Science Fiction Chroniken Band 6

H.J. Müggenburg

Der vorletzte Sammelband der insgesamt 21 Romane konzentriert sich auf drei Texte, die in den Jahren 1979 und 1980 im Zauberkreis Verlag publiziert worden sind. Wie Peter Emmerich in seinem kurzen Vorwort erläutert, standen wieder zwei grundsätzlich aber kürzere Manuskripte als sie vorher üblich waren zur Verfügung. Auch hat H.J. Müggenburg generell den Humor deutlich zurückgefahren.

Schon im ersten Heftroman „Sie wollten die Erde“ (Zauberkreis SF 217) zeigt der Autor, dass er gerne die Klischees des Genres nutzt und lange Zeit mit ihnen absichtlich spielt, um auf den letzten Metern quasi die Handlung auf den Kopf zu stellen und eine Idee aufzugreifen, die in der Science Fiction Literatur manchmal, in Filmen aber nur selten wie zum Beispiel in „Der Tag, an dem die Erde stillstand“ genutzt worden ist. Noch eine andere Idee wird angerissen. Das technologische Superzivilisationen nicht per se dem Menschen überlegen sind.

Mit dieser Wendung auf dem letzter Meter erklärt der Autor auch gleichzeitig den Hintergrund seines wichtigsten Protagonisten: Allen Zyklinc. Ein Wissenschaftler, den fast jeder auf der Erde kennt. Aber gleichzeitig anscheinend auch ein Mann der Tat, der sich unglaublich schnell in einer den Menschen grundlegend fremden Umgebung an Bord eines Raumschiffs und schließlich auch auf einem fernen Planeten akklimatisieren kann.

Der Roman beginnt vielleicht sogar ganz bewusst vom Autor geplant klischeehaft. Auf einer einsamen Straße hilft Allen Zyklinc einer Frau, die eine Autopanne hat. Sie werden von einem UFO entführt. Mehrere Menschen unterschiedlichen Alters – zwei ältere Menschen und zwei jugendliche Geschwister – befinden sich an Bord. Die Außerirdischen entsprechen auch dem nicht unbedingt schleimigen, aber andersartigen Klischee.

Ab diesem Moment misch der Autor im Grunde das Invasionsgenre positiv unterhaltsam auf. Die Außerirdischen wollen wie im Titel ausdrücklich gesagt die Erde, weil ihre eigene Welt – Noya- durch die Sonneneruptionen bedroht ist. In der irdischen Atmosphäre befindet sich eine Gaskomponente, welche die Pherkejer – zum Überleben brauchen, deswegen kommen kaum andere Welten in Frage.

Aber so einfach ist die Rechnung nun doch nicht. Die Pherkejer sind ein degeneriertes Volk, das eine uralte, aber hochmoderne Technik nutzt, deren Funktionsweise sie nicht mehr verstehen. Ein kompletter intellektueller Stillstand weit über die aus der Perry Rhodan Serie bekannten Arkoniden ist eingetreten. Zumindest konnten sie aber Agenten zur Erde schicken, welche die Menschen beobachteten.

Ob aber daraus eine erfolgreiche Eroberung abzuleiten ist, bezweifelt selbst Allen Zyklinc, der mit seinen diversen Aktionen den Gefangenenwärtern sowohl an Bord des Raumschiffs als auch dem Planeten das Leben schwer macht. Immer wieder können sie entkommen und selbst als die Menschen quasi per Dateneinspielung manipuliert genau an der Experimentierstation landen, wo sie untersucht werden sollen, hat Zyklinc ein weiteres As im Ärmel.

Der Roman weist ein hohes Tempo auf. Wie eingangs erwähnt etabliert der Autor ein bekanntes, aber nicht markantes Szenario mit den Menschen als Versuchskaninchen. Das wird ihnen auch deutlich gemacht. Erst im Laufe der Gefangenschaft lernen sie dank dem opportunistischen und intergalaktisch erstaunlich gewandten Zyklinc, das die Fremden trotz ihrer überlegenen Technik mehr Schwächen und Stärken haben und eine Invasion nicht unbedingt erfolgreich sein muss.

Am Ende zeigt Müggenburg allerdings ein wenig konstruiert auf, dass die Menschen für die Galaxis wichtig sind. Hier stellt sich dem Leser die Frage, warum die seit einigen Jahren andauernde Planung der Invasion nicht früher aufgefallen ist? Ohne zu viel von der Pointe zu verraten, müsste es mehr als einen Zyklinc geben. Aber um die Spannungskurve hoch zu halten und einige von dessen Aktionen rückblickend erklären zu können, ist diese Fokussierung auf die Menschen wichtig.      

Diese abschließende Wendung gibt H.J. Müggenburg die Möglichkeit, einige konstruiert erscheinende Actionszenen zu relativieren und aufzuzeigen, dass er die klassischen Gewaltphantasien einer außerirdischen Invasion inklusiv der Entführung von Menschen eher ablehnt und eine für alle Seiten kooperative Lösung abschließend fast aus dem Stehgreif  anstreben lässt.  

1980 erschien als Zauberkreis 220 der Roman „Expansion“. Über weite Strecken handelt es sich mit Müggenburgs nicht immer subtilen, aber effektiven Humor unterlegt um einen der besten Romane, bis der Autor den Plot auf einer hektischen wie pragmatischen Note beendet. Wahrscheinlich hätte H.J. Müggenburg die alte Romanlänge der ersten Zauberkreishefte in diesem Fall sehr geholfen.

Auf den ersten Seite legt der Autor ein erstaunliches Tempo vor. Effektiv fasst er nicht nur den technologischen Fortschritt einer überbevölkerten Erde zusammen, sondern zeigt auf, das das kontinuierliche Bevölkerungswachstum in einer ökologischen Katastrophe gipfelt. Auch die Kolonisierung des Mars und einiger Planetoiden im Sonnensystem hat nur für sehr kurze Zeit für Entspannung gesorgt. Das Faustpfand ist eine Transmittertechnologie. Nur brauchen die Transmitter Empfangsstationen,  die mit Raumschiffen zu fernen Planeten transportiert werden müssen.

Eine solche Expedition bestimmt die erste Hälfte des Buches.  Ein freiwillig gezwungener „Pionier“ und Raumscout Marcus Frederson wird an Bord im Grunde einer fliegenden Bombe zu einem neu entdecken Planeten geschickt. Er soll dort die entsprechende Gegenstation aufbauen, damit die Welt besiedelt wird. Vorher ist der Planet im Rahmen eines von der Regierung sehr ambivalent gehandhabten 30 Jahres Plans von Raumsoldaten untersucht und für besiedelungsfähig erklärt worden. Warum diese die Teile des Transmitter nicht gleich mitgenommen haben, erschließt sich dem Leser nicht ganz. Gewichtsprobleme können es eigentlich nicht sein, da Frederson ausreichend Bier nicht nur für die Reise, sondern auch für sein Domizil auf dem Planeten mitgenommen hat.

Die Reise nimmt einen breiten Raum ein. H.J. Müggenburg beschreibt die Langeweile, die nicht mit Schachspielen oder Biertrinken oder vom Computer absichtlich initiierten Fehlern – kalte Steaks sei hier nur als Hinweis genannt – ausgeglichen werden können. Kaum auf dem Planeten gelandet, beginnen die Katastrophen. Obwohl es eine idyllische Welt ist, kommt der Protagonist gar nicht richtig zum Aufbau der Gegenstation und Kontaktaufnahme mit der Heimat, denn fremde Raumschiffe landen um sein Schiff herum und töten den überforderten Botschafter der Erde.

Mit diesem überraschenden, aber später relativierten Knall endet der mittlere Abschnitt des Buches. Anschließend teilt der Autor die Handlung auf. Auf der einen Seite die Versuche der Erde, den Kolonialplaneten zu erreichen und die Transmitterverbindung zu aktivieren. 

Wie in allen technischen Bereichen des Buches präsentiert H. J. Müggenburg ein breites Spektrum von Ideen und zeigt nachhaltig auf, dass jede technische Erfindung nur in Kombination mit der menschlichen Improvisationsgabe funktionieren kann.

Auf der zweiten Handlungsebene beschreibt der Autor ausführlich die Kontaktaufnahme zwischen dem einsamen Botschafter der Erde und ursprünglichen Raumscout Marcus Frederson und den Fremden. Manches wirkt auf dieser Handlungsebene sperrig. Auch der lange Rückblick ist eine der typischen Perry Rhodan Strukturen, welche den Spannungsbogen kurzzeitig zum Erliegen bringen. Dagegen beschreibt H.J. Müggenburg die Fremden mit einer fast kindlichen Naivität, die in ihrer Vorgehensweise nichts Böses sehen, sondern im Grunde nur forschen, aber nicht spielen wollen. Auch hier ist abschließend der Mensch den Fremden überlegen, weil er nicht alles hinnimmt, sondern quasi querdenkt. Dieser Handlungsbogen endet feurig wie abrupt. Der Autor ignoriert einige der Ecken und Kanten während des Epilogs. Anscheinend ignorieren die Außerirdischen fast menschlich einige Fakten, während Frederson zu viele Dinge förmlich in den Schoß fallen.

Trotzdem behalten Autor und Protagonisten ihren Humor. Während H.J. Müggenburg diesen in Form einiger flapsiger Bemerkungen vor allem zu Beginn bei den Beschreibungen einfließen lässt, sind es abschließend die inneren Monologe Fredersons angesichts der Vorgehensweise der Fremden, die manch in der Theorie dunkle Szene aufhellen. 

Es ist die Hektik am Ende, welche viele gute Ideen wie die Vorgehensweise bei der Erforschung neuer Welten, den langen wie notwendigen Weltraumflügen und schließlich die immer wieder angesprochene, aber im Detail nicht beschriebene ökologische Katastrophe auf der Erde überdeckt und „Expansion“ zu einem unterhaltsamen, aber teilweise auch zu oberflächlichen Roman machen.         

Der dritte Roman „Galaktischer Handel“ (ursprünglich Zauberkreis 222) basiert als einziger der drei Bände dieses Sammelbandes nicht auf einem vorliegenden Originalmanuskript. Galaktische Händler oder besser der Aufbau von intergalaktischen Handelsstrukturen ist in der Science Fiction ein sehr populäres Thema. In den USA hat sich unter anderem Poul Anderson mit der Idee auseinandergesetzt, in Deutschland Hanns Kneifel mit seinen intergalaktischen Händlern.  Natürlich sind auch die Springer aus der Perry Rhodan Serie populär.  Trotz dieser guten Vorgaben will „Galaktischer Handel“ nicht so richtig zünden.

H.J. Müggenburgs humorvoller Stil findet sich zwar vor allem auf den ersten Seiten in Form von eher inneren Monologen des Protagonisten Monoman Flanards wieder, aber im Verlaufe der viel zu kompakt sowie hektisch auf einigen Zufällen basierenden Handlung geht dieses wichtige wie belebende Element verloren.

Flanards strandet mit seinem Frachtraumschiff im All. Das ist neben der Lebensgefahr auch schlecht fürs Geschäft, denn er hat an Bord eine wertvolle Ladung. Flanards  wird gerettet. Auf REDCLIFF IV wird ihm nicht nur seine Ladung zu einem überraschend guten Preis abgekauft, er erhält auch einige wichtige Hinweise hinsichtlich seltsamer Rohstofftransporte von einer fremden Rasse. Vom Gewinn aus dem Verkauf kann er sich ein sehr modernes und leistungsfähiges Raumschiff kaufen, mit dem er nicht nur neue Handelsrouten aufspüren, sondern mit den Fremden ins Geschäft kommen möchte.

Der Auftakt von „Galaktischer Handel“ ist ein wenig sperrig. Im Gegensatz zu zum Beispiel den anderen Abenteuern dieses Sammelbandes konzentriert sich H.J. Müggenburg auf ein Einzelschicksal und stellt gleich den wichtigsten Protagonisten des Romans vor. Da er ihn nicht gleich umbringen kann, ahnt der Leser vor allem den Inhalt des ersten Heftromandrittels zu schnell im Vorwege.

Im mittleren Abschnitt konzentriert sich der Autor darauf, nicht zuletzt mittels allerdings   auch gut geschriebenen Dialogen den Hintergrund zu entwickeln.  Handel ist generell nur für Profis wirklich spannend. Es sei denn, man geht den Weg eines Keith Laumers mit seinen Retief Geschichten, in denen ein Diplomat mit einer instinktiven Improvisationsgabe alle „Konflikte“ zwischen Menschen und Fremden steuert und beide Seiten manipuliert.

H.J. Müggenburgs Ansatz ist kaufmännischer und dadurch auch ein wenig langweiliger. Über die geheimnisvollen Transportwege erfährt der Leser zu wenig und sein Protagonist kann sich zu schnell in das Geschehen hinein mogeln.

Die Protagonisten erscheinen eher pragmatisch eindimensional charakterisiert. Im Gegensatz zu vielen typischen Müggenburg Helden, die mit einem flotten Spruch auf den Lippen die Probleme angehen und manchmal in seinen fast zynisch zu nennenden Enden an ihnen indirekt oder direkt scheitern, wirkt hier vieles zu schematisch. Das Tempo ist gleichmäßig, aber nicht überdurchschnittlich hoch. Auch das Ende mit einem fast euphorisch optimistischen Blick auf die zukünftigen Potentiale und den schon angesammelten Reichtum überzeugt nur bedingt, obwohl es deutlich weniger hektisch und abrupt erscheint wie zum Beispiel in „Sie wollten die Erde“ oder noch schlimmer in „Expansion“.

Vielleicht tut man angesichts der gut in den beiden eben angesprochenen anderen Heftromanen genutzten Versatzstücke des Genres  dem abschließenden Band „Galaktischer Handel“ ein wenig Unrecht. Alleinstehend und mit einem gewissen zeitlichen Abstand muss herausgestellt werden, dass H.J. Müggenburg in im Grunde allen drei Büchern nach pazifistischen Lösungen gesucht hat. Gewalt wird nur wenig und dann ausschließlich auf  Angriffe reagierend beschrieben. Aber grundsätzlich immer der Situation angemessen und selbst Raumschlachten sind eine Seltenheit bei H.J. Müggenburg. „Galaktischer Handel“ hätte angesichts der Grundideen, des Pioniergeistes und vor allem dem abschließenden Szenario besser als Doppelband oder Taschenbuch funktioniert, so springt die Handlung viel zu sehr von einem zum nächsten schwer einzuschätzenden Höhepunkt.

H.J. Müggenburg hat seinen besonderen Humor in den späteren Zauberkreis Veröffentlichungen deutlicher zurückgefahren. Nach den vom Verlag sehr stark bearbeiteten „Hexer Stanley“ Horrorbänden vielleicht auch eine unbewusste Notwendigkeit, um weiterhin publizieren zu können. Bei einigen Heftromanen fiel das schon innerhalb eines Spannungsbogens auf, bei den drei hier gesammelten Romanen ist es von Beginn an deutlich. Wenn Humor auftaucht, kommt er meistens in Form von  einzelnen Bemerkungen und nicht mehr wichtigen Plotelementen. Durch diese Zensurschere im Kopf wirken die Bücher im direkten Vergleich zu den „Hexer Stanley“ Bänden auch nicht mehr so einzigartig, fügen sich besser in die damaligen Gewohnheiten der Heftromane ein. Auf der anderen positiven Seite sucht der Autor weiterhin originelle Lösungen für dem Leser grundsätzliche vertraute Szenarien wie First Contact oder interplanetarische Planetenforschung. Kurzweilig lesen sich die in diesem wieder liebevoll zusammengestellten Sammelband in Ehren ergrauten Heftromane trotz der heute noch mehr erkennbaren kleineren Schwächen weiterhin und unterstreichen, dass sich die Zauberkreis Science Fiction nicht vor den großen „Terra“ Konkurrenzreihen verstecken musste.

Science Fiction Chroniken 6

  • ASIN : B08RRFXNNF
  • Herausgeber : I Emmerich Books & Media
  • Sprache : Deutsch
  • Taschenbuch : 324 Seiten
  • ISBN-13 : 979-8574353929