band sehr gut zu erkennen unnötig und ein wenig zu oft angewandt. Jetzt hat die Autorin ein zusätzliches Problem. In im Grunde zwei längeren Rückblicken versucht sie nicht nur der Struktur der ersten Bände folgend, weitere Hintergrundinformationen zu geben, sondern die fehlenden Momente aufzuholen.   Natürlich ist es schwer, Spannung aufzubauen. Der Leser weiß im Groben, wie diese Rückblicke enden.   Einzelne Szenen können überzeugen, aber seitdem die Helden die Erde erreicht haben, lassen die Romane das hohe, vielleicht manchmal auch zu hohe Tempo vermissen.  Dabei greift die Autorin relativ spät in der ganzen Serie mit dem freien Tag Barbies und des Albaners auch noch neue Ideen auf. Können diese Kunstprodukte wirklich nichts fühlen oder müssen sich die Emotionen noch entwickeln?  Auch wenn es eine der wenigen Science Fiction Ideen der momentan ausschließlich auf die „Zombies“ sich fokussierenden Serie ist, kann die Autorin keine neuen Impulse einfügen und das Geschehen läuft sehr vorhersehbar ab.  Selbst Lanzos Begegnung mit den einfältigen Schurken in Großfamilienformat allerdings ohne Kannibalen Ansätze wirkt dagegen ein wenig origineller.  Claudia Kern versucht das Finale noch ein wenig hinauszuzögern und so auf die geplanten 24 Romane zu kommen. Während diese Exkurse wie mehrfach erwähnt in den ersten Bänden der Serie vor allem die vielschichtigen Charakterisierungen sehr gut begleitet haben, wirken sie in den letzten Romanen kontraproduktiv und hemmen den Lesefluss.

Bei den auf der Erde spielenden Abenteuern kommt noch ein ernüchterndes Element hinzu. Während vor allem die Weltraumabenteuer quasi vor bizarren Ideen hinsichtlich der Raumschiffe, Raumstationen und selbst der besuchten Planeten überquollen, nimmt sich Claudia Kern mit dem Erreichen der Erde zu sehr zurück und ignoriert alle Science Fiction Ansätze bis auf die „Eve außer Kontrolle“ Hommage. Sie konzentriert sich vor allem auf verschiedene thematische Variationen von „Zombie“ oder „Walking Dead“, ohne hier wirklich Spannung aufbauen zu können. Einzige Ausnahme ist das mehrfach erwähnt Ende, das hoffentlich für einen der Antagonisten auch wirklich sein Ende darstellt. Eine erneute Irreführung der Leser wäre unglücklich. Mehr und mehr erinnern die Romane aber unwillkürlich an die B- Filme, die Claudia Kern auch gerne in die Handlung hat einfließen lassen. Weniger aufgrund der provokanten Ideen als der kargen „Ausstattung“. 

Dadurch wirkt das zwanzigste Abenteuer sowohl im direkten Vergleich als auch hinsichtlich des bisherigen Verlaufes der ganzen Serie deutlich schwächer als die letzten E- Books.   

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 791 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 77 Seiten
  • Verlag: Rohde Verlag (4. März 2015)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B00U7OKXI8