Forever and a Death

Forever and a death, Titelbild, Rezension
Donald E. Westlake

In seinem Nachwort geht der Filmproduzent Jeff Kleemann nicht nur auf seine Freundschaft zu Donald Westlake ein, sondern die beiden starken Verbindungen, welche der amerikanische Autor zum britischen Geheimagenten mit der Lizenz zum Töten unterhalten hat. In "Live and let Die" übernahm Westlake eine Komparsenrolle und für den 18. James Bond schrieb er verschiedene Treatments, von  denen nur wenige Ideen übernommen worden sind. Westlake hat aus seinen Ideen schließlich einen eigenständigen, Serien unabhängigen Roman erschaffen, der wie die erste Veröffentlichung als Hardcover allerdings mit einem an James Bond angelehnten Titelbild impliziert kein klassisches Geheimagentengarn geworden ist, sondern vor allem in der ersten Hälfte durch wechselnde Perspektiven sehr gut auf fast herkömmliche Thrillerart unterhält. 

Vor allem macht Kleemann deutlich, dass James Bond in den neunziger Jahren eben nicht die erfolgreiche Filmreihe gewesen ist, als welche sie inzwischen wieder gilt. Nach den beiden Timothy Dalton James Bond Filmen stand nicht fest, ob das zum Verkauf stehende MGM/UA Studio die Reihe noch fortsetzen wollte. Erst der überraschende Erfolg von "Goldeneye  mit Brosnan in der Rolle des britischen Geheimagenten öffnete die Tür unter anderem auch für den 18. James Bond, der schließlich zu "Der Morgen stirbt nie" werden sollte. Viele kleine Ideen wie die politische brisante Rückgabe Hongkongs an China spielen eine wichtige Rolle in diesem Streifen. Aber das abschließende Drehbuch für den Film übernimmt von Westlake vor allem die Idee einer Bedrohung der Kronkolonie und damit des Friedens in der Region wie eine chinesische Geheimagentin. 

Für die Veröffentlichung hat der Hard Case Crime Verlag in Person von Charles Ardai vor allem das Manuskript noch einmal sprachlich leicht modernisiert, aber insgesamt zehn Prozent der Handlung/ des Umfangs gestrichen oder konzentriert. Trotzdem gehört der Roman mit mehr als vierhundert eng bedruckten Seiten zu Westlakes umfangreichsten Büchern, was sich vor allem an einigen Stellen im mittleren Teil des Romans zu Lasten der Handlung, zu Gunsten der Dialoge  und wechselnden Szenen zeigt.  

  "Forever and a Death" - der Titel ist brillant und drückt viele gute Ansätze der ersten Seiten aus - ist vor allem ein ungewöhnlicher Westlake Thriller. Immer wieder hat der Autor sich eher auf den Schattenseiten des Lebens wohl gefühlt und mindestens halbseidene Protagonisten entwickelt, der minutiöse Pläne schließlich zum Scheitern verurteilt worden sind. Ein wichtiger Schwerpunkt liegt auf den Schultern eines Ingenieurs, der sich anfänglich als Retter einer Umweltaktivistin, schließlich mit einer Mischung aus Instinkt und guten Thrillern gegen die weit reichende Organisation des natürlich reichen wie fanatischen Antagonisten durchsetzen muss. Der große Unterschied zu vielen James Bond Filmen liegt in der fast zu einfachen Tatsache begründet, dass der Schurke seinen Plan im Off den Lesern, aber nicht seinen Gegenspielern offenbart. Westlake ist ein zu routinierter, zu guter Autor, als das er deswegen den Spannungsbogen unterminiert oder sich ablenken lässt.  

 Die Grundzüge des gigantischen Anschlags werden auf den ersten Seiten technologisch entwickelt und wie erwähnt auch umfangreich vorgestellt. Das Motiv ist klassische Rache, wobei der Tätern sich weder die Hände schmutzig macht noch das er die eigentlich Verantwortlichen angreift. Sein Ziel ist Hongkong, die Metropole, in welcher er seinen Reichtum sich erarbeitet hat, aus welcher er aber durch die Machtübergabe auch vertrieben worden ist.

 Interessant ist, dass Westlake für seinen Roman die Grundstruktur der James Bond Romane relativiert und vor allem modernen Zeiten auch angepasst hat. Es gibt zwar einen subversiven Schurken, der mit einer Mischung aus Gier – wenn sein Plan funktioniert, wird sein wankender Konzern wieder liquide sein – und Rachsucht – er will es den Chinesen zeigen – vorgeht.  

Seinen Plan setzt er in Stufen um. Obwohl die Details erst im Laufe des Romans klar werden und sich Westlake in dieser Hinsicht auch bedeckt hält, erscheint es interessant, dass die Strukturen und vor allem der Antagonist mit seinen Helfern im Grunde nach den ersten vier/ fünf Seiten bekannt sind.  Vor allem weil es sich im Grunde um einen Psychopathen handelt, der gleich zu Beginn einen Menschen hilflos sterben lassen will, weil es seinen Plänen hilft, später direkt Mordaufträge erteilt und mit seiner Mischung aus Schauspieler im Geschäftsbereich und von Rache getriebenen Egomannen von Westlake auch erstaunlich zurückhaltend ohne die Exzentrik  charakterisiert wird, die Ian Fleming in seinen Büchern so sehr geliebt hat.  

Als Gegenspieler führt der Autor im Grunde zwei Charaktere ein, von denen einer sogar für fast einhundertfünfzig Seiten anscheinend an der Seite des Antagonisten sogar handlungstechnisch verschwinden kann.  Der erste „Feind“ gehört zu einer Gruppe von drei Umweltaktivisten. Er scheint mit dem Baulöwen eine persönliche Rechnung begleichen zu wollen, die als doppelte Ironie ebenfalls auf dem Motiv der Rache über die Umweltinteressen basiert. Dass es sich bei dessen Folgerungen um ein Missverständnis handelt und er von nicht korrekten Ausgangspositionen ausgeht, ist eine interessante Doppelung anderer Ereignisse in diesem Buch.

Westlake ist sich auch nicht zu schade,  „Helden“ brutal zu foltern und zu töten.  Während der erste Antagonist teilweise auch wie eine Karikatur erscheint, ist der junge und brillante Ingenieur Richard Manville deutlich klassischer nach dem Heroenmuster skizziert worden. Er arbeitet für den Schurken. Seine Erfindung – mittels eines konzentrierten Wassergemischs soll Beton eingeschmolzen werden -  ist brillant und wird auf einer der zahllosen Koralleninseln mit Altlasten aus dem Zweiten Weltkrieg umgesetzt. Manville ist unbestechlich, da er eine Taucherin nicht sterben lassen will. Er stellt sich gegen seinen Boss und ignoriert eine hohe Bezahlung, weil er glaubt, dass dieser etwas Illegales plant. Sein Wissen holt er sich aus den angesprochenen Thrillern und setzt es effektiv bis rücksichtslos um.  Auch wenn er immer wieder seine emotionale wie weiche, ein wenig klischeehaft beschriebene Seite zeigt, erinnert Manville in den wenigen Actionszenen auch an den Geheimagenten mit der Lizenz zum Töten. Nur das Westlake sich den Luxus erlaubt, ihn für die angesprochenen mehr als einhundert Seiten aus der Handlung zu nehmen.

Die Umweltaktivistin und anfänglich schwer verletzte Taucherin ist Kim. Jung, intelligent, attraktiv, entschlossen… eine moderne Bondfreundin.   Während sie anfänglich eher passiv ist, taut sie im letzten Drittel des Buches ein wenig auf. Ohne Eigeninitiative ist sie eher Zeugin der Polizei gegenüber als die Agentin/ Partnerin, welche Westlake zumindest in den im Nachwort besprochenen Entwürfen für den James Bond Film angedacht hat.  Natürlich muss eine Liebesgeschichte eingebaut werden, auch wenn Westlake bis auf die schwülstige Erotik in Form eines Kusses  verzichtet.  Nur während der Schlusskapitel ähnelt sie einer aktiven Frau der achtziger und neunziger Jahre und weniger einem klischeehaften James Bond Beiwerks.

Der zugrundeliegende Plot erinnert wie einige Kritiker angesprochen haben auf den ersten Blick nicht an einen James Bond Roman oder Film, sondern einen herkömmlichen Thriller mit einer allerdings interessanten Großer-Coup- Idee. Das ist nur bedingt richtig, denn Westlake orientiert sich eher an den Ian Fleming Romanen und ein wenig auch an den ersten James Bond Filmen. Auch wenn seine Handlanger weniger exzentrisch und pervers sind, erinnert Curtis an eine seltsam eindimensional modernisierte Inkarnation  Goldfingers. Seine Grundidee ist dabei eine Variation des Coups, denn der Schurke im dritten James Bond Streifen versucht hat. Technologisch auf dem neusten Stand mit einer Idee – ein besonderer Stoff löst in Verbindung mit Wasser Beton wieder auf und ermöglicht so erstaunlich umweltschonend eine Rekultivierung -  handelt es sich um einen geradlinigen Plot, in dessen Verlauf allerdings die Polizei genauso eingreift wie schließlich aus dem Nichts heraus der Protagonist wieder in einem der entscheidenden Momente auftaucht. Und das Ende entspricht zynisch fatalistisch manchem James Bond Thriller.     

Die Kulisse ist exotisch.  Der Handlungsbogen streift sowohl die Korallenatolle vor der australischen Küste, die Kronkolonie selbst und schließlich Hongkong. Ein Teil der Handlung spielt  unter den angeblich so Megareichen und ihren Spielzeugen. Die Figuren sind mindestens solide bis pragmatisch charakterisiert worden. Der Handlungsfluss des Plots ist eher ambivalent. Nach einem soliden Auftakt konzentriert sich Westlake zu sehr auf einzelne, von Dialogen getragene Szenen, welche die zugrundeliegende Handlung nicht unbedingt vorantreiben, zumal sich während der bodenständigen Verfolgungsjagden und Zufälligkeiten einige der Antagonisten auch nicht sonderlich intelligent anstellen. 

„Forever and a Death“ ist ein interessantes, aber nicht gleich in die Geheimagentenschublade zu packendes  Buch, das wie ein klassischer James Bond allerdings ohne Bond auskommen muss. „Colonel Sun“ oder die Bücher von John Gardner könnten hier eher zu Vergleichen herangezogen werden. Es ist eine doppelte Ironie, dass die Protagonisten am Ende des Buches vor allem die Schätze der Kommunisten retten wollen und müssen.  Das passt eher zu Westlake als zur Agentenserie.  

June 2017

Hard Case Crime
ISBN: 978-1-78565-423-7

456 Seiten
Cover art by Paul Mann

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