Edgar Wallace- die neuen Fälle Band 2 "Die goldenen Mönche"

Titelbild, Wallace, Rezension
Dietmar Kügler

Bei „Die goldenen Mönche“ handelt es sich um den zweiten Sammelband der sechsteiligen Jugendbuchreihe aus den achtziger Jahren, in denen Inspektor Pommery besondere Fälle lösen kann, weil er Ideen aus seiner kontinuierlichen Lektüre der Edgar Wallace Geschichten bezieht. Der Untertitel „Die goldenen Mönche“ bezieht sich auf die dritte Geschichte, die dann allerdings keinen einzelnen Namen mehr hat. 

 Ausgestattet mit einem schönen, auffälligen und nicht mehr der bieder Jugendbuchausgabe entsprechenden Titelbild präsentieren sich insbesondere für Jugendlektüre der achtziger Jahre die drei Fälle nicht nur kurzweilig intelligent geschrieben, sondern erstaunlich spannend. Die statische Auflösung im Kapitel „Weiß Edgar Wallace rat?“ ist nicht mehr zwingend, sondern vor allem der erste Fall „Die Affenmenschen“ ist sehr viel fließender aufgebaut, wobei die dem Leser bekannten Ausgangsprämissen sich bei „Die Affenmenschen“ und „Der Überfall“ überschneiden.

 Vor allem „Die Affenmenschen“ wirkt sogar wie eine Hommage an Sherlock Holmes. Ein Zug und eine Bank werden kurz nacheinander von Affenmenschen überfallen. Die beiden die beiden Teile eines afrikanischen Staatsschatzes inklusiv Krone und Zepter gestohlen, welche das britische Imperium auch nicht auf gänzlich legalem Wege sich verschafft hat. Pommery wird von seinem Vorgesetzten immer wieder gedrängt und angesichts der Affinität zu Edgar Wallace auch ein wenig bloß gestellt.

 Wie alle anderen Abenteuer ist der Fall ausgesprochen stringent aufgebaut. Es gibt keinen Verdächtigen, aber zumindest einige lockere Spuren. Eine Überführung der Täter findet auf zwei Handlungsebenen statt. Auf der einen Seite sind entsprechende Bezüge zu Wallace Romanen wie in diesem Fall „Das Verrätertor“ eingebaut, welche ein Wallace Fan zwischen den Zeilen erkennen kann, die aber nicht unmittelbar dem Lösungsaufbau im Wege stehen. Zusätzlich gibt es einen roten Faden, einen potentiellen Verdächtigen. „Die Affenmenschen“ wird noch um eine weitere Komponente bereichert. Pommery rückt den Tätern zu nahe auf das buchstäbliche, aber künstliche Fell, so dass sie gezwungen sind, einen Inspektor zu entführen und so Druck auszuüben, die Untersuchungen einzustellen.

 Das Ende ist kurzweilig und kompakt, wobei wie bei einigen Edgar Wallace, aber vor allem auch vielen Sherlock Holmes Geschichten ein Mann im Hintergrund mit seinem nicht immer einfach zu entscheidenden persönlichen Schicksal enttarnt werden muss. Vor allem direkte Anspielungen wie in diesem Fall auf „Das Verrätertor“ führen zur Versuchung, auch Pommery persönliche Lösungshilfe noch einmal oder zum ersten Mal zu lesen.       

 Am Ende der zweiten Geschichte „Der Überfall“ begegnet Pommery auf sehr ungewöhnliche Art und Weise seinem Idol Edgar Wallace. Ein wenig konstruiert, aber effektiv. Es erscheint unwahrscheinlich, dass Edgar Wallace in London lebend nicht von einem so erfolgreichen Inspektor gehört hat, der seine Romane als Vorbild für die eigenen Ermittlungen genommen hat. Trotzdem ist diese Begegnung interessant am Ende eines leider teilweise mechanisch erscheinenden Falls platziert, der neben dieser Szene auch noch einen überfallenen Bankboten präsentiert, der angeblich von Pommery höchst persönlich ausgeraubt worden ist.

 In London werden eine Reihe von Bankboten von toten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens wie Admiral Nelson ausgeraubt. In einer zweiten Welle kommt es sogar zu Einbrüchen bei bestimmten Personen, die ebenfalls mit den entsprechenden Banken zu tun haben. Anscheinend verkleidet sich die Bande dieses Mal nicht als Affenmensch mit Zugriff auf einem Kostümfundus wie im ersten Fall, sondern scheint über derartig authentische Verkleidungen und vor allem Maskierungen zu verfügen, dass Pommery mit dem Leiter des weltberühmten Wachsfigurenkabinetts der Madame Tussaud Kontakt aufnehmen muss, um der Spur der Bande zu folgen.

 Wieder muss die Bande einen kleinen Fehler machen, damit Pommery Ermittlungen inzwischen auf Augenhöhe von seinem ebenfalls Edgar Wallace lesenden Assistenten begleitet in Schwung kommen. Ein Fund führt zum ersten Versteck der Bande und mit dieser ersten Hürde genommen fällt der Fall relativ schnell zusammen. Hinzu kommt, dass der Kopf hinter den Verbrechern grundsätzlich und bislang immer ein Charakter ist, der mehr oder minder negativ auffallend Pommerys Ermittlungen entweder begleitend oder manchmal auch stark gestört hat.

 Während der grundlegende Fall also eher mechanischer Natur und an zwei weitere Edgar Wallace Romane angelehnt erscheint, überrascht der Plot durch die stilistischen wie inhaltlichen Exzesse. Die Begegnung von Edgar Wallace mit Pommery ist genauso unterhaltsam wie die Vorbereitung des Lesers, aber nicht des Inspektors auf die Tatsache, dass jemand ihn persönlich zum Narren und damit zum Täter auserkoren hat, um die Ermittlungen zu behindern. In „Die Affenmenschen“ war es ja die Entführung des Kollegen, um weitere Ermittlungen zu verhindern. Gegen Ende des Falls hat der Leser das Gefühl, als ginge es Pommery gar nicht mehr nur um die Ergreifung der Täter mittels Edgar Wallaces natürlich stetig passender Hilfe, sondern als wolle er den Namen des britischen Imperiums immer wieder reinwaschen.    

 Auch der letzte Fall folgt dem bekannten Muster. Dieses Mal wird aber ein mystischer Auftakt mit den in einer Abtei singenden und sich verkleidenden Mönchen mit den goldenen Masken hinzu gefügt. Ein geistig zurück gebliebener Junge beobachtet das Treiben. Anschließend nach diesem Prolog kommt es zu einer Überblendung nach London, wo Pommery mehr und mehr mit Fluten von Falschgeld zu tun hat. Das Vertrauen der Öffentlichkeit wird erschüttert und Scottland Yard kann nicht feststellen, wie das Geld in Umlauf gebracht wird. Rückblickend greift der Autor in diesem abschließenden Fall sogar auf drei Edgar Wallace Quellen zurück, die Pommery natürlich alle kennt und mit einigen Querverbindungen positiv interpretieren kann. Auch wenn der Kopf der Verbrecherbande wieder einer der handelnden Protagonisten ist und rückblickend der Autor den Hang dafür hat, diese geheimnisvollen Anführer in wichtigen Positionen zu zeichnen, erweitert er das Spektrum mit einem fiktiven Angriff auf eines der Opfer.

In ländlicher Atmosphäre kann Pommery vor allem auf sein Gedächtnis vertrauen, als er einem ehemaligen Berufsverbrecher und Panzerknacker begegnet oder an einer anderen Stelle einen nervösen ehemaligen Gefängnisinsassen beim Verbreiten von Falschgeld erwischt. Durch diese beiden Schlüsselbegegnungen inklusiv einer wichtigen Zeugenbefragung – der Kreis zum Prolog wird geschlossen – ist der Fall relativ schnell gelöst.

Interessant ist das Motiv des Verbrechers, der in James Bond Manier Einfluss und Macht gewinnen möchte. Zwar gibt es auch hier einen Querverweis zu Edgar Wallace, aber die Art und Weise des Vorgehens ist interessant.

Neben der Verteiler der Blüten über Berufsverbrecher, die absichtlich erpresst worden sind, erfolgt der zweite Verteilungskanal durch die Banken. Die Verbrecher sind nur Manövriermasse.

Auch wenn die Schemata sich spätestens mit diesem dritten, in der gesamten Serie sechsten Fall zu sehr verfestigt haben und die ständige Wiederholung, dass man von Edgar Wallace das Denken der Verbrecher erlernen kann, Pommerys Umgebung weiterhin skeptisch ist und sich für jeden Fall in mindestens einem Edgar Wallace eine Lösung finden lässt, lesen sich die Abenteuer ausgesprochen kurzweilig und sie sind nicht zuletzt durch die atmosphärischen Hintergründe und die vielschichtige Zeichnung der Figuren mit dem zugänglichen Pommery als Identifikationsfigur insbesondere für Jugendbücher ernsthaft und unterhaltsam zu gleich mit Respekt gegenüber seinen Lesern geschrieben worden.

Bei der BLITZ Neuausgabe ist nur zu bemängeln, dass es keine Hinweise auf die Originale gibt und das der Titel mit den neuen Abenteuer Edgar Wallace verwirrend ist. Es sind gänzlich unabhängige Fälle, die aufgrund ihrer Ähnlichkeiten zu Edgar Wallaces Romanen gelöst werden können.  

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www.blitz-verlag.de

Taschenbuch, 160 Seiten

Künstler: Rudolf Sieber-Lonati
Künstler (Innenteil): Rudolf Sieber-Lonati

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