„Der Vigilante Effekt“ ist der zweite Roman um Mark Jediah Vigilante. Martin Kay spricht in seinem Vorwort davon, dass die Romane zwar im „Hannigan“ Universum angesiedelt worden sind, es aber nicht grundsätzlich notwendig ist, dass diesen Zyklus zu kennen. Viel wichtiger ist es , den ersten Roman „Das Vigilante Prinzip“ vorher gelesen zu haben. Die Handlung funktioniert alleinstehend auch, aber die Entwicklung der einzelnen Charaktere sowie der Hintergrund ist es im ersten Buch deutlich besser und umfangreicher erläutert worden. Während allerdings „Das Vigilante Prinzip“ vor allem ein brutaler und geradliniger Thriller um vielschichtige Geheimorganisationen ist, schleicht sich am Ende wie bei den „Hannigan“ Bücher eine Science Fiction Idee ein. Sie bildet die Grundlage für einen weiteren in Vorbereitung befindlichen „Vigilante“ Roman.
Aber Martin Kay geht fair mit seinen Lesern um, in dem er einen Handlungsstrang beendet und nur die Schockwellen in den dritten Band weitergetragen werden.
Nach dem dynamischen, später wieder aufgenommenen Auftakt dreht der autor die Uhr inhaltlich um knapp 48 Stunden zurück. Vigilante erhält von der gut vernetzten und zwielichtigen Bordellchefin Madame Dunoire den Auftrag, in Mailand nach der entführten Tochter eines Waffenmagnaten und einer Senatorin zu suchen.
Offiziell sollen keine Behörden eingeschaltet werden. Das Lösegeld beträgt immerhin 100 Millionen Dollar. Viel größer ist die Furcht, dass der Waffenhersteller vom Scorpio Kartell hinsichtlich der Pläne zu einer neuartigen intelligenten Waffe erpresst wird .
Martin Kay ist einer der Autorin, die gerne den Stein ins Rollen bringen, ihn Geschwindigkeit aufnehmen lassen und nur bedingt den Kurs korrigieren. Das kann in einigen seiner Bücher auch zu Überschlägen und kleinen Logikfehlern führen. In „Der Vigilante- Effekt“ ist die Ausgangslage im Grunde ein Klischee. Eine junge Frau aus einflussreichem wichtigem Haus wird entführt. Keine Polizei, stattdessen ein Polizist/ Spezialist, der vor allem sie befreien und weniger das Lösegeld übergeben soll.
Kaum in Mailand gelandet und ausgerüstet ahnt Vigilante, dass einiges nicht stimmt. Martin Kay wechselt die Handlungsebenen und ermöglicht so dem Leser in einigen Passagen einen kleinen Vorteil. Es handelt sich quasi um eine doppelte Entführung, zu deren Beginn Neid und Gier gestanden haben. Später wird es zum Katz- und Mausspiel zwischen nicht nur verschiedenen Bundesbehörden, sondern auch einem Black Ops Kommando.
Im Laufe der Handlung wechselt auch der Schauplatz. Mit der Verlegung ins Weiße Haus und nach Washington wird der Roman aber unterinteressanter. Das liegt weniger an Martin Kays Stils und seinem hohen Tempo, sondern in der Tatsache begründet, dass man dem Thema nach „White House Down“ und „Olympus has fallen“ kaum etwas Neues abgewinnen kann. Zwar steht nicht der Präsident im Mittelpunkt der Actionszenen, aber das Zentrum der amerikanischen Macht überfallende Kommandos mit schweren Waffen und einer rücksichtslosen Vorgehensweise im Grunde nur gegen einen Mann und eine unzuverlässige Hackerin hat man zu oft gelesen.
Dem Roman hätte wahrscheinlich für die zweite Hälfte ein anderer Hintergrund gut getan.
Unabhängig von dieser Schwäche stecken aber auch sehr viele gute Aspekte in der Fortsetzung. Mit der Hackerin als allen Seiten dienende Stimme hat Martin Kay rückblickend einen nicht nur interessanten, sondern vor allem auch ausbaufähigen Charakter erschaffen.
Martin Kay ist sich nicht zu schade, gut gezeichnete Nebenfiguren sterben zu lassen. Oder zumindest schwer zu verletzten. Dieses Szenario wiederholt sich im vorliegenden Buch vielleicht ein oder zweimal zu oft, aber es handelt sich um einen modernen Technothriller. Es gibt nur selten bis auf „Vigilante“ Helden oder Schurken in Kays Agentenserien. Grautöne herrschen vor. Das ist auch hier der Fall.
Da werden zwei Unschuldige geopfert, um Vigilante und Cheyenne zu retten. Auf der einen Seite ist es eine wirklich sehr gute Szene, die Martin Kay dann allerdings ausgesprochen schwach auflöst. Zwei Schüsse auf einem Flughafen aus einer derartigen Entfernung, dass intelligente, das Ziel suchende Munition benötigt wird. Bis Polizei und Sicherheitsbehörden das Flugzeug und die Passagiere/ Crew wieder freigeben, werden ohne Frage einige Stunden vergehen. Der Flugplatz wird abgeschirmt. Sicherer kann man sich nicht aufhalten, zumal die Attentäter ja nicht wissen können, dass ihre angeblich technisch so hochstehende unfehlbare intelligente Waffe versagt hat.
Und was macht Vigilante? Er schnappt sich das Mädchen und einen Wagen. Rast über den Flugplatz und versucht sich in der Theorie in Sicherheit zu bringen. Dabei rückt er wieder in den Fokus der Öffentlichkeit und der Attentäter. Weniger wäre in diesem Fall mehr gewesen. Aber der Leser hat das unbestimmte Gefühl, als jucke es Martin Kay bei derartigen Sequenzen einfach in den Fingern, nicht den einfachen und logischen Weg zu gehen, sondern wieder ein Feuerwerk von Actionszenen aneinanderzureihen.
Die Zeichnung vor allem der Antagonisten ist eher ambivalent. Ein oder zwei markante Züge, dann relativ rasanter Tod. Durch die verschiedenen im Grunde gesichtslosen Geheimorganisationen und nur einer relevanten Schurkin fehlt dem Roman eine ausreichende Balance.
Natürlich sind die Actionszenen wieder gut und vor allem hart geschrieben. Als eine Art literarischer Waffenfetischist hat sich Martin Kay ausreichend Spielraum genehmigt, um was verliebt, aber zu ernsthaft die neusten Handfeuerwaffen und Maschinengewehre zu beschreiben. Auch die beiden Angriffshelikopter im letzten Viertel des Buches mit ihrer perfekten Tarnung imponieren zuerst, bevor der Autor sie in Wohlgefallen auflöst.
Aber nach einigen „Hannigan“ und „Vigilante“ Romanen wünscht sich der Leser einen Tick mehr. Im ersten Band der „Vigilante“ Serie überzeugte der Stil mit dem lakonisch zynischen Unterton und einigen wirklich cleveren Sprüchen. In den „Hannigan“ Romanen ist es die auch von den Protagonisten eingestandene Verbindung zwischen Science Fiction Elementen und einer Paranoia Atmosphäre inklusiv der Zwiebelschalenverschwörung. Unter jeder Schicht schaute eine noch Gruppierung den Protagonisten stellevertretend für den Leser ins Gesicht.
Vieles wirkt im vorliegenden zweiten „Vigilante“ Band mechanischer. Es fehlt nicht an Schwung, es fehlt ein wenig an nachhaltiger Originalität. Der Plot ist ohne Frage kompakt und konzentriert erzählt, aber der Funke will nicht gänzlich überspringen. Das stimmt nicht ganz, mit dem Epilog entwickelt der Autor eine Idee, die überzeugender ist als viele Passagen des ganzen vorliegenden Romans und präsentiert mit dem „Nachttisch“ quasi einen Appetitanreger, um doch bei der Stange zu bleiben.