Der Übergang

Der Übergang, Titelbild, Rezension
Gerd Frey

Publikationstechnisch ist Gerd Frey vor einigen Jahren entstandener Roman ein Zwitter.  Das E Book wird noch vom Knaur Verlag bis zum 01.04.2019 vermarktet, anschließend in der für das Taschenbuch vorliegenden gründlich überarbeiteten Fassung auch von Michael Haitels P Machinery Verlag angeboten.

Inhaltlich ist der mit einem optisch sehr schönen Titelbild von Lothar Bauer  versehene Roman eine relativ bunte Mischung aus bekannten Prämissen, die Gerd Frey vor allem im letzten Abschnitt des Buches zu verfeinern beginnt.   Vieles wirkt aus anderen Büchern bekannt und doch ist aus diesem Mosaik etwas Neues, etwas Lesenswertes und vor allem auch wegen der vorhandenen Kompaktheit Interessantes entstanden.

Der Auftakt ist Legion. Bücher wie inzwischen auch einige Kinofilme haben mit dieser Idee gespielt.  Oliver Murray erwacht an Bord des  Kolonistenraumschiffes  „Dali“ aus dem künstlichen  Kälteschlaf.  Natürlich hat das Raumschiff nicht sein Ziel erreicht.  Er ist alleine, orientierungslos.  Während er durch das Schiff geht, findet er eine Leiche. Die Schiffsfunktionen sind ausgefallen, sein Überleben an Bord des Raumschiffs im Nichts ist nicht sichergestellt. 

Ohne eine große Einführung und vor allem auch ohne weitschweifige Beschreibungen werden Oliver Murray und der Leser in das Geschehen geworfen. Die technischen Aspekte sind auf das Rudimentärste konzentriert, nicht selten lässt Gerd Frey sein Zukunftsszenario für sich sprechen und verzichtet auf Ablenkungen. 

Auch der nächste Schritt erscheint noch bekannt.  Murray trifft tatsächlich auf zwei weitere  Überlebende.  Sie geben ihm fehlende Informationen, der Leser erfährt sie im gleichen Augenblick wie der Protagonist. Die „Dali“ hat während des Flugs ein fremdes Signal empfangen und die Route unterbrochen. Im All hat man tatsächlich ein außerirdisches Raumschiff gefunden.  Ein Tunnel wurde angelegt und Mitglieder der Crew – darunter auch Murrays Ehefrau Kira – sind an Bord des Raumschiffs gegangen und dort verschwunden. 

Dieser zweite Szenarienschritt könnte ebenfalls klischeehaft erscheinen.  Nicht nur aufgrund der Statur der Fremden wirken einzelne Szenen wie eine Hommage an die „Alien“ Filme, ohne dass deren signifikante Bedrohungen eins zu eins kopiert werden.

Ohne Frage ist das Ausgangsszenario spannend und dramaturgisch gut beschrieben. Gerd Frey versucht die bedrückende Atmosphäre durch  Exkurse in die innere Welt seiner wenigen Protagonisten zu relativieren. Auch die Idee einer virtuellen zweiten „Spielebene“, welche Ablenkung und Entspannung anbieten soll, ist zwar nicht neu, aber mindestens zielführend eingesetzt. Anfänglich irritieren diese nicht im Vorwege erkennbaren Wechsel, aber rückblickend dienen sie einem gemeinsamen Ziel. 

Rückblickend ist diese virtuelle Ebene genauso wichtig wie die eher pragmatisch  und mit zu wenigen Emotionen beschriebenen  Situationen, die Murray und Kira schließlich dazu veranlasst  haben, die Erde zu verlassen und an Bord des Raumschiffs  zu gehen. Die Motivation der einzelnen Protagonisten ist nachvollziehbar, wirkt aber auf der anderen Seite auch eher wie ein Klischee. Es ist schwierig in diesem Bereich, wirklich  Neuland zu betreten, aber wie bei der Charakterisierung  seiner wenigen Nebenfiguren und deren emotionalen  Beziehungen bleibt Gerd Frey hinsichtlich Murrays Vergangenheit sehr oberflächlich und steht sich im Grunde mit seinem distanzierten, sehr sachlichen und tempotechnisch auch sehr gleichförmigen Erzählstil ein wenig zu stark im Wege. 

Mit den Begegnungen im Raumschiff erweitert  der Autor die Handlung.  Während die virtuellen Welten bislang nur eine Art Übergang zwischen der Realität und der überlebensnotwendigen Wunschvorstellungen der einzelnen Protagonisten gewesen sind,  baut der Autor eine Art kosmische Überebene beginnend mit dem Stranden auf einer fremden Welt in den Spannungsbogen ein. Diese Vorgehensweise hat Vor-, aber auch Nachteile.

Vielleicht steht er sich sogar mit der Avatarwelt – der virtuellen Realität – und allen vorhandenen Figuren im Wege. Mit diesem Daten OZ schränkt Gred Frey die Exotik der Außerirdischen deutlich ein.  Es könnte der erste Schritt sein, den Andere wie die letzten Seiten zeigen schon gemacht haben. Positiv ist, dass Gerd Frey die Erklärungen mehr und mehr zurückfährt und den Text sich selbst entwickeln lässt. Negativ ist, dass er teilweise zu ambivalent mit diesen wichtigsten Passagen umgeht und einige der Erkenntnisse sich zu stark in zu unterschiedliche,  vielleicht sogar gänzlich konträre Richtungen erklären lassen, ohne das ein abschließendes Urteil möglich ist. Wenn der Klappentext von Vorbildern wie „2001: odysee im Weltraum“ oder „Solaris“ spricht, dann liegt die Meßlatte vor allem hinsichtlich der Entwicklung der Menschen sehr hoch.  Spontan könnte auch Crichtons nicht gänzlich befriedigender verfilmter Thriller „Sphere“ genannt werden, um einige der durchaus vorhandenen Schwächen des Romans auch anzusprechen. 

Der größte Nachteil ist die Erwartungshaltung der Leser hinsichtlich des Hintergrunds. Ein Raumschiff ist eng, eckig, kantig, dunkel, gefährlich und dem unwirtlichen All ausgesetzt. Wenn dann noch ein Alienschiff wie ein Klotz am Bahn verbunden mit einer Art Nabelschnur draußen dran hängt, handelt es sich um Spannung pur, welche der Autor auch ausgesprochen sachlich und distanziert transportiert.

Eine fremde Welt ist schwieriger zu definieren.  Wolf Welling hat das ungewöhnlich überzeugend in seinem Roman „Die Wächterin“ auf eine rudimentärste und trotzdem spannende Spitze gebracht. Gerd Frey versucht gar nicht erst diesen Weg zu gehen, sondern konzentriert sich in dem wichtigen Abschnitt der First  Contact Story auf den nächsten Schritt. Hier erinnert einiges an die Überzivilisationen, welche nicht nur die erste „Star Trek“ Fernsehserie in unterschiedlichsten Formaten immer wieder gerne ins Spiel gebracht hat, auch die Idee des nächsten Schritts der gegenwärtigen Science Fiction wird sehr stark komprimiert und vor allem fokussiert angesprochen.

Der Titel „Der Übergang“ suggeriert  es  förmlich. Die wenigen Überlebenden werden von der einen Zustandsform in eine andere vielleiht nur idealisierte Form übergehen oder um es wie im Buch aktiv zu formulieren, übertreten.  Der Untertitel spricht sperrig  von „Transition & Evolution 2.0“. Er ist im Grunde unnötig. Natürlich verändern sich vor allem die Menschen, die abschließend einer gänzlich fremden Lebensform begegnen, welche die Grundstrukturen des Daseins allerdings auch zweckmäßiger Notwendigkeit – um ein weiteres SF Klischee zu bemühen – verlassen haben.  Da auch die überlebenden Besatzungsmitglieder der „Dali“ vor entsprechenden Entscheidungen stehen, handelt es sich mehr um die Transition als auch die Evolution bei ihnen. Die Aspekte sind solide, wieder ein wenig distanziert, aber nachvollziehbar beschrieben worden.

Vor allem wieder sehr positiv verzichtet der Autor auf einen unnötigen Epilog, welcher die beschriebenen Ereignisse wieder hinterfragen könnte.  Zu Beginn ist „Der Übergang“ deutlich stärker,  weil Gerd Frey Versatzstücke der Science Fiction durchaus frech,  modern, ein wenig verfremdet erzählt,  am Ende präsentiert er eine folgerichtige, aber in ihrer Tragweite zu hektisch;  zu wenig sich selbst tragende Lösung,  die positiv viele Fragen offen und den Leser spekulieren  lässt,  auf der anderen Seite aber auch ohne einen abschließenden zündenden Funken auskommen muss.

„Der Übergang“ ist ein solider Science Fiction Roman, der auf einem guten Genrefundament aufbaut, aber auch sehr gerne auf einzelne verfremdete Ideen der  Science Fiction zurückgreift.                

AndroSF 91
p.machinery, Murnau, Juni 2018, 186 Seiten, Paperback
ISBN 978 3 95765 135 8