Say it with Bullets

Say it with Bullets, Titelbild, Rezension
Richard Powell

„Say it with Bullets“ erscheint im Rahmen der „Hard Case Crime“ Romane zum ersten Mal seit mehr als fünfzig Jahren wieder als Taschenbuch. Der Autor Richard P. Powell  hat im Rahmen seiner langen literarischen Karriere nach einem erfolgreichen Militärdienst in vielen Genres Kurzgeschichten und Romane verfasst. Der Rückgrat seiner Arbeiten sind neben den Drehbüchern wie die „Inner Sanctum Mysteries“ Radiosendung zwischen 1943 und 1955 die verfilmten Roman „Die jungen Philadelphier“ mit Paul Newman in der Hauptrolle, „Pioneer Go Home“ mit Elvis Presley oder „A Shot in the Dark“. Selbst über Bridge hat Powell eine längere Abhandlung geschrieben, in welcher reale Spieler sich mit Powells fiktiven Figuren messen.     

„Say it with Bullets“ ist ein sehr stringenter Roman, in welchem Powell im Grunde eine Art “Der Gefangene von Monte Christo“ Geschichte beginnt, die sich relativ schnell durch einen weiteren Täter zu einem klassischen Kriminalplot erweitert.

Der „Monte Christo“ Teil besteht aus der Rückkehr Bill Waynes in die USA. Er hat wahrscheinlich im Koreakrieg zusammen mit einigen Kameraden gedient und Transportflugzeuge geflogen. An Bord einer der Maschine hat sich eine wertvolle Fracht befunden. Das Flugzeug ist in die Staaten umgelenkt worden. Nur hat der Sprit nicht gereicht. Das ist aber zu Beginn der Umsetzung des Plans nicht erkennbar gewesen, so dass die kleine Gruppe anfänglich nur einen unliebsamen Zeugen verschwinden lassen wollte.

 Bill Wayne wurde „erschossen“ und für tot zurückgelassen. Nur haben ihn die Chinesen gefunden, gepflegt und schließlich fünf Jahre später in die Staaten zurückgeschickt. Dort hat seine Rückkehr die Presse auf ihn aufmerksam gemacht. Das Interesse der Öffentlichkeit ist so groß gewesen, dass ihn jemand in den Staaten endgültig töten wollte. Dieser zweite Anschlag ist auch schief gegangen. Bill Wayne entschließt sich, „Urlaub“ zu machen und bucht eine Bustour von Cheyenne über Salt Lake City,  Reno schließlich nach Yoesemites.

In einer der konstruiert erscheinenden Wendungen des Buches leben in den vier Städten die vier Männern, die ihn im China zurückgelassen haben. Bill Wayne möchte herausfinden, wer von den vier Männern ihn niedergeschossen hat, wobei er im Grunde sich an allen vier ehemaligen Kameraden rächen möchte.

Der Plan ist schon schwierig genug umzusetzen. Hinzu kommt, dass die attraktive Reiseführerin ein Auge auf Bill Wayne geworfen hat. Dabei lässt sie ihn nicht aus den Augen. Rückblickend ist die Romanze vielleicht der schwächste Punkt des ganzen Romans. Natürlich reicht es für einige humorvolle Exzesse, wenn Bill Wayne direkt den Leser anspricht und von seinen Bemühungen berichtet, seinen attraktiven weiblichen Schatten mit Essen und langen Gesprächen inklusiv Tanzen zu ermüden oder sie mit einer langen Wanderung in die gigantische Natur abzulenken sucht. Wie er selbstironisch feststellen muss, funktioniert dieser Plan überhaupt nicht. Auch das die Reiseführerin so schnell auf ihn fliegt, erscheint aufgesetzt. In der zweiten Hälfte des Buches versucht er entweder sie zu schützen, indem er sie brüskiert oder sie tarnen sich als Jungvermählte auf Hochzeitsreise, während des finalen Showdowns natürlich sie als Faustpfand dienen muss. Die pointierten anfänglichen Dialoge gehen im Verlaufe des Romans ein wenig verloren und sie wirkt mehr und mehr wie ein Stichwortgeber als die selbstsichere routinierte Reiseleiterin mit einem Auge für besondere Problempatienten in ihrer Reisegruppe.  

Obwohl sie blond, aber nicht dumm ist, versucht Bill Wayne nach dem ersten Mord entlang der Strecke abzulenken. Das endet in einer fast komischen Situation, wobei sie ihm beweist, dass sie sich nicht zu leicht ablenken lässt. Nicht nur wegen eines Knopfes am Tatort, sondern auch wegen seines auch überzogen beschriebenen Verhaltens für einen ehemaligen Soldaten verdächtigt sie ihn.

Bill Wayne selbst kann sich an die Tat nicht erinnern. Er hat seinen ehemaligen Kameraden bedroht und von einigen Hintergründen der Verschwörung erfahren. Aber rechtzeitig bevor der Mann von einer 45er niedergeschossen wird, gehen bei Bill Wayne die Lichter aus.

Mit dieser für die erste Konfrontation signifikanten potentiellen Wendung der Ereignisse distanziert Powell seine Leser nicht von seinem wichtigen Protagonisten. Ohne Frage hat Bill Wayne mindestens ein Motiv, bei seinen vier ehemaligen Kameraden nachzufragen und den Mann zu suchen, der ihn niedergeschossen und viel schlimmer bei den Chinesen zurück gelassen hat. Der Leser hat Verständnis. Aber ob die Sympathie auch für einen kaltblütigen Mörder reicht, als welcher sich Bill Wayne zu Beginn in Szene zu setzen sucht, steht auf einem anderen Blatt.

Spätestens mit dem Besuch beim zweiten Verdächtigen wird deutlich, dass es einen fünften Mann gibt. Damit „entlastet“ der Autor Bill Wayne, dreht aber die Spannungsschraube weiter an. Seine attraktive Begleitung liefert ihm einige wichtige Argumente und Hinweise.  Während des zweiten Mordes deuten noch einige vage Indizien auf Bill Wayne, beim dritten Mord am einarmigen Banditen im Spielerparadies Reno ist aber spätestens klar, dass jemand anders Bill Wayne nur als Sündenbock benutzen möchte, um irgendwann die Beute zu bergen, die seit fünf Jahren in einem See in Oregon liegt. 

Es ist ein klassisches Motiv vieler Krimis, das aus dem Jäger ein Gejagter wird.  Auch in „Say it with Bullets“ dreht Powell für den Leser ein wenig überraschend den Plot. Der Roman beginnt seine Spannung weniger aus der Tatsache zu beziehen, dass einer der vier Männer Bill Wayne niedergeschossen hat, sondern wer der fünfte Mann ist. Damit werden die direkten Konfrontationen- die gefährlichsten Gegner kommen natürlich zum Schluss – relativiert, aber irgendwo zwischen einem Hilfssheriff natürlich in einem Cowboyoutfit und dem fünften Mann baut Powell kontinuierlich Dynamik und vor allem Tempo auf. Zu Beginn zeigt Powell, wie geschickt Bill Wayne sich Alibis verschafft und wie konsequent er eigentlich vorgehen möchte, wenn ihn nicht immer die Reiseleiterin/ Lehrerin stört.

 In Reno wirkt die kontinuierliche Glückssträhne an den einarmigen Banditen und am Roulettetisch ein wenig aufgesetzt. Bill Wayne muss sich im Casino verstecken, da gerade sein dritter Verdächtiger in seiner Gegenwart mit seiner Waffe – sie wird ihm aus dem Dunkel des Saales wieder vor die Füße geworfen – erschossen worden ist. Sein Pech ist, dass er am Roulette für einen Augenblick so viel Geld verdient, dass die örtliche Presse natürlich mit einem Foto von ihm darüber berichten möchte.  Die ganze Szene wirkt leider nicht spannungsfördernd, sondern zieht sich hinsichtlich der Gesamtstruktur ein wenig zu lange hin.

Das Ende ist deutlich dynamischer. Neben dem fünften und möglicherwiese sogar einem sechsten Mann – diese Person begleitet den Leser und damit Bill Wayne während fast ganzen Reise auffällig und doch unscheinbar – sucht sich Richard Powell einen markanten touristischen Punkt für seinen Showdown aus. Wie es sich für derartige Thriller allerdings auch gehört, müssen Bill Wayne stellvertretend für den Leser noch einige Punkte des zu komplizierten Plans ausführlich erläutert werden. Das Wayne nur Sündenbock für einen der Mittäter ist, der mit seiner Person die Kameraden töten und die Schuld abwälzen will, ist schon im Mittelteil des Buches deutlich geworden. Warum es jetzt noch einmal - während sich die Parteien Waffenstarrend gegenüber stehen – durchdiskutiert wird, erscheint nicht gänzlich nachvollziehbar. Es kommt zu einer finalen Konfrontation mit einem rasanten, aber ebenfalls vorhersehbaren und mehrfach angedeuteten Ende.

„Say it with Bullets“ ist inzwischen fast sechzig Jahre nach der Erstveröffentlichung eine ohne Frage kurzweilige Lektüre mit einem interessanten Auftakt – ein Mann sucht eine besondere Art der Abrechnung -, die allerdings im Verlaufe der bunten Reise relativiert wird, um das wenig subtile Heldenimage nicht zu sehr zu beschädigen. Obwohl die Romanze aufgesetzt erscheint, sind es die pointierten Dialoge, welche diese Schwächen zufriedenstellend wieder ausgleichen.

 

Taschenbuch

Hard Case Crime

252 Seiten
ISBN: 978-0857683540
Cover art by Michael Koelsch

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