Extraterrestrial- die Ankunft

Larry Niven & Jerry Purnelle

Der Mantikore Verlag legt unter dem Titel „Extraterrestrial- die Ankunft“ den schon in den siebziger Jahren von Larry Niven und Jerry Pournelle verfassten Roman „Der Splitter im  Auge Gottes“ neu als Taschenbuch auf. Der Heyne Verlag hat den umfangreichen Roman 1977 zum ersten Mal auf deutsch veröffentlicht, die Jahrzehnte später geschriebene Fortsetzung folgte ebenfalls im gleichen Verlag.

Obwohl es sich um eine First Contact Geschichte handelt, ist der zugrundeliegende Plot hintergrundtechnisch in Jerry Purnelles martialisch orientiertes Universum eingebaut. Es ist nicht notwendig, die einzelnen Romane zum Beispiel  um den Söldner Falkenberg zu lesen oder die Details der blutigen Unabhängigkeitskriege zu kennen, um den vorliegenden Roman genießen zu können.

Aber Jerry Pournelle ist wie Robert A. Heinlein ein erzkonservativer Autor, der militärische wie soziale Stärke  über strenge Hierarchien und eine fast archaische Gesellschaftsordnung definiert.  Es wäre vermessen, den Kontakt mit Außerirdischen als chaotische Element gegen die menschliche Politik zu sehen, aber ganz von der Hand zu weisen lässt es sich auch nicht. Die Menschen haben einen Kaiser, eine adlige Familie dominiert trotz des freien Handels die Politik. Die Söhne sollen erst im Militär dienen, bevor sie politische Aufgaben übernehmen. Blutige Bürgerkrieger haben ihren Tribut gefordert und gezeigt, dass Demokratie als Ganzes schwach und schwer einzuordnen ist. Allerdings sind Pournelles Herrscher keine Tyrannen, sondern modern denkende Menschen, denen es um das gesamte Wohl des Volkes in einem absolut geordneten System geht. Das Spektrum des Romans reicht nicht aus, um auf Abweichler einzugehen, aber in Pournelles anderen Arbeiten wird deutlich, dass die „Rebellen“  schlimmere Menschenfeinde sind als die Militärs, denen es vor allem um den Schutz der Massen auch unter Opferung einzelner Soldaten geht.

Aber dieser erzkonservative, für manche faschistoide Hintergrund der Geschichte ist auch notwendig. Die Menschen erholen sich von den Bürgerkriegern, Wohlstand ist nicht überall in Sicht. Viele Welten sind kulturell und technisch um Jahrhunderte zurückgeworfen worden. Der Mensch ist des Menschen schlimmster Feind. Interessant ist rückblickend, dass diese Degeneration der dekadenten Zivilisation durch interne Auseinandersetzungen genauso von den Menschen wie auch den Fremden vermieden werden soll. Dabei ist das eine Vorgehen nach außen gerichtet, das andere Vorgehen politisch nach innen.

Im Laufe des stringenten, von einem hohen Tempo geprägten Romans kommt es im Grunde auf beiden Seiten, aber verstärkt aus menschlicher Perspektive beschrieben  immer wieder zu zwei klassischen innerparteilichen Konflikten. Politik und Militär, sowie Kapitalismus und reine Forschung.  Erst am Ende bei einer aufsehenerregenden finalen Sitzung fließen alle Informationen aller beteiligten Parteien zusammen und fügen sich zu dem Bild zusammen, das die Leser aufgrund der wechselnden Perspektive schon lange erkennen können. Klassischer Spannungsaufbau.

Die größte Schwäche ist, es handelt sich um ein Männeruniversum. An einer Stelle muss Sally – aus adligem Hause und aus einem Gefangenenlager auf einer Rebellenwelt befreit – eingestehen, dass sie die einzige Frau unter hunderten von Männern in einem Umkreis von mehreren Dutzend Lichtjahren ist. Dabei hat sie schon die Augen auf einen besonderen Mann geworfen. Die Liebesgeschichte ist aufgesetzt und wirkt statisch, dafür hat Sally einen wichtigen Schlüssel für die mögliche Bedrohung in den Händen, ohne ihn wirklich lange einsetzen zu können.

Im Mittelpunkt des Plots steht aber eine auf der einen Seite klassische First Contact Geschichte mit einem auf der anderen Seite aber auch sehr fremdartigen, wie eine Mischung aus Heinzelmännchen, Gremlins, und Ameisen wirkenden Rasse, die vordergründig nicht nur lernwillig und freundlich ist, sondern hintergründig auch versucht, ein existentielles Grundproblem zu lösen.    

Die Handlung lässt sich schnell zusammenfassen. Auf dem Rückflug von einer befreiten Kolonie wird ein militärisches Raumschiff umgeleitet, weil zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit ein außerirdisches Raumschiff entdeckt worden ist. Es wird von einem Sonnensegel angetrieben und scheint das Raumschiff der Menschen bei seinem Austritt aus einer glühenden Sonne anzugreifen. Es kommt aus dem als „Auge Gottes“ bekannten Sternennebel. Das einzige Besatzungsmitglied ist tot.

Die Menschen stellen eine Expedition zusammen. Während das eine mit Militär und Zivilisten bemannte Raumschiff Kontakt zur Heimatwelt des Fremden aufnehmen soll, ist das zweite Raumschiff die finale Lösung, mit welcher die menschliche Technik geschützt werden soll.

Im Heimatsystem kommt es zu einem Kontakt mit den ausgesprochen freundlichen, aber in verschiedene Kasten aufgegliederten Fremden. Sie haben einzigartige Fähigkeiten. Dieser gegenseitige aber auch eingeschränkte Austausch von Wissen nimmt den größten Teil des Buches ein. Dabei konzentrieren sich Larry Niven und Jerry Pournelle überwiegend auf die menschliche Perspektive. Eingeschoben sind einige wenige Beobachtungen der Fremden, aus denen sich mehr ablesen lässt, als die Menschen bis auf den paranoid erscheinenden, aber pragmatisch handelnden Admiral im Entsatzungsschiff vermuten.

Die Fremden können jegliche Technik adaptieren und verbessern. Sie nehmen Werkzeuge, Waffen oder die Kaffeemaschine auseinander, analysieren die Technik und bauen es perfekt sowie optimiert zusammen. Auf dem Planeten selbst gibt es zum Beispiel Bauern, die sich nur um die Landwirtschaft kümmern. Aber die Vermittler machen den Menschen Kopfschmerzen, denn angeblich haben die Fremden seit Jahrhunderttausenden bei einer Zivilisation, die mehrere Millionen Jahre alt ist, keinen Krieg mehr. Technisch sind sie als Ganzes den Menschen überlegen, auch wenn sie das Gegenteil erwecken möchte. So haben sie Asteroiden in zweckmäßige Orbits geschoben, um die eigene Welt zu schützen. 

In erster Linie ist es ein Lernprozess, wobei die Menschen der Meinung sind, dass sie in einer dominierenden Rolle sind. Sie unterschätzen deutlich die Fremden, die  vordergründig nur reagieren, aber anscheinend nicht agieren können.

Die Stärke des Buches liegt nicht nur in der Vielschichtigkeit dieser seltsamen Zivilisation, die wie die angesprochene Mischung aus Heinzelmännchen und Gremlins erscheint, sondern auch durch den roten Faden, der sich von Beginn an durch den Plot zieht und später während des fast überstürzt erscheinenden, aber auch konsequenten Epilogs sich bewahrheitet. Wieviel gibt man selbst von seiner Technik und sich selbst Preis, um eine faire Verhandlungsbasis zu etablieren.

Wie bei einem Zwiebelschalenmodell wird eine Facette nach der Anderen bei den Fremden entblättert. Der Fund in den Kanonenrohren ist schließlich der Wendepunkt des Plots, wobei auch hier die Autoren deutlich differenzieren und auf graue Töne zurückgreifen. Ohne Hilfe von einzelnen, aufgeklärten Gruppen der Fremden wären die Menschen im Grunde verloren gewesen, auch wenn sie technisch auf den ersten Blick überlegen gewesen sind.  Wobei sie sich auch entsprechend blind verhalten.  Da grenzt einiges an Arroganz und naive Blindheit in ihrem Verhalten.   

Natürlich ist es interessant, dass Larry Niven und Jerry Pournelle am Ende den Militärs und nicht den Forschern recht geben. Es ist ein Zufall, der die Wahrheit ans Licht bringt. Aber es sind auch die Militärs mit Gewissen, die eine konsequente, aber nicht unbedingt abschließende Lösung präsentieren. 

Impliziert wird, dass dieser Ansatz auch die einzelnen menschlichen Kolonien zusammenführt, auch wenn diese mit der Oligarchie und dem Kaiser ausgerechnet auf dem Regierungsplaneten Sparta nicht einverstanden sind.

Auch wenn der Roman durch ein sehr hohes Tempo gekennzeichnet und die fremde  Zivilisation verstörend anziehend wie befremdlich zugleich ist, zeigt das Buch einige archaische Züge. Absichtlich wie in allen Pournelle Romanen wird die Raumfahrt mit der christlichen bzw. militärischen Seefahrt gleichgesetzt. Raumschiffe fliegen nicht, sie fahren. Es gibt einen Steward an Bord, der zum Beispiel Kaffee – auch mit einem  Tropfen Maschinenöl in der schokoladenvariante – serviert. Das Raumschiff hat Strahlengeschützrohre und die Beiboote heißen Kutter. Vieles wirkt wie ein wildes Seemannsgarn. Das lässt den Roman wie die politische Hierarchie mit einem Kaiser an der Spitze erstaunlich altbacken erscheinen. Aber dieser Retrochic könnte eine Antwort Pournelles auf die sich im Genre verbreitende New Wave Welle gewesen sein.

Auch die Zeichnung der menschlichen Protagonisten ist ein wenig spärlich. Sie sind Befehlsempfänger bis zum Stellvertreter des Kaisers hoch. Sie machen sich ihre Entscheidungen nicht leicht und teilweise werden sie ausgesprochen lange und ausführlich diskutiert, bevor diese von den Ereignissen ad Absurdum geführt werden. Pflicht ist dabei die oberste Prämisse, auch wenn sich Sallys zukünftiger natürlich adliger und glücklicher Ehemann bemüht, die Grenzen seiner Anweisungen zu dehnen oder sogar zum Wohle der Menschheit zu brechen. Das wirkt dann aber ein wenig bemüht, zumal es entgegen des normalen Lebens immer glücklich endet.

Aber diese beiden Schwächen sind angesichts der bis zur fast zynischen Pointe originellen und außerordentlich geschickt aufgebauten Komponente sehr gut zu verschmerzen, da „Der Splitter im Auge Gottes“ auch fast fünfzig Jahre nach der Erstveröffentlichung immer noch ausgesprochen kurzweilig trotz seines Umfangs unterhält sowie den Lesern zu zeigen sucht, dass jede Entscheidung politischer oder militärischer Art Konsequenzen hat. Und das unterscheidet den Hintergrund des Buches von gegenwärtigen eher klischeehaften Military Science Fiction Romanen positiv wie  nachhaltig.  

Originaltitel: The Mote in Gods Eye

Mantikore Verlag

Taschenbuch 700 Seiten

ISBN: 978-3-945493-99-1