Perry Rhodan Neo 73- Die Elysische Welt

Robert Corvus/ Oliver Plaschka

Mit "Die Elysische Welt" beginnt ein neuer Minizyklus mit Namen "Protektorat Erde". Der Titel deutet darauf hin, dass zumindest die Entwicklung der Erde nicht wie von Rhodan geplant sich gänzlich "verstecken", um dann aus der Position des Außenseiters heraus die potentiellen Feinde überrollen kann. Neben dem Spielen mit Versatzstücken - am Ende des Romans greift Frank Borsch in seinem Expose der Scheer Entwicklung wieder vor und zieht zumindest eine Figur aus dem Kollektiv in den Arkonzyklus - wäre es sinnvoll, der "Neo" Serie eine deutlich eigenständigere Identität zu geben. Der Reiz der Neuauflage besteht ohne Frage darin, vertraute Figuren anders zu sehen. Bis zu einem bestimmten Grad ist diese Entwicklung auch nachvollziehbar. Doch die eigene Identität ist vielleicht sogar wichtiger. Nicht selten hat der Leser wie auch bei diesem Übergangsband das Gefühl, als hemme sich Frank Borsch selbst, in dem er zu sehr an bestimmten markanten und signifikanten Punkten der Erstauflage förmlich klebt und sich nicht selten mittels potentiellen Überraschungseffekt bemüht, diese an einer anderen Stelle der "Neo" Serie zu verwenden. Bitter ist, wenn diese Überraschungen dem Leser auf eine eher dummdreiste Art und Weise erzählt werden. So offenbart sich der Regent als einer der "Meister der Insel" der eher ambivalenten und in diesem wieder von zwei Autoren unglücklich geschriebenen Roman ausgerechnet Separei, der umgehend getötet wird. Frank Borsch tritt mit seinen Autoren aus der neutralen Position des Erzählers heraus und er reibt dem Leser Informationen ein, die er auf eine andere Art und Weise stellvertretend auf Augenhöhe Perry Rhodans nicht erhalten kann. Das Erstaunliche ist, dass Frank Borsch davon ausgeht, dass Separei mit dem Begriff der "Meister der Insel" ebenso vertraut ist wie der Leser der Erstauflage. Reine "Neo" Leser werden in der bisher angesprochenen Konstellation damit wenig anfangen können. Es bleibt die Frage offen, ob die neuen "Meister der Insel" überhaupt den Bekannten entsprechen. Sie scheinen untereinander zerstritten zu sein. Ihre Machtbasis scheint nicht mehr nur Andromeda zu sein, wo ja bislang die Maahks wieder das Imperium angreifen. Warum also einen potentiellen Regenten/ Diktator mit so viel Selbstzweifel auszustatten, wenn er aufgrund seiner Herkunft zum Unterdrücken geboren worden ist. Ebenfalls unstimmig ist die Idee der "Meister der Insel" in einer anderen Hinsicht. Die Autoren übersehen dabei, dass ihr Regent/ Imperator anfänglich mit einigen überholten Traditionen sowohl in der arkonidischen Hierarchie als auch der Flotte aufgeräumt hat. Dabei hat er sich den Zorn der Herrschenden zugezogen.  Einen Fehler hat er schon gemacht, als er vollkommen unnötig in seiner Kabine einen treuen untergebenen Offizier getötet hat. Im vorliegenden Band machen die Autoren dagegen den Fehler, die bisherige Entwicklung dieser Figur aus den Augen zu verlieren und die interessanten anfänglichen Ansätze zu negieren. 

Viel schlimmer ist die Rhodan Handlung. Die Ilts lösen einen riesigen Eisberg - der muss gewaltig sein - aus seiner Position. Danach schleudern sie den Brocken telekinetisch auf die Schirmglocke der Festung, die natürlich zusammenbricht. Wie gewaltig dieser Brocken sein muss und wie viele Ilts zusammenarbeiten müssen, bleibt der Phantasie des Lesers überlassen. Ob ein Schirm aus reiner Energie, der immerhin anscheinend Megaentladungen von Waffen ohne Probleme verkraften kann, nicht auch das Eis aufhalten, zum Schmelzen bringt, bleibt unbeantwortet. Die Auflösung dieser Sequenz wirkt aber ein wenig hilflos. Viel schlimmer ist, dass Rhodan plötzlich als unfreiwilliges Selbstmordkommando dient und ihn Separei in der letzten Sekunde rettet. Anscheinend hatte der General Etele  Rhodan als "Freiwilligen"  ausgewählt. Auch diese Aktion wird eher bieder konstruiert, zeigt aber die Naivität Perry Rhodans, der seine Ausrüstung nicht kontrolliert. So gut kann eine solche Menge von Sprengstoff nicht versteckt sein, dass er es nicht merkt. Aber die ganze Szene endet unfreiwillig komisch. Angeblich kann Rhodan Separei ein Buch der Heroen anbieten, dass die Ilts vor mehr als dreitausend Jahren gestohlen haben. Ziel war es gewesen, Separei zum Frieden zu bewegen. Das Gegenteil ist der Fall. Rhodan hat das Buch anscheinend in einer Außentasche gehabt, die verschwunden ist. Die Iltin Irisa taucht auf und reicht Rhodan das Buch. Kaum hat Separei das Buch erhalten, erklärt er sich zum Frieden bereit und lässt die Kampfhandlungen einstellen. Diese Vorgehensweise ist genauso naiv und dummdreist wie die Idee, dass alleine das gestohlene Buch den ungezogenen Separei zu einem mordenden Beserker macht.  Wie nicht selten wird Rhodans Großzügigkeit auch belohnt. Er erhält ohne Not wichtige Informationen wie eine sechstausend Jahre alte Leka- Disk und einen Code für den Planetenschirm. Es ist schade, dass insbesondere die Gegenwartsebene so stark konstruiert "endet". Viel Potential wird auch im Hinblick auf die nicht ganz zufriedenstellende Vergangenheitsebene aufgebaut, dazu kommen die mystischen Hinweise und die Handlungen der Personen erscheinen gekünstelt und sind zu wenig durchdacht. Hinzu kommt, dass die wirklich vielen Autoren und Handlungsschauplätze sich momentan nachhaltig hinsichtlich des durch Frank Borsch umständliche und vor allem teilweise phlegmatische Expose nicht begünstigten Plots auswirken. Auf der einen Seite versucht man, in den zwölf Taschenheften im Grunde im Arkonssystem keinen Stein auf dem anderen zu lassen, auf der anderen Seite wirklich sehr viel improvisiert und Scheers sicherlich heutzutage auch antiquiert erscheinende Hand mit klassisch klischeehaften Kommandounternehmen wird an einigen wichtigen Stellen vermisst.

Während in der Erstauflage die Arkoniden ja ihre Chance als degeneriertes Volk in den Augen der Superintelligenz ES verspielt haben, ist diese Entscheidung in der vorliegenden "Neo" Ausgabe noch nicht gefallen. Vieles wirkt weniger im Fluss als ambivalent gestaltet, um sich in wirklich alle Richtungen entwickeln zu können. Das erfordert aber eine besondere Strukturierung, die Frank Borsch seit Beginn von "Neo" nicht unternommen hat.

In der Vergangenheitsebene scheint Epetrans zu einem Multifunktionstalent zu werden. Auch das ist in beiden Serien auffällig. Während die Erstauflage zumindest in den letzten Zyklen die Verantwortung für verschiedene Aufgaben auf die unterschiedlichsten Schultern legt, klebt Frank Borsch an Epetran. Direkt von der „Beerdigung“ seines Sohns – das Gehirn befindet sich ja im skurrilen, eher befremdenden Begleitroboter – wird er zu einer im All treibenden Eiswelt – daraus wird später die elysische Welt – transportiert, die genau ins Arkonsystem zielt. Bislang scheint sie seit sechs Millionen Jahre unterwegs zu sein und hat dabei 50 Millionen Lichtjahre zurückgelegt. Also gute 8 Jahre Lichtjahre pro Jahr, was auf keinen natürlichen Himmelskörper hin deuten könnte. Der Imperator möchte, dass dieser Planet relativ schnell im Arkonsystem etabliert wird. Epetrans setzt seinen Sohn mit der Leka- Disk (der zweite lange Kreislauf, der sich schließt) auf dem Planeten ab. Im Inneren findet er eine Robotereinrichtung, die ihn nach entsprechenden Codewörtern fragt. Ein Ilt rettet ihn in letzter Sekunde, es werden wabenförmige Tiefschlafkammern entdeckt. Mit dem Anfahren der Reaktoren wird die Welt zu einem Paradies und im Arkonsystem tritt ES als eine einen Meter durchmessende Kugel aus der Sonne kommend auf den Regenten zu und macht ihm einen seltsamen, sich schon als Lüge erweisenden Vorschlag: nach dem Tod sollen die Regenten auf der elysischen Welt wieder zum Leben erweckt werden. Weiterhin soll dieser Planet als Fluchtwelt für alle Arkoniden und evtl. andere Völker dienen. Eine weitere Erklärung gibt es nicht. Dieses falsche Versprechen ist ja schon aus dem STARDUST System der Erstauflage bekannt. Nur kann niemand glauben, dass ein Planet eine Fluchtwelt an einem der potentiellen Brennpunkte – siehe den Kampf gegen den Maahks – überhaupt darstellen könnte. Zumal dieser Planet sich ja alleine eher schwerfällig fortbewegen könnte. Wenn ES einen unzugänglichen Sektor mit diesem Planeten für die Arkoniden „bevölkert“ hätte, wäre die Argumentationskette noch nachvollziehbar gewesen. Erstauflageleser werden an den falschen Versprechen der Superintelligenz ihre Freude haben. Die Warnung, dass die Arkoniden ihr Reich wegen antiarkonidischer Kräfte nicht unbedingt vergrößern sollten, wirkt ebenfalls als Gegenentwurf zur Erstauflage. Die Allianz der Nichtarkoniden wirkt eher wie manche Bemerkung kryptisch und aufgesetzt. Zusammengefasst bringt die Szene mit ES den Leser nicht unbedingt sonderlich weiter. Wie so oft sind die Bemerkungen wenig sinnvoll und stehen in einem ambivalenten Zusammenhang mit der laufenden Handlung, der in alle Richtungen interpretierbar ist.

Auch Separeis „Wächterstatus“ mit dem Buch der Heroen, das ihm von seinem Vater geschenkt worden ist und dessen Diebstahl schließlich die potentielle Vernichtung der Ilts auslöst wirkt abschließend nicht überzeugend. Entweder stellen die Ilts im Ringen um das große „Etwas“ eine besondere Gefahr dar. Dann sollten sie ausgerottet und nicht kontrolliert werden. Warum der Regent auf diesen Gedanken kommt, wird nicht weiter erläutert. Dann soll die Iltpopulation – nicht mehr als 100.000 – streng kontrolliert werden. Separei sollte die Drohnen warten und nicht eigene entwickeln. Jetzt führt er ja seinen persönlichen Feldzug gegen die Ilts.  Die alten Drohnen werden reaktiviert und beginnen die neuen Drohnen zu bekämpfen.

Viele Informationen erhält der Leser in dieser den Regenten betreffenden Gegenwartsebene nicht. Sowohl die Motivation Separeis ist eher kindlich/ kindisch und die Wissensbeschaffung folgt dem mehrfach angesprochenen Zufallsprinzip, zumal die Idee, das der Regent wegen seines falschen Status Angst haben müsste, nicht weiter verfolgt wird. Zumindest wird diese Handlungsebene am Ende nicht zufriedenstellend abgeschlossen.

 Der neue Zyklus ist erst einmal mit dem Aufräumen von alten Zöpfen beschäftigt. Mit Robert Corvus und Oliver Plaschka tritt das Team des letzten Romans an. Handlungstechnisch zufriedenstellend entwickelt, aber inhaltlich zu viele Fragezeichen aufwerfend kann der Leser froh sein, dass der „Arkon“ Zyklus inklusiv des „Epetrans“ Archivs abgeschlossen ist. Das den Arkoniden in „Neo“ eine intergalaktische Rolle zugesprochen wird, ist ohne Frage eine ausbaufähige Variation, aber wie die Informationen dargereicht werden und vor allem der sich wiederholende Lapsus am Ende negieren die wenigen lesenswerten Ansätze dieses zähen Romans.  

             

       

 

Pabel Verlag, Taschenheft

160 Seiten

Anfang Juli erschienen

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