Dream Houses

Genevieve Valentine

„Dream Houses“ ist eine intensive, sehr kompakt geschriebene Novelle in Buchform, deren Ausgangspunkt das Überleben in einer im Grunde unmöglichen Situation in den Tiefen des Alls ist. Viele Leser werden der Überzeugung sein, dass sie diese Versatzstücke schon aus unendlich verschiedenen anderen Filmen und Büchern her kennen. Sie liegen nicht einmal falsch damit, aber Genevieve Valentine hat das Szenario nicht nur auf der realistischen, sondern vor allem auf der emotional persönlichen Ebene noch einmal intensiver zusammengefasst. Sieben Jahre braucht ein Flug eines Transportschiffs mit einer kleinen Besatzung von der Erde zum Planeten Gliese, der eher eine Art MacGuffin darstellt. Eine karge Welt, die alles benötigt und doch so wenig zu geben hat. Die Besatzung befindet sich während des Flugs bis auf einen sechs Monate dauernden alternierenden Wach Rhythmus im Tiefschlag. Nach dem ersten Jahr der Reise findet sich Amadis Reyes plötzlich alleine und voller Blut in der Kommandozentrale des kleinen Schiffs wieder. Die Alarmsirenen heulen und sie ist orientierungslos. Relativ schnell findet sie heraus, dass sie die einzige Überlebende ist und zusammen mit der künstlichen Intelligenz an Bord vor einer schwierigen Situation steht.

Im ersten Drittel des Textes baut die Autorin ausschließlich Fragen in der Protagonisten und damit auch dem Leser auf. Warum sind die anderen Besatzungsmitglieder in ihren Schlafkabinen gestorben bzw. anscheinend ermordet worden? Die Vorräte scheinen nicht zu reichen, obwohl sie für ein waches Besatzungsmitglied für die ganze Mission kalkuliert worden sind? Die künstliche Intelligenz Capella scheint etwas vor ihr zu verheimlichen, denn eigentlich befindet sich das Raumschiff auf einer Leerfahrt, während das spezifische Gewicht allerdings nicht nur eine Fracht anzeigt, sondern Capella Amadis auch den Zutritt zu einem Frachtraum mit eher kryptischen Antworten verweigert.  Als klassische Robinsonade baut die Autoren eine ausgesprochen intensive Spannung auf, ohne auf die Klischees von „Alien“ an über „Pandemoneum“ bis zum kürzlich parallel im Atlantis Verlag veröffentlichten Roman „Paracelsus“ zurückzugreifen. Sie sucht ihr eigenen Wege und gibt ausreichend viele Informationen auch über ihre wichtigste und für den Leser einzige Figur Preis. Es werden keine falsche Spuren gelegt und der Spannungsaufbau erfolgt ausschließlich paranoid effektiv anstatt auf billige Schockeffekte zurückzugreifen. Am, Ende der Novelle muss sie allerdings als Autorin auch entsprechend liefern und der Leser erwartet eine zufrieden stellende Auflösung dieses schwierigen Szenarios. Ab der Hälfte des Textes geht die Autorin aber einen gänzlich anderen Weg, in dem sie mehr und mehr das persönliche familiäre Schicksal ihrer Protagonisten in den Mittelpunkt nicht nur dieser Geschichte stellt, sondern quasi im Zeitraffer das Schicksal der Erde kurzzeitig umschreibt. In „Song of Times“ findet sich ein vergleichbares Szenario, nur erzählt in diesem Fall eine ältere Frau einem jungen, unschuldigen Besucher von ihrem Leben und damit der politisch wirtschaftlichen Eskalation einer immer fanatischer werdenden Erde. Interessant ist, dass in „Song of Time“ wie auch „Dream Houses“ das Verhältnis zwischen Geschwistern und deren langen Schatten elementare Rollen spielen.    

Im Gegensatz zu „Song of Time“ wird die Vergangenheit nicht chronologisch aufgerollt, sondern steht immer in einer konträren Beziehung zur laufenden Handlung. Hier zeigt die Autorin den nicht nur geistigen, sondern auch körperlichen Verfall der Protagonisten und ihr immer schwieriger werdendes Verhalten gegenüber der opportunistischen Capella, deren Interessen als vielleicht größter Schwachpunkt der ganzen Geschichte nicht nachhaltig genug herausgearbeitet werden. Ohne eine direkte Konfrontation anzustreben stehen Capellas immer wieder ausweichenden Antworten in der Tradition von „HAL“ aus „2001“, wobei man ihr nicht keine unterkühlte Logik unterstellen kann.

Der Titel „Dream Houses“ bezieht sich auf einmal die Wachträume, denen Amadi mehr und mehr in der Eintönigkeit an Bord des Schiffes unterliegt und zum anderen auf die Vergangenheit, in der minutiös, aber teilweise auch bizarr das Verhältnis zu ihrem Bruder vor den Leser ausführlich und detailliert beschrieben wird. Obwohl die Autorin in einzelnen, nicht immer prägnanten, aber rückblickend auf den zweiten Blick wichtigen Episoden das Verhältnis zwischen der Protagonisten und ihrem Bruder absichtlich nonlinear, aber manchmal für den Leser nicht immer zeitlich richtig und effektiv einzuordnend beschrieben hat, ist es nicht deutlich, ob es abschließend wirklich zu dieser „Begegnung“ zwischen den Geschwistern kommt oder in welchen Verhältnissen sie zueinander stehen. Dabei wirkt ihr Bruder eher opportunistisch charakterisiert. Die Autorin muss den Leser ja aus einer ausschließlich subjektiven Perspektive überzeugen. Da sie auf die distanzierte, dritte und damit neutrale Erzählerebene verzichtet hat, spielt sich das Geschehen ausschließlich aus Amadis Perspektive ab, ohne ausschließlich in der Ich- Erzählerform geschrieben worden zu sein. Diese intime Ebene führt in der zweiten Hälfte zu teilweise aus verständlichen Gründen auch paranoiden Verzerrungen. Ihr Leben auf der Erde war einsam und traurig, wobei hier einige der Klischees auch geschickt umschifft werden. Im Grunde ist die Isolation an Bord des Schiffes eine konsequente Fortsetzung der Ereignisse. Diese pessimistische Grundeinstellung wird alleine durch ihre Liebe zur Musik durchbrochen. Dabei bewegt sie sich als Autorin auf einem schmalen Grad. Die Musik ist eine Ablenkung, aber keine Heilung. Amadi ist eine freiwillig oder unfreiwillig auf sich fokussierte Protagonisten in einer ohne Frage Extremsituation, deren einziges Verbindungsglied eben eine künstliche, ausgesprochen sachlich argumentierende künstliche Intelligenz ist, deren Eigeninteressen im Verlaufe der Handlung ein wenig in den Hintergrund gedrückt werden. Die innere Spannung der Situation – gestrandet im All ohne ausreichende Lebensmittel mit einer Art Geheimnis an Bord und keiner wirklichen Chance auf Rettung – wird im Verlaufe des nicht stringenten, aber intensiv geschriebenen Plots zu Gunsten oder zu Lasten der innere Qualen der Protagonisten relativiert, was aus „Dream Houses“ insbesondere für das Science Fiction Genre mit seinem Hang zu eindimensionalen Figuren eine emotionale Bereicherung darstellt. Auch wenn viele Aspekte des Grundhandlung dem Leser vertraut vorkommen, hat sie Autorin den Mut, auf den letzten Metern diese Handlungsaspekte auf den „Kopf“ zu stellen und den Leser zu zwingen, das ganze Szenario noch einmal aus einer gänzlich anderen, aber stets vorhandenen Perspektive zu betrachten. Zusammenfassend eine interessante Lektüre, die im Vergleich zur teuren, signierten und limitierten, mit einem wunderschönen, das Szenario versinnbildlichen Titelbild auch als preiswerte E- Book Ausgabe lektüretechnisch sehr empfehlenswert ist.

 
 

  • File Size: 322 KB
  • Print Length: 127 pages
  • Simultaneous Device Usage: Unlimited
  • Publisher: Wyrm Publishing (October 10, 2014)
  • Sold by: Amazon Digital Services, Inc.
  • Language: English
  • ASIN: B00NZD7ROQ
  • Text-to-Speech: Enabled