Cave of Stars

George Zebrowski

Über zwanzig Jahre nach „Makroleben“ kehrte George Zebrowski in „A Cave of Stars“ in das Universum seiner gigantischen Generationenraumschiffe, im Grunde Generationenwelten zurück. Die Dimensionen dieser gigantischen, ausgehöhlten Asteroiden lassen sich eher erahnen als wirklich fassen. In diesem Punkt kann der Leser am ehesten nachvollziehen, wie überfordert die Bewohner der christlichen Kolonie und Nachkommen von Aussiedlern der Erde gewesen sein müssen, als ihnen eine Besichtigung angeboten worden ist. Diese gigantischen Habitate mit der Möglichkeit, sowohl nach innen in Richtung Kern durch die Etablierung neuer Ebenen wie auch nach außen durch die Integration neuer „Schalen“ zu wachsen hat George Zebrowski ausführlich in „Makroleben“ beschrieben. Das begleitende Buch zur Neuauflage des Klassikers setzt dieses Wissen als Grundvoraussetzung voraus, auch wenn es immer wieder prägnante, aber sehr konzentrierte Beschreibungen gibt. Schon bei „Makroleben“ ist aufgefallen, dass der Autor in seiner soziologisch philosophischen Extrapolation der Eroberung des Weltalls vor allem auf die zwischenmenschlichen Faktoren, aber niemals abschließend auf eine realistische Technik Wert gelegt hat. Angesichts des Arbeitsaufwands – man stelle sich eine Flotte von pazifistischen Todessternen vor – erscheinen diese Gebilde so unglaubwürdig es klingt alltäglich. Diese gigantische Flugkörper können sich teilen, ein Neubau ist kein Arbeitsaufwand von Generationen und Millionen von Menschen, sondern erscheint in der Nähe eines bewohnbaren Planeten als Zwischenstation ohne Probleme möglich. Das Makroleben findet nicht nur immer einen Weg, es scheint sich fast zu kalben.

Da der Autor auf technische Erklärungen verzichtet, reduziert er seine gigantische Schöpfung auf das Wesentliche. Andere Autoren wie Clarke oder Niven haben diese gigantischen künstlichen Welten von den Menschen „finden“ lassen, während sich James Blish in seiner Tetralogie „Die fliegenden Städte“ als einziger Autor intensiver und auf dem damaligen Stadt technisch nachvollziehbar mit dieser Idee auseinandergesetzt hat. Robert A. Heinlein hat in „Der Mond ist eine herbe Geliebte“ alleine das Überleben auf einem autarken Mond beschrieben.

Akzeptiert der Leser diese technische Einschränkung, setzt sich George Zebrowski in dem ausgesprochen kompakten Roman mit einigen Ideen der Gegenwart auseinander. Fanatismus, Ideologien, im Grunde menschliche Dummheit behindern die intellektuelle Evolution der Menschen. Es ist zu viel, dass an Bord der Generationenraumschiffe stattfindende Leben als in sich ruhend zu bezeichnend, aber die beschriebenen Zustände sind sehr nahe an einem paradiesischen Idyll. Vielleicht manipuliert George Zebrowski die Leser an diesen Stellen zu stark, aber um den Konflikt und Kontrast zwischen dem planetaren Leben und der Isolation innerhalb der Asteroiden jenseits allerdings von jeglicher natürlicher Atmosphäre besser zu beschreiben, muss der Autor Kontrastpunkte setzen.

Während „Makroleben“ mit dem Untergang der Menschheit rasant einsetzt und das Ende einer Ära mit dem gleichzeitigen Neubeginn im All verknüpft, wirkt „A Cave of Stars“ langsamer, aber nicht unbedingt langweiliger entwickelt. Es sind die Zwischentöne, die nicht nur die Basis des zukünftigen dogmatischen Konflikts bilden, sondern aufzeigen, in welche Richtungen sich die Menschheit bei unterschiedlichen Führungsstilen entwickeln kann, im Grunde auch entwickeln muss.  

 Das Makroleben in Form eines bewohnten Asteroiden trifft nach einer langen Odyssee im All auf einen Planeten, den streng gläubige Nachkommen von der Erde bei einer direkten Mission besiedelt haben. Das Raumschiff befindet sich seit vielen Jahrhunderten im Orbit. Neben der natürlichen Neugierde, wieder „festen“ Boden unter den Füßen zu haben, möchte eine kleine Minderheit auf den Planeten umsiedeln und dort verbleiben.

 Die Bewohner des Planeten sehen dieses Vorhaben mit einiger Skepsis. Auch wenn Zebrowski bis zum letzten Kapitel vor dem Epilog eine ausgesprochen dunkle nihilistische Geschichte erzählt, entwickelt er über eindimensionale pragmatische Figuren hinaus keine Sympathieebene zwischen den Charakteren und den Lesern. Vielleicht auf der einen Seite angesichts der Millionen von Toten im Plot nicht verwunderlich, auf der anderen Seite wäre es aber notwendig gewesen, um die inneren Konflikte besser und vor allem nachhaltiger herauszuarbeiten.

 Der Planet wird von einer elitären Gruppe von Priestern beherrscht. Auch wenn es der Autor an keiner einzigen Stelle wirklich ausspricht, scheint es sich um im Grunde ignorante  Katholiken zu handeln, die zwar die Existenz des Raumschiffs, das ihre Vorväter auf den Planeten gebracht hat, anerkennen, ansonsten jede Art von Andersgläubigen ins Exil verbannen, wo sie genau wissen, dass der nächste gigantische Sturm sie von den kargen Inseln ins Meer spülen wird. Anscheinend handelt es sich aber nicht nur im Abweichler im Glauben, sondern auch um klassische Kriminelle, wie die finale Konfrontation aufzeigt.

 Die Hierarchie reicht bis zum Pabst, der über eine adoptierte aufgeweckt Tochter verfügt. Sie sucht den Kontakt mit dem Makroleben und besucht auch deren Arche. Der erste Bruch in der wirklich erdrückenden Diktatur des Glaubens mit fatalen Folgen. Natürlich beginnt sie sich in einen Mann von den Sternen zu verlieben. Die Tragik dieser Situation ist genauso vorhersehbar wie die möglichen persönlichen Folgen. George Zebrowski folgt in dieser Kausalkette allen möglichen Klischees.

 Das Positive ist, dass er ab der Mitte der Geschichte den Plot ein wenig dreht und aufzeigt, das der Pabst im runde ein Egoist ist, der nicht nur Eingang in den Himmel sucht, sondern in dem gigantischen Flugkörper seinen persönlichen Palast sieht, seinen Himmel zu Lebzeiten, von dem er mit der Macht der Millionen von Menschen an Brod die eigenen Landsleute noch besser unterdrücken kann.

 Der Konflikt eines kranken Geistes und den fatalen Folgen seiner Handlung bestimmt die zweite Hälfte des Buches. Natürlich lässt sich die Abfolge von Aktion – die Besucher wollen das im Orbit befindliche Kolonistenraumschiff untersuchen – und Reaktion – der Pabst sucht im Grunde mit seinem letzten kranken Atemzug Vergeltung – von der logischen Seite her eher wenig glaubwürdig verfolgen. Die Reisenden sind leichtsinnig. Sie haben auf der einen Seite keine Informationen über die Siedler, auf der anderen Seite annektieren sie im Grunde fremdes Eigentum, um es gründlich zu untersuchen. Der Pabst sieht sich brüskiert und sucht den Vergeltungsschlag natürlich im Namen seines Gottes, der auch seiner Tochter das Leben kosten kann.

 George Zebrowski beschreibt anschließend eine wahre Katastrophe. Im Gegensatz aber zu vielen anderen nihilistischen Katastrophenromanen kommt es zu keiner spektakulären Rettungsaktionen. Zebrowski denkt seinen Plot konsequent zu Ende und ist sich nicht zu schade, nicht nur Millionen von Menschen, sondern auch eine Handvoll der besser beschriebenen Nebenfiguren zu töten. Das Buch bezieht ab diesem Moment seine Spannung aus der Frage, ob die Katastrophe abgewendet werden kann.

 Im Epilog stellt der Autor dann allerdings den Plotverlauf wieder ein wenig auf den Kopf. Schon in „Makroleben“ war die Frage niemals beantwortet worden, welche reale Mühe es wirklich macht, einen derartig gigantischen Flugkörper zu entwerfen und unterwegs auch konsequent zu erweitern. Zebrowski hat die Entstehung wie auf einem Reißbrett beschrieben. Diese Idee führt er in „A  Cave of Stars“ fort und nimmt seiner technologischen Schöpfung fast schon ihren Reiz, weil das finale Kapitel fatalistisch unrealistisch erscheint.

 Der moralische Konflikt zwischen den Bewohnern des Planeten und ihres dogmatischen wie eingeschränkten Glaubens sowie die Offenheit des gigantischen Flugkörpers wird genauso wenig abschließend erörtert wie Zebrowski realistisch beschreibt, was für ein Unglück es wirklich ist. Hier hat sich der Autor von einer Idee mitreißen lassen, die in dieser Kompaktheit plötzlich konstruiert erscheint.

 Auch wenn immer wieder davon gesprochen wird, dass sich abschließend die Natur durchsetzt, handeln die beiden durch die Idee des „Makrolebens“ miteinander verbundenen Romane vor allem von der Idee, das aus der Tragödie – dabei spielt es keine Rolle, ob die Ursache Leichtsinn, Gier oder religiöser Fanatismus sind – neues mehr aufgeklärtes Leben entstehen kann und wird, das wieder getreu der philosophischen Maxima dieser kleinen Reihe weiterhin nach außen strebt.

 Sowohl „Makroleben“  als auch „A Cave of Stars“ sind keine perfektern Romane. Zebrowski ist ein Schriftsteller, der sich weniger über den Plot oder seine Figuren definiert, sondern einer der wenigen nicht perfekten Autoren, die wie Stapledon über die Idee kommen und darauf ein gewagtes, nicht unbedingt Sturmerprobtes, aber auf jeden Fall faszinierendes Gebilde errichten, das nicht immer nachdenklich stimmt, aber trotz einiger Schwächen oder Klischees erstaunlich gut unterhält.

 

Cave of Stars (Macrolife Book 2) (English Edition)

  • Gebundene Ausgabe: 276 Seiten
  • Verlag: Harpercollins (1. September 1999)
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-10: 006105299X
  • ISBN-13: 978-0061052996