Conan, der Cimmerier Band 3: Jenseits des schwarzen Flusses

Mathieu Gabella & Anthony Jean

Es empfiehlt sich auch im dritten Band der „Conan“ Adaptionen „Jenseits des schwarzen Flusses“ zuerst in das informative, aber auch frei interpretierende Nachwort schauen. Im Oktober 1934 mit einer Veröffentlichung ein Jahr später ist diese wahrscheinlich seltsamste „Conan“ Geschichte an „Weird Tales“ verkauft worden. Robert E. Howard hat sie innerhalb von zwei Monaten verfasst. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Texaner nicht mehr in einer wirtschaftlichen, sondern eher in einer emotionalen Krise, wie auch sein autobiographischer, beim EDFC veröffentlichter Roman zeigt. Howard suchte nicht mehr das Geld, sondern literarische Ehre. Auf der anderen Seite ermöglichte es der Erfolg der „Conan“ Geschichte, lange Jahre vorher geschriebene Geschichten zum ersten Mal zu veröffentlichen.

 „Jenseits des schwarzen Flusses“ ist natürlich auf der einen Seite eine Frontiergeschichte. In diesem Punkt hat Patrice Louinet Recht und Unrecht zu gleich. Im Grunde hat er nur wenig Recht. Howard hatte schon in den zwanziger Jahren Westerngeschichten geschrieben, die eben in den dreißiger Jahren erst publiziert worden sind. Meistens handelte es sich eher um klassisch heroische Groschenheftstorys mit menschlichen Helden nicht selten mit dunkler Vergangenheit, einem typischen Konflikt und schließlich einer Liebesgeschichte. All das ist „Jenseits des schwarzen Flusses“ nicht. Niemand könnte weit weg sein als Howard bei einem Vergleich mit den Texten eines Robert W. Chambers.

 Viel mehr gliedert sich die Geschichte der verzweifelten Gegenwehr gegen die sich vereinigenden Pikten in den Kanon von blutrünstigen historischen Storys ein, die Robert E. Howard vermehrt verfasste. Die abgeschlagenen Köpfe, die blutigen Auseinandersetzungen und die konsequent nihilistische Atmosphäre ist eine konsequente historische Weiterentwicklung seiner Horrorgeschichten, im Grunde mit einem aus der Zeit gefallenen „Conan“.

 Aus heutiger Sicht beschwören Autor Mathieu Gabella und sein Zeichner Anthony Jean aber noch einen anderen, echten Klassiker der Literatur. „Der letzte Mohikaner“ in der cineastischen Adaption von Michael Mann. Der Überfall auf der Fort erinnert an die Schlüsselszene in dem Film. In beiden Werken schleicht der Held vom Schlachtfeld weg, weil er weiß, dass er hier nicht mehr helfen kann. Andere Menschen, unbewaffnet und hilflos sind wichtiger.

In beiden Arbeiten kommt es schließlich zur finalen Auseinandersetzung, in welcher die Barbarei über die Menschlichkeit siegt. „Der letzte Mohikaner“ opfert sich für eine Frau, bis auf den Erzähler sterben in „Jenseits des schwarzen Flusses“ als zivilisierten Menschen. Nur der Erzähler bleibt zurück. Vielleicht der größte Unterschied zu den anderen „Conan“ Geschichten, in denen nicht selten der Cimmerier mit seinen Erinnerungen einen würdigen Rahmen für die Ereignisse bildete. Hier ist „Conan“ eine Grenzfigur, die wie in den anderen Geschichten zwar in das Geschehen nur mittelbar mit hineingerissen wird, aber zumindest so viel Mut und Ehre hat, um möglichst viele Unschuldige zu retten.

Dabei gehört er aber nicht nur mit der im erzählten fatalistischen Einstellung zu einem Zeitalter, das einen Pyrrhussieg errungen hat. Die dekadente „Zivilisation“ greift für eine kurze Zeit nicht mit ihrer Gier nach monetären Ruhm, im Grunde nach neuem Weideland nicht nach den Heimatdörfern der Pikten. Die Barbaren haben gewonnen und doch auch verloren.

 Die Pikten hinter dem neu gezogenen Grenzwall – eine Idee aus seinen im Hochland spielenden Storys, aber kein neuer Einfall für einen „Conan“ Text – vertreten eben wie „Conan“ das Zeitalter der Barbarei.

Gabellas und somit auch Howards „Conan“ ist älter, erfahrener, nicht weniger brutal, aber pragmatischer. Er ist kein Anführer, er kämpft weder für untergegangene Königreiche noch die Zivilisation. Wie alle Menschen kämpft er um das Überleben gegen die Pikten, die stellvertretend für die immer weiter zurückgedrängten Indianer stehen. Nicht umsonst erinnert das gigantische Holzfort eben nicht an das berühmte Alamo, sondern die Bauten der amerikanischen Armee im 19. Jahrhundert, mit denen sie die roten Brüder immer weiter aus ihren Jagdgründen vertrieben.

Nur gibt es bei den Pikten nichts außer gefährlichen Tieren, Sumpf und Dunkelheit zu holen. Anstatt seinen König der Pikten Brak Mak Morn die Klingen mit Conan kreuzen zu lassen, hat der Texaner den Hintergrund dieser Storys einfach im Rahmen seiner hyborischen Zeitalter verschoben. In Howards ursprünglicher Beschreibung dieses Zeitalters leben sie nämlich auf einer Inselgruppe weit im westlichen Ozean und von einer Insel ist nichts zu sehen.

Aber diese Freiheiten muss der Leser angesichts der Dynamik, der nihilistischen Atmosphäre und der Brutalität inklusiv einer morbiden Schlauheit dieser allgegenwärtigen und doch kaum zu greifenden Gegner akzeptieren.

Auch wenn Robert E. Howard zusammen mit den beiden Künstlern Gabella und Jean dem Anführer der Pikten schließlich ein Gesicht, im Grunde eine Fratze schenkt, ist das ganze Volk mit seinen primitiven Ritualen, aber auf einem perfiden Sinn für originäre Gerechtigkeit ein mächtiger, ein sehr viel interessanterer Gegner als die dürren Hexer/ Magier aus vielen anderen „Conan“ Geschichten. Auch wenn überdimensionale Schlagen und Säbelzahntiger ihre Opfer reißen, kann sich der Leser im Gegensatz zum pragmatischen Conan nie sicher sein, ob er inzwischen von dem allgegenwärtigen Irrsinn der Gewalt mitgerissen worden ist, in den zahllosen Lagerfeuern irgendwelche Halluzinationen verursachende Kräuter verbrannt worden sind oder der Verstand einfach eine tierische Erklärung für diesen übernatürlich wirkenden Feind sucht. Für Conan spielt es keine Rolle, im Kampf Mann gegen Mann, im Grunde Bestie gegen Bestie geht es nur um das Überleben.

 Zeichnerisch sehr intensiv mit einem Hang zu Details bei den Landschaften und Städten, während der Dschungel eher durch Stimmungen, durch plakative Momentaufnahmen charakterisiert wird. „Jenseits des schwarzen Flusses“ ist ohne Frage mit den oben angesprochenen Einschränkungen hinsichtlich des Gesamtwerkes Robert E. Howard und einigen aus anderen Arbeiten bekannten Versatzstücken die ungewöhnlichste „Conan“ Geschichte, deren Lektüre sich nach dem gut adaptierten Comic förmlich anbietet, um die rohe Urform dieser klassischen Story noch einmal zu genießen.

  • Gebundene Ausgabe: 64 Seiten
  • Verlag: Splitter-Verlag; Auflage: 1., (22. Januar 2019)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3962192042
  • ISBN-13: 978-3962192044
  • Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 14 Jahren
  • Originaltitel: Conan le Cimmérien
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