Heliosphere 2265- Band 4 "Das Gesicht des Verrats"

Andreas Suchanek

Der Titel des vierten Romans "Das Gesicht des Verrats" ist im Grunde falsch gewählt. Es sind die Gesichter des Verrats, die sich zeigen. Die Taten sind gleich, die Motive allerdings andere. Während es zweimal ohne die zahlreichen unwissenden Helfer expliziert aufzuzählen um klassische Machtgier mit gleichen Zielen, aber sehr unterschiedlichen Vorgehensweisen geht, stellt sich an Bord der HYPERION die Frage, ob das Hintergehen des Captains zum Wohle der ganzen Crew als Verrat zu titulieren ist. Wie die letzten Abenteuer laufen die verschiedenen Handlungsebenen nicht aufeinander zu, sondern Andreas Suchanek fügt sogar mit der auf den Außenpositionen liegenden irdischen Flotte einen weiteren Schauplatz hinzu.

Auf der Erde herrscht Chaos. Das Geheimnis der Parlidensklaven ist geklärt, darf aber nicht an die Öffentlichkeit kommen. Admiral Michalew will mit seinen Attentaten die Regierung aus den Angeln heben und vor allem seine eigenen Männer in entscheidende Machtpositionen bringen. Die politische Veränderung mit einer Vorbereitung der Menschen auf einen weiteren Krieg gegen die Parliden hat er auf den Weg gebracht, die Rüstungsmaschine könnte anlaufen. Michaeljew geht dabei rücksichtslos vor. Es gipfelt in der Isolation der Präsidentin. Sich auf dem Höhepunkt seiner Macht sehend beginnt auch gleichzeitig sein rasanter, zumindest in diesem Band fast zu abrupter Absturz, denn im Gegensatz zu ihm ist der Leser schon informiert, das Michalew nur eine Marionette ist. Der Langzeitplan, dem seine Machenschaften und er zum Opfer fallen sollen und werden, erscheint sehr ambitioniert und reicht vom Erreichen persönlicher Interessen - eine perfide Art, seine Frau loszuwerden - bis zum Sendungsbewußtsein als Retter der Erde, aber nicht der Demokratie. Über fast zwanzig Jahre mit unterschiedlichen kleineren Gefechten, der minutiösen Vorbereitung der "Hyperion" Crew im manipulierten Stahlbad des Lebens bis zum Losschlagen werden vom Autoren dank einer seiner charismatischen, aber auch mehr und mehr an einen James Bond Bösewicht erinnernden Nebenfiguren die Einzelheiten auf den Tisch gelegt. Wie schon im dritten Band expliziert herausgestellt muss der Leser die hier präsentierten Fakten akzeptieren, damit "Heliosphere 2265" funktioniert. Am Ende des Romans scheinen die "Schurken" - welch ein Veränderung gegenüber dem ersten Band - gewonnen zu haben. Der Fokus liegt in "Das Gesicht des Verrats" ausschließlich auf der Paranoiahandelsebene und gönnt sich nur am Ende einen kleinen Exkurs hinsichtlich des Fraktals, der Cross erste Vermutungen allerdings ebenfalls über den Haufen wirft.

Die Action konzentriert sich in erster Linie auf den erdnahen Raum. Neben den Attentaten und Bombenanschlägen, die ein wenig an die Anschläge vom 11. September nicht nur hinsichtlich ihrer psychologischen Wirkung erinnern, ist die psychologische Ebene mit zwei im Grunde ebenbürtigen Antagonisten interessant, die Jahre lang sich gegenseitig hassend trotzdem durch die gleiche Schule des militärischen Lebens gelaufen sind. Es bleibt abzuwarten, ob es tatsächlich einen finalen Sieger in diesem Duell nach Abschluss des Romans gibt. Zu oft, vielleicht in einer Szene ein wenig zu überzogen ziehen sie ein As aus dem Ärmel und weisen ihren Gegner in die Schranken. Andreas Suchanek entwickelt in dieser Hinsicht ohne Frage den Roman extrem spannend, es droht aber eine Art Überreizung. Mit einem der drei Epiloge zeigt er zwar, das selbst der perfekteste Schurke nicht gänzlich "perfekt" sein kann, aber auch hier bleiben Zweifel. Ein paranoider wie großmannsüchtiger zukünftiger Diktator hätte die Zeit genutzt, um das Dokument vor seiner Ausstrahlung zu überprüfen und den einzelnen, gravierenden Fehler nicht mittels Retusche verdecken lassen. Diese Szene wirkt ein wenig wie ein Kompromis gegenüber der Perfektion der Planung und dient den Helden um die "Hyperion" dazu, sich selbst zu positionieren. Auch wenn alle Logik gegen einen Förderer als Putschisten spricht. Dieses Deus Ex Machina Lösung zeigt sich auch bei der Hinzuziehung des Arztes, der die passenden Antimittel in der Tasche trägt. Auch die Prämisse, dass quasi mit einer zweiten Matrix umfangreiche Manipulationen innerhalb der Space Marine vorgenommen worden sind, deren Bekanntgabe wiederum zu einem opportunen Zeitpunkt erfolgt, hätte einen der beiden mächtigen Putschisten deutlicher misstrauischer werden lassen. In dieser Hinsicht wirkt die abfällige Beschreibung des gutmütigen, naiven Generals nicht nur manipulierend, sondern durch einen unzuverlässigen Erzähler eine falsche Spur legend, was rückblickend nicht immer für den Leser zufriedenstellend ist. 

Ignoriert man diese Plot technischen Übertreibungen, dann fasziniert und fesselt die HYPERION Handelsebene mit der Suche nach dem Saboteur/ Verräter noch mehr.  Das es sich um einen sympathischen Charakter handeln muss, steht außer Frage. Das auch der Sicherheitschef in naher Zukunft gegen den mechanischen Willen Schwächen zeigen wird, wurde schon impliziert und die Vorgehensweise einiger Kommandanten muss unter "drastisch" gebucht werden. Einzelne Protagonisten werden beschuldigt, verhaftet und wieder freigelassen. Der Kreis der Kandidaten wird auf der einen Seite kleiner, auf der anderen Seite allerdings gibt es andere Möglichkeiten, als nur die Dienstzeiten über Schuld oder Unschuld entscheiden zu lassen. Der Logik insbesondere des Sicherheitschefs ist nicht immer leicht zu folgen und stellenweise bemüht Andreas Suchanek andere Protagonisten, um als Alter Ego des Lesers die notwendigen Fragen zu stellen und entsprechende Erklärungen zu erhalten. Die Auflösung ist verblüffend und zieht bei einer Figur einen kompletten Charakterwandel nach sich.  Rückblickend könnte man sagen, es ist vielleicht der Charakter, der bislang am wenigsten definiert worden ist. Hinzu kommt, das dessen Schicksal auch nicht von den Putschisten vorherbestimmt worden ist. Das Suchanek aber dann aus dieser Figur einen Protagonisten macht, der mit der lässigen Art eine Quentin Tarantino Charakters inklusiv einer spürbaren Überheblichkeit daher kommt, erscheint dann wieder übertrieben. Auf jeden Fall ist die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, die ja auch in einer kurzweiligen Orientierungslosigkeit der HYPERION gipfelt, eine konsequente Fortführung der dunklen Zwischentöne des dritten Bandes. Gemeinsam bilden sie einen lesenswerten frühen Höhepunkt dieser Serie und weisen auf gänzlich veränderte Vorzeichen bei den nächsten Abenteuern.     

 

Heliosphere 2265 - Band 4: Das Gesicht des Verrats
von Andreas Suchanek
(Cover: Arndt Drechsler, Innenillustrationen: Anja Dreher)

E-Book (100Seiten), 2,49 Euro
Taschenbuch (2 Romane, ca. 250 Seiten), 9,90 Euro