Der Apex Verlag legt im Rahmen der „Galaxis Science Fiction“ Reihe den 1961 in den USA veröffentlichten Roman „Island in the sky“ zum dritten Mal in Deutschland wieder auf. Als UTOPIA Zukunftsroman publizierte der Pabel Verlag den Stoff schon 1967; mit dem Titel „Insel der Tyrannen“ folgte knappe fünf Jahre später der Ullstein Verlag in einer neuen Übersetzung von Heinz Nagel. Auf diese Ausgabe bezieht sich auch die Neuauflage im Apex Verlag.
Manly Wade Wellmann ist einer der zahlreichen Pulpautoren, der nicht nur in den markanten Genres mit Exkursen in den Bereich des Krimis unterwegs gewesen ist, sondern es vor allem liebte, verschiedene Genres miteinander zu kombinieren. Der 1903 in Portugiesisch- Westafrika geborene Wellmann startete seine literarische Karriere neben einer Reihe von Sachartikeln schon 1927 und bis kurz vor seinem Tod 1986 verfasste er noch Kurzgeschichten und Romane. Erst in späteren Jahren erweiterte er das Spektrum seiner Kreativität noch um einige sekundärliterarische Bücher zu den Themen Amerikanischer Bürgerkrieg und seiner Wahlheimat North Carolina.
Nur wenige Romane Wellmanns sind auf deutsch erschienen. Auch „Insel des Tyrannen“ wirkt während der Lektüre wie eine deutlich ältere Geschichte, die phasenweise an eine Kopie von Flash Gordon erinnert. Dabei stammt der Protagonist nicht von der Erde und kämpft auf einem anderen Planeten, sondern kommt quasi aus dem Inneren des Planeten.
Pierce Blacky Peyton ist als Sechzehnjähriger wegen der Beteiligung an einem Raubmord in dieser antiutopischen Saga zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt worden. Dank mehrere Fluchtversuche arbeitet er inzwischen in den Atomit Fabriken tief unter der Erde, wo die Gefangenen kaum Überlebenschancen haben und nach kurzer Zeit verstrahlt sind. Sie leuchten quasi im Dunkeln. Peyton rettet aber einem der Spitzel das Leben und wird nach zwanzig Jahren Haft begnadigt, als ein neuer Herrscher oberhalb der Erde eingeführt wird. Wie Rip van Winkle- eine der zahlreichen literarischen Anspielungen. Peyton macht sich aber bei der Arbeitsagentur unbeliebt, da er nicht wieder im Bergwerk arbeiten möchte. Erst später muss Peyton erkennen, dass es in dieser in im Grunde zwei Klassen eingeteilten Gesellschaft nur zwei Möglichkeiten gibt, Geld zu verdienen. Und die eine hat er abgelehnt.
Er trifft auf einen älteren Mann, der ihm im Zeitraffer die letzten Jahre erläutert. Manches erinnert an eine absichtlich verzerrte Version aus H.G. Wells „Things to Come“, als die Flieger quasi die Herrschaft über die im Krieg befindliche Erde übernommen haben und eine Diktatur des Friedens etabliert haben. Die Flieger sind die elitäre Klasse. Sie leben unter anderem auf einer gigantischen fliegenden Insel, welche die Erdoberfläche in einem festen Abstand und pünktlich wie die Uhr umkreist. Dort findet sich die oberste hierarchische Ebene, welche die Macht über die meisten nach dem im Grunde dritten Weltkrieg noch vorhandenen Städte an hochrangige Flieger delegiert. Peyton möchte unbedingt die „Insel der Tyrannen“ erreichen und das dortige Regime stürzen.
Wellmanns „Insel der Tyxrannen“ ist ein in der Theorie ambitioniertes Buch, dessen grundlegende Handlung aber wie eingangs erwähnt an die Pulp Geschichten der dreißiger Jahre erinnert. Immer wieder finden sich interessante Exkurse im Buch. So fand der dritte Weltkrieg ohne Atomwaffen statt, da jede der Seite Angst vor der totalen Auslösung hatte. Für einen Roman mitten aus der Zeit des kalten Kriegs ein bemerkenswertes Statement, da Atomenergie im Allgemeinen als eine Art billiger wie notwendiger Heilsbringer vor allem für die elitäre Oberschicht angesehen worden ist.
Pierce Peyton ist weiterhin ein Autodidakt. Er gehört zu den Wenigen, die noch lesen können. Im Gefängnis hat er in seiner kargen Freizeit vor allem Unterhaltungsliteratur gelesen, der „Graf von Monte Christo“ hat ihn inspiriert, wobei er auf Freiheit und nicht unbedingt Rache sann. Es gibt auch Vergleiche zwischen Orwells „1984“ und der „gegenwärtigen“ Situation. Peyton muss das Buch kennen. Zusätzlich hat er verschiedene Lexika gelesen. Die harte Arbeit an den Atomit Fabriken hat ihn gestählt. So ist er körperlich auch den ausgebildeten Fliegeroffizieren gewachsen, wobei er den Umgang mit dem Schwert lernen muss. Er ist intelligent und störrisch zugleich. Ungerechtigkeit lässt ihn seine Grenzen vergessen.
Nach einer kleinen Odyssee durch den sozialen Untergrund der Stadt wird er von einer der Soldatentruppen festgenommen, die in der Obdachlosenunterkünften nach „Freiwilligen“ für die Zirkusspiele suchen, welche die Unterhaltung der Massen in der Zukunft darstellen. Sie sollen dort als Gladiatoren gegen Raubtiere oder später gegen andere Krieger kämpfen. Auch hier fällt Peyton nicht nur durch seine Entschlossenheit, sondern auch die Furchtlosigkeit vor der Obrigkeit auf.
Eine abschließende Überraschung ist eher zwischen den Zeilen als objektiv das zündende Finale. Hier streift Manly Wade Wellmann auf den ersten Blick alle Klischees, präsentiert aber einen der Antagonisten ganz anders als es sowohl der Leser wie auch Peyton erwarten. Kein großer Bruder, der alles unbedingt noch überwachen muss. Damit der Plot aber nicht aus den Angeln gehoben wird, nutzt der Autor im Kern eine Art Stellvertreter, um die Pulperwartungen der Leser zu befriedigen. Dabei rückt die Handlung wieder in das bekannte Flash Gordon Szenario und bei den Beschreibungen fühlt man sich in die Comics zurückversetzt, in denen der muskelöse Flash Gordon mit seinen Helfern an der Seite, aber auch auf sich alleine gestellt in verschiedenen Duellen Mings Schergen besiegt und Pyrrhussiege erringen kann.
Mit der gleichen technischen Unbekümmertheit läuft hier die Handlung ab. Da wird nicht nur mit Atomit, sondern dem im Grunde Katalysator umgegangen wie mit Steinkohle. Peytons letzter Fluchtversuch aus der Grube ist spektakulär wie auch unwahrscheinlich. Da müssen alle Wächter geschlafen haben, zumal es unwahrscheinlich erscheint, dass ein Gefangener auf dem Weg ins Gefängnis nicht durchsucht wird. Außerdem liegt wertvoller Stoff nicht in Handreichweite herum.
Aber diese Exzesse in den Bereich der Science Fantasy machen einen Teil des Flairs dieser Geschichte aus. Der Autor unterminiert dadurch das grimmige Szenario einer dystopischen Gesellschaft mit einer im wahrsten Sinne des Wortes Oberschicht – die Flieger, geboren schon in den Rang eines Hauptmanns- und den dahin darbenden Massen in den wenigen Großstädten mit einem knallbunten Actionszenario. Aber immer wieder rückt Wellmann auch von den Klischees ab. Zwar nicht im Frauenbild mit der blonden Thora, die aber auch eine Vergangenheit hinter sich hat und natürlich irgendwie fast widerwillig dem Helden verfällt, sondern sowohl mit dem eigentlichen Herrscher als auch dem Überhelden Peyton, der am Ende der Muskel, aber nicht ausschließlich das Hirn der notwendigen Revolution ist.
„Insel der Tyrannen“ ist wie mehrfach erwähnt ein Zwitter zwischen den grellbunten Pulpgeschichten mit ihrer simplen schwarzweiß Gestaltung und den dunkleren, zukunftskritischeren Texten der sechziger Jahre. Irgendwie dabei, aber nicht mittendrin.
- Herausgeber : Apex Verlag
- Sprache : Deutsch
- Taschenbuch : 216 Seiten
- ISBN-10 : 3752993391
- ISBN-13 : 978-3752993394