Old Shatterhand neue Abenteuer Band 3: Der schwarze Josh

Old Shatterhand Neue Abenteuer Band 3, Der schwarze Josh, Titelbild, Rezension
Thomas Ostwald

„Der schwarze Josh“ ist der dritte Teil der fortlaufenden Serie mit neuen Abenteuern von Old Shatterhand. In der zweiten Hälfte des Romans wird nicht nur der May´sche Name statt des ambivalenten Karl Winter – der Erzähler versucht damit den in Deutschland bestehenden Haftbefehl gegen Karl May zu überdecken – verwandt, auch Winnetou hat zumindest einen kurzen Auftritt in der Mitte des Buches. Er trifft in der Werkstatt des alten Büchsenmachers Henry auf seinen Freund Old Shatterhand. Die Silberbüchse muss in die Reparatur. In Anspielung auf die laufende Handlung hat Thomas Ostwald noch einen weiteren Karl May Charakter aus der eher an die Jugend gerichteten Erzählung „Der schwarze Mustang“ in die laufende Handlung eingebaut. Winnetou verabschiedet sich mit dem Rat, dass dieser Fred Miller nicht der ist, als der er sich ausgibt.

 Hier liegt auch das Problem des Romans. Über weite Strecken beginnend mit dem brutalen Zugüberfall und endend mit der „Schlacht“ auf dem langen Mississippi Fluss könnte es sich um ein stringentes Abenteuer eher wieder mehr in Karl May Manier handeln. Da Thomas Ostwald in seinem Epilog eine Reihe der beschriebenen Ereignisse in Frage stellt, lässt sich schwer ein abschließendes Urteil bilden. Und in dem Punkt des In Frage Stellen liegt auch ein gewichtiges Problem dieses Romans. Karl May hat immer aus der Ich- Perspektive erzählt. Wenn Kara Ben Nemsi oder Old Shatterhand einzelne Episoden nicht selbst erlebt haben, sind sie ihnen immer in der Gegenwart des Lesers erzählt worden. Falsche Handlungsarme hat Karl May nicht ausgelegt, um die Charaktere oder die Leser zu verwirren. Am Ende des vorliegenden Buches besteht eine Möglichkeit, dass das Geschehen sich so nicht real abgespielt hat oder dass das Umfeld Old Shatterhand absichtlich verwirren möchte. Ob diese Vorgehensweise abschließend überzeugend ist, wird wahrscheinlich das vierte Abenteuer „In den Fängen des Ku-Klux-Klan“ zeigen. Bis dahin muss über diesen relevanten Handlungsabschnitt zumindest ein Hauch des Zweifels gelegt werden, ob hier nicht der Geist von Karl May in schriftstellerischer Hommage an Friedrich Gerstäcker zu sehr gedehnt worden ist.

 Thomas Ostwald scheint – wie sich im Laufe der Serie herausstellt – Doppelungen zu lieben. Es gibt im zweiten Band zwei Entführungen. Einmal Klara von Rauten und dann eine Indianerfrau, die aus ihrem Wigwam geraubt worden ist.m Klara von Rauten ist einmal das Opfer der Bushwhacker, dann scheint sie wie selbstverständlich bewaffnet und gefährlich mit ihnen zu reiten. Als Old Shatterhand sie in dieser Pose sieht, ist sein Selbstvertrauen zutiefst erschüttert.

 Wie angedeutet könnte auch Fred Miller mehr sein, als nur ein angesehener Reiseschriftsteller, der immer wieder Herausforderungen sucht und sich im Wilden Westen sehr gut auskennt. Zwar bietet Thomas Ostwald eine weitergehende, in sich sogar logische Erklärung an, aber die letzten Seiten stellen diese wieder in Frage.

 Mit diesen Doppelungen und Anspielungen erzeugt der Autor in den vielen ruhigen, durch ausführliche Erklärungen immer interessanten Passagen durchaus ein beträchtliches Maß an Spannung. Natürlich muss Thomas Ostwald irgendwann im Verlaufe dieses Büchleins auch beginnen, Antworten zu präsentieren. Hier stolpert Old Shatterhand förmlich über eine mögliche Auflösung, um sie dann in der nächsten Sekunde wieder zu verwerfen. Nur wer wirklich genau alle Kapitel liest, könnte eine potentielle „Bruchstelle“ zwischen der beschriebenen Realität und einem dreidimensionalen Alptraum erkennen. Aber ob das wirklich im Sinne der Karl May Tradition ist, muss sich jeder Leser letzt endlich selbst beantworten. Das Auslegen dieser potentiellen falschen Fährten ist nicht unbedingt neu, muss aber professionell abgeschlossen werden, damit die Glaubwürdigkeit des Autoren/ Ich Erzählers in diesem Buch nicht aufs Spiel gesetzt wird. 

 Einzig der ausschließlich auf die Zukunft gerichtete, aber aus der distanzierten Position des Ich- Erzählers rückschauend gesetzte Hinweis, dass Old Shatterhand am Ende seiner eigentlichen Mission momentan anscheinend mit leeren Händen dasteht, schenkt den beschriebenen dramaturgisch aber sehr guten Ereignissen eine Existenzberechtigung. Dabei passen sie sich historisch nicht nur in die wilde Zeit nach dem Bürgerkrieg ein, sondern untestreichen, wie mächtig die frühen von den Politikern sanktionierten Bushwracker tatsächlich in den besiegten Südstaaten noch seien könnten. 

 Es ist aber nicht der einzige historisch belegte Hinweis. Wie im zweiten Band erweckt Thomas Ostwald das Leben am Mississippi wieder zu neuem Leben. Die Beschreibungen sind genau und sehr gut recherchiert. Vorsichtig ohne den belehrenden Unterton Karl Mays werden sie dem Leser dargereicht, wobei der Autor auch in einem Punkt deutlich geschickter vorgeht. Viele der Fakten fließen deutlich harmonischer in die Handlung ein und wirken wie bei einem interessanten Zwiegespräch. Karl May wie auch Jules Verne hatten in ihrer Zeit eher ein belehrendes Bedürfnis, möglichst viele Sekundärinformationen auf irgendeine Art leider auch sehr auffällig den vor allem jugendlichen Lesern mit auf den Weg zu geben. Im Vergleich zur ebenfalls im BLITZ Verlag erscheinenden Serie um Kara Ben Nemsi halten sich auch die Fußnoten positiv in starken Grenzen.

 Neben den historischen Fakten überzeugt die Mischung aus im Hintergrund vertrauten Karl May Figuren wie dem Erfinder des Henrystutzen als alter, körperlich gebrechlicher, aber noch geistig reger Mann im Rollstuhl oder seinen neuen Partner Kas Timpe, der schon angesprochenen Figur aus „Der schwarze Mustang“. Enttäuschend ist vielleicht bislang Winnetous Auftritt. Er will einen neuen Friedensvertrag zwischen seinen indianischen Blutsbrüdern und dem weißen Mann verhandeln. Dazwischen trifft er kurz auf Old Shatterhand, den er aber wegen einer kriegswichtigen Mission – für wen ist wahrscheinlich eine Antwort, welche der vierte Roman der Reihe liefert – nicht begleiten kann. Sie wechseln einige Belanglosigkeiten, wobei insbesondere Winnetou mit seinen kryptischen Bemerkungen für Spannung sorgen soll. Das gelingt nicht ganz.

 Danach trennen sich wieder ihre Wege. Wie beim dramaturgisch sehr effektiv gestalteten Auftakt mit dem geplünderten Zug voller Leichen etabliert Thomas Ostwald eine äußerst schwierige Mission, in deren Verlauf Old Shatterhand auf einen Trick zurückgreift. Hier folgt der Autor den Ideen Karl Mays, wobei er durch die Nutzung moderner Waffen die Verluste auf Seiten der Banditen entsprechend maximiert. Da der Plan im Abseits entwickelt worden ist, wird der Leser zusammen mit einigen Figuren vom Ausgang überrascht. Es stellt sich allerdings ein wenig die Frage, ob ein derartig gut organisiertes Netzwerk von Banditen nicht im Vorwege Spione aufgestellt hätte, um den aktiven Vorbereitungen zu folgen.

 Nach diesem ersten Erfolg kommt es zum Bogenschlag zur zweiten Reiseetappe, in deren Verlauf Thomas Ostwald seine Leser entweder provoziert oder brüskiert. Die einzelnen Actionszenen sind gut beschrieben worden und vor allem gegen Ende des Buches gewinnt Old Shatterhand endlich das Profil, das ein Leser dieser Reihe selbst von einem halben Greenhorn erwarten durfte. In dieser scheinbar fast aus einer Alternativwelt stammenden Geschichte ist  Old Shatterhand schon vor dem amerikanischen Bürgerkrieg durch die USA gereist und muss somit neben seinem mehrfach angesprochenen, aber niemals bewiesenen Ruf auch Erfahrungen unter seinem Lehrmeister Sam Hawkins gesammelt haben.

 Diese Prämisse widerspricht ein wenig den Auftaktkapiteln von „Winnetou I“, aber da Thomas Ostwald seinen ganzen Plot auf diesem Standbein aufbaut, ist diese dichterische Freiheit ein wenig zu verzeihen. Auf der positiven Seite ist „Der schwarze Josh“ das bislang beste neue Abenteuer Old Shatterhands, weil das Tempo von Beginn des Buches an nicht nur hoch, sondern der Handlungsbogen sehr fein gesponnen worden ist.  Das liegt an den möglichen Ideen hinter der vordergründigen Jagd auf den Anführer der Bushwhacker, die bislang alle nur impliziert, aber an keiner Stelle effektiv abschließend ausgesprochen worden sind.

 Mark Freier hat bislang zu jedem der drei Bücher ein atmosphärisch stimmiges Titelbild beigesteuert, das die Haupttransportmittel des jeweiligen Abenteuers zeitlos in Szene setzt und damit den Leser von Beginn an in diese Zeit versetzt.   

www.blitz-verlag.de

Band: 03, Abenteuer-Roman
Seiten: 164 Taschenbuch
ISBN: Exklusiv nur im BLITZ-Shop

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