Rettungskreuzer Ikarus 67 "Sturm über Toruk"

Rettungskreuzer Ikarus 67, Titelbild, Rezension
Allan J. Stark

Der zweite Teil des "Rettungskreuzer Ikarus" Doppelbandes “Sturm über Toruk” schließt nahtlos an den ersten Teil "Der träumende Gott" an. Mit dem Schließen des Rahmens wird offensichtlich, welche klassische Geschichte der Autor als Vorlage genommen hat. Dabei überschreitet er den Rahmen einer ehrwürdigen Hommage und „kopiert“ natürlich futuristisch verfremdet die wichtigsten Szenen, ohne das zumindest expliziert in einem Vorwort oder einer Einleitung zu erwähnen. Axel Kruse bezeichnet einen seiner neusten Romane offen als Nacherzählung von „Die Schatzinsel“,  Allan J. Stark hat sich gegen diesen Schritt entschieden.

Dadurch wirken die starken Szenen inklusiv des auch in der Verfilmung „Der Mann, der König sein wollte“ einzigartigen Endes ja leider nicht originell, sondern nur funktional.  Das enge Kleben an der Vorlage hat auch Nachteile für den ganzen Handlungsverlauf. Wirkten  die einzelnen Prämissen im ersten Teil noch frisch und originell, boten vor allem sehr viel Potential, beginnt der Autor vor allem die Idee des Hochstaplers als König zu unterminieren, um Kiplings Ende zu kopieren. Interessant ist zusätzlich, dass Allan J. Stark dazu die Idee des Gottkönigs im zweiten Teil erst einmal etablieren muss, während der verschwundene König von Toruk ohne Frage im ersten Buch schon eine mächtige, aber keine derartig göttliche Rolle gespielt hat.  

Der Plot ist aufgrund der im ersten Band sehr gut gestalteten Exposition stringenter.  Die Bergbaukonzerne als Ausbeuter der technologisch und sozial degenerierten Bevölkerung Toruks mit einem reichen Erbe vor allem an Erinnerungen werden vom neuen König attackiert. Er möchte seinem Volk eine bessere Zukunft geben. Diese Idee muss der Autor vor allem auch durch eine Persönlichkeitswandlung unterminieren. Hier konstruiert Allan J. Stark sehr viel und schafft es nicht nachhaltig überzeugend, einen so  intelligenten Hochstapler mit einem derartig weitreichenden Plan beginnend mit dem Fund des Raumschiffs, der Aktivierung der alten Roboter, dem Festsetzen der Hyperion und ihrer Mannschaft sowie dem Ausspielen der einzelnen Parteien plötzlich wieder zu einem weiteren Gangster und egoistischen Opportunisten zu reduzieren.

Während in Kiplings Geschichte und weniger im Film die Freimaurerei eine wichtige Rolle spielte, ersetzte Allan J. Stark diese Idee durch den ausführlich beschriebenen, religiösen Kult, der aber mit dem grauen Volk auch Toruks technische Vergangenheit einbezogen hat. 

Auch sein Partner – er hat die Einheimischen mit erstaunlich pragmatischen Methoden zu Söldnern ausgebildet – unterläuft einen Charakterwandel. Das ist in mehrfacher Hinsicht unglücklich, denn insbesondere im Film ist es Michael Caine als Mahner und „Feigling“, der seinen Freund im Zaun zu halten sucht. Auf den letzten Seiten muss Allan J. Stark die Figur wieder anpassen, damit das tragische Ende konsequent erscheint. Aber die aufgebaute Distanz zwischen dem Leser sowie dem Kommandanten der Hyperion als Zuhörer – in der Geschichte sowie dem Film sind es Journalisten – und dem Erzähler kann nicht mehr überwunden werden.

Der  Plot bedingt aber eine weitere Schwierigkeit.  Die Mannschaft der Hyperion wird trotz einiger guter wie skurriler Ideen – siehe den Computerwurm mit seinem eigenen Namen – in den Hintergrund gedrängt und kann am Ende nur reagieren. Zumindest im ersten Teil der Geschichte konnten die interessant gestalteten Figuren ein wenig in die laufende Handlung eingreifen, auch wenn sie schnell zu einem Spielball reduziert worden sind, während sie in der Fortsetzung nur einmal quasi die Reste aufsammeln und sich gegen die Tradition der „Rettungskreuzer Ikarus“ Romane vor dem eigentlichen Ende abseilen. Das ist weniger eine Charakterschwäche, sondern notwendig, damit im Rahmen dem Kommandeur das Ende der Geschichte inklusiv des letzten Versprechens verbal und visuell „schockierend“ übermittelt werden kann.

Die anderen offenen Punkte gehen unter. Allan J. Stark vergisst dabei, dass die Gesellschaft auf Toruk im Gegensatz zur abgeschiedenen Zivilisation in Kiplings Geschichte nicht nur ein reiches, noch funktionierendes Erbe hat, sondern die Problematik mit der Bergbaugesellschaft sowie deren Förderung von genehmigungspflichtigen Bodenschätzen nicht weiter während des Endes extrapoliert wird und somit hängenbleibt.  Hier wäre es sinnvoller gewesen,  von der Vorlage abzuweichen und die roten Fäden zufriedenstellend abzuschließen.  

Die zweite Hälfte reicht nicht an den ersten Teil des Romans heran. Die Actionszenen sind weiterhin sehr gut geschrieben worden und auch die Auseinandersetzung zwischen Kommerz/ Kapital und dem Respekt gegenüber den Einheimischen überzeugt auf der Dialogebene. Zu den Schwächen gehört, dass alle Charaktere eindimensionaler, schablonenhafter und dem geliehenen Plot geschuldet weniger frei agieren können.

Das grundsätzliche Problem ist, das Allan J. Stark nicht offensichtlich auf die Tatsache hinweist, dass die wichtigsten Züge seines Plots nicht von ihm, sondern von Kipling stammen.   Dadurch wirken wichtige Passagen des Romans unehrlicher  als es der Autor beabsichtigt hat und das interessante Potential des Doppelbandes verschwindet hinter diesem Vorhang.    

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 2012 KB, 96 Seiten
  • Gleichzeitige Verwendung von Geräten: Keine Einschränkung
  • Verlag: Atlantis Verlag Guido Latz (30. März 2017)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch
  • ASIN: B06XYGS7G7