Der verratene Planet

Derr verratene Planet, Titelbild, Rezension
D. Nolan Clark

“Der verratene Planet“ ist der Auftaktroman der „Silence“  Duologie oder Serie aus der Feder des Amerikaner D. Nolan Clark.  

 Vielen Horrorfans wird der Autor unter dem Namen David Wellington besser bekannt sein. Seine Vampir und Zombie Geschichten sind leider nicht abschließend im Piper Verlag vor einigen Jahren veröffentlicht worden. Wellington zeichnete ein pragmatischer Plotaufbau mit guten Dialogen,  spannenden Actionszenen und einigen neuen Ideen für die jeweils überbeanspruchten Horrorthemen aus. Da seine ersten Romane auf der eigenen Homepage veröffentlich worden sind, bevor ein Verlag ihn unter Vertrag genommen hat, konzentrierte sich der Autor beim Aufbau dieser Arbeiten auf einen klassischen Höhepunkt oder Cliffhanger am jeweiligen Kapitelende, um den Leser bei der Stange zu erhalten.

Als D. Nolan Clark agiert der Autor deutlich anders. Neben dem Umfang der jeweiligen Bücher -  jeweils mehr als siebenhundert Seiten –legt er auf eine langsame Strukturierung des Plots nach einem nicht unbedingt originellen – Erinnerungen an die neuen Star Trek Filme kommen unwillkürlich auf - , aber intensiven Auftakt wert. Diese Vorgehensweise geht teilweise zu Lasten der Lesbarkeit des ganzen Buches, da alleine die ausführlichere Charakterisierung der einzelnen Protagonisten nicht ein Konzept unterstützen kann, das dem Leser aus „Die sieben Samurai“ und entsprechend dem amerikanischen „Remake“ „Die glorreichen Sieben“ so bekannt erscheint.  Natürlich sind es nur sechs Helden, die gegen unmögliche Wahrscheinlichkeiten in die Schlacht ziehen, aber die Zielrichtung ist sehr früh zu erkennen.

Elder McRae und Roan sind die Mexikaner oder japanischen Bauern. Waghalsig lassen sie sich an Bord eines Frachters zur nächsten Raumstation befördern, um neben einem auch auf ihrer Kolonialwelt Niraya Bergbaukonzern auch die Erdregierung zu informieren.  Die Bewohner der Welt sind nicht nur Pazifisten, sondern Mitglieder einer besonderen Religionsgemeinschaft. Klassische Opfer wie die japanischen und mexikanischen Bauern. Im Gegensatz zu den Banditen aus den entsprechenden Filmen bedrohen sie Außerirdische. Die erste Invasion konnte noch unter großen Opfern durch das Sprengen eines Atomkraftwerkes abgewendet werden, aber im All lauern in der Nähe des Systems weitere Raumschiffe.

An Bord der Station werden sie von dem skrupellosen Offizier Maggs betrogen. Nur das Eingreifen des ehemaligen Kriegshelden Aleister Lanoe und dem als Hafenmeister arbeitenden Tannis Valk- ebenfalls ein früherer sehr guter Flieger, dessen Körper fast vollständig verbrannt ist und der ständig einen Schutzanzug tragen muss – erhalten sie ihr Geld zurück und Lanoe erfährt von ihrem Leid. Er macht ihnen keine Hoffnung, dass sich irgendjemand für deren Schicksal interessiert. Die Kosten sind zu hoch für die wenigen Siedler.
Eine interessante Prämisse, die kritisch gesprochen inklusiv des entsprechenden Endes aufzeigt, dass D. Nolan Clark sich erstens zu sehr an die Vorlagen gehalten hat und das ihm zweitens das Gespür für das Science Fiction Genre noch fehlt.  Bei Bauern in einem abgeschiedenen Dorf ist diese  fatale Kostenutzenrechnung zu verstehen. Aber hier handelt es sich um die - wie mehrmals betont wird - erste Begegnung mit außerirdischem Leben. Und diese Fremden sind auch noch Invasoren, anscheinend technologisch mindestens gleichwertig, wenn nicht gar überlegen. Auch wenn die menschliche Flotte weit verstreut und die durch die zahlreichen Kriege ausgedünnt ist, erscheint es unglaubwürdig, dass niemand auf eine derartige Gefahr reagieren würde und alleine sechs Krieger übrig bleiben, von denen einer nicht einmal ein ausgebildeter Soldat ist.

Damit „Der verratene Planet“ funktionieren kann, muss der Leser diesen Ansatz akzeptieren. Fast die ganze erste Hälfte des Buches geht für die Rekrutierung der „glorreichen Sechs“ drauf.

Neben Lanoe und dem ambivalenten, aber sehr interessant beschrieben Valk besteht die Gruppe aus vier weiteren Freiwilligen. Der Betrüger und Dieb Maggs wird vor die Wahl gestellt, sich dem Kampf anzuschließen oder den Behörden übergeben zu werden.  Er entscheidet sich für das kleinere Übel, was im Umkehrschluss bedeutet, dass in der kleinen Gruppe von Beginn Ärger herrscht. Auch hier stellt sich die Frage, ob der erfahrene Lanoe so naiv sein kann, einen Kriminellen aufzunehmen und dann eher frei agieren zu lassen. Zumindest macht D Nolan Clark aus dem ehemaligen Schurken keinen sich selbst opfernden Helden, aber an einigen wichtigen Stellen gegen Ende des Handlungsbogens muss der Leser schulterzuckend auch davon sprechen, dass Lanoe selbst Schuld hat.

Zu Beginn verfolgte Lanoe einen jungen Mann namens Thom nicht nur durch ein Wurmloch, sondern in gefährlicher Nähe der Station.  Thom hat sein Raumschiff gestohlen und einen Mann umgebracht. Es gibt aber in diesem Fall für den Leser verständliche Erklärungen und wenn Thom schließlich den Horst Buchholz macht, dann ist es nachvollziehbar. Seine Historie ist eine der wenigen wirklich originellen Passagen des Romans. Neben dem Marinesoldaten Ehta – der Robert Vaugh dieser Serie – heuert er auch seine ehemalige Flamme Bettina Zhang an.

Im Gegensatz zu den mehrfach erwähnten Filmen gibt es drei Liebegeschichten parallel, wobei natürlich am Ende die persönlichen Gefühle dem Heroismus der finalen (da es eine Serie ist, auch  vorläufigen) Auseinandersetzung weichen muss.  Schon David Wellington hat emotionale Szenen eher mechanisch distanziert beschrieben, D Nolan Clark ist in diesem Punkt keinen entscheidenden Schritt weiter. Der Amerikaner lebt von seiner durch Action getriebenen Dynamik und von der Tatsache, dass er nicht unbekannte Geschichten einfach kurzweilig neu erzählen kann.  Aber nicht unbedingt von wirklich dreidimensionalen Protagonisten.

Interessant ist aber, dass die einzelnen Geschichten der Protagonisten, teilweise im Vorbeiflug gleich zu Beginn des  Abenteuers erzählt, zu den besten Passagen des ganzen Buches gehören.  Immer ein wenig am Rande des  Klischees mit der aufgelösten Einheit, den toten Kameraden und den verklärten Erinnerungen an die goldenen Zeiten gelingt es D. Nolan Clark, das Interesse an den folgenden Mission zu wecken.

Die Actionszenen sind anschließend sehr gut beschrieben und teilweise auch spannend. Im Gegensatz zu vielen anderen Military Science Fiction Autoren beherrscht D. Nolan Clark die Dreidimensionalität des Raums und nutzt diese bei den einzelnen Raumschlachten aus. Auch die Informationen über die Fremden können über lange Strecken überzeugen, auch wenn der Autor hier in die Ideenkiste des  Genres final greift.

Die Details sind originell und überzeugend, aber das Gesamtkonstrukt mit der Maschinenintelligenz, dem potentiellen Missverständnis und dem potentiellen Kontaktversuch erscheint zu vertraut.

Aber um seinem Ruf alle Ehre zu machen,  zieht D. Nolan Clark gegen Ende das Tempo der Story wieder deutlich an und präsentiert einen rasanten Höhepunkt mit zahlreichen Opfern, aber auch einer Idee, das der „Tod“ nicht das Ende sein muss.

Das größte Problem des Romans ist die grundlegende Struktur. Der Handlungsbogen wird zu sehr aufgespalten und nach dem guten Auftakt sowie vor dem rasanten Ende passiert im Grunde viel zu wenig. Der Roman hätte um rund 200 Seiten gekürzt werden können, um die Struktur und vor allem innere Dynamik mit einer kontinuierlichen Temposteigerung der David Wellingtons Storys zu erreichen. Dadurch wird aus einem direkt wie indirekt bekannten, aber zumindest spannenden Serienauftakt teilweise ein zu zäher Brei, der sich dahin schleppt als durch die Tiefen des Alls zu gleiten.