Kritik zu The Expanse 1.01: 50.000 Kilometer (Pilot)

SPOILER

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The Expanse Season 1 Poster

Der Weltraum. Unendliche Weiten. Wir schreiben das 23. Jahrhundert. Die Probleme der Menschheit sind durch die Besiedlung von Mond, Mars und anderen Teilen des Sonnensystems nicht kleiner geworden. Auf Ceres ermittelt ein desillusionierter Detektiv, die Crew des Eisfrachters Canterbury gerät in Schwierigkeiten, und auf der Erde plagt man sich mit einer terroristischen Vereinigung und Problemen auf dem Mars...

Dies & das

Jonathan Banks, bekannt und beliebt aus Breaking Bad und Better Call Saul, spielt hier den durchgeknallten Blumenfreund und ersten Offizier der Canterbury - leider jedoch nur einmalig.

Wollmilchsau

Was kann es für einen bekennenden Trekkie, Fiver und SF-Nerd Schöneres geben, als eine neue Serie, die von Raumschiffen wie auch Raumstationen handelt und auch noch politische und gesellschaftliche Fragen mit qualitativ hochwertiger Ästhetik verbindet? Unverständlich eigentlich, dass ich die Serie trotz dieser Vorschusslorbeeren derart lange im Schrank gelassen habe. Vielleicht war die Information, dass ausgerechnet Syfy für die Produktion verantwortlich ist, daran Schuld? Dabei gab es durchaus auch gute Gründe, der Serie eine Chance zu geben: Naren Shankar, ehemals Produzent und Autor bei Star Trek: Die nächste Generation, Deep Space Nine und Voyager fungiert als Ausführender Produzent und die zugrunde liegenden Bücher von Daniel Abraham und Ty Franck (dort als James S. A. Corey genannt) werden seit Jahren sehr wohlwollend besprochen. Da beide auch noch als Produzenten und Autoren bei der Serie an Bord sind, ergibt sich fast eine Situation wie bei The Walking Dead und Game of Thrones. Eine zu hohe Messlatte? Nun landete die erste Episode von The Expanse endlich doch noch auf dem Bildschirm. Da sich die Handlung auf verschiedene Orte und Charaktere erstreckt, gliedern wir das Ganze mal ein wenig.

Leben auf Ceres - fast wie Zuhause

Auf Ceres bietet sich uns zunächst ein Querschnitt durch die Probleme der Erde. Ressourcenknappheit, Überbevölkerung, scharfe Trennung sozialer Schichten. Die Reichen leben im Luxus, die Armen dümpeln vor sich hin, und zwielichtige Gestalten versuchen, mit benutzten Luftfiltern den großen Reibach zu machen.
 
Inmitten dieses Treibens ermittelt Detective Joe Mills für die private Sicherheitsfirma Star Helix Security. Mills ist ein Gürtler (englisch: Belter), gehört also zu jenen Arbeitern, die unter schwierigsten Bedingungen im Asteroidengürtel nötige Ressourcen abbauen und durch die dort herrschende geringe Schwerkraft Deformierungen aufweisen.
 
Sein neuer (inoffizieller) Auftrag führt ihn auf die Spur eines verschwundenen Mädchens, Tochter einflussreicher Eltern von der Erde. Thomas Jane bringt dabei in nur wenigen Szenen eine entrückte Traurig- und Skrupellosigkeit in den Charakter ein, die ihn verletzlich und undurchschaubar zeichnet. Als Gürtler steht er gewissermaßen zwischen den Stühlen - anerkannt von keiner Seite. Seinen Respekt muss er sich hart verdienen. In der Summe haben wir es an dieser Front dennoch eher mit einem Stimmungsbild denn mit einer wirklichen Handlung zu tun. Die Charaktere werden vorsichtig positioniert, der Ort der Handlung etabliert und erste Querverbindungen gezogen (Suche nach Mao, Wasserknappheit) - das passt für den Moment.

Die Canterbury - wir haben sie kaum gekannt

Wechseln wir das Theater. Auf dem Eisfrachter Canterbury hat man just die Ladung verstaut und befindet sich auf dem Weg nach Ceres. Dort wartet man schließlich händeringend auf frisches Wasser. Ein Arbeiter hat bei den Arbeiten seinen Arm verloren und hofft nun auf eine topaktuelle Prothese und die Navigatorin sowie ein Mann namens Jim Holden vergnügen sich beim Sex in Schwerelosigkeit. Zurückhaltend scheint die Serie also schon mal nicht zu sein. Doch muss zunächst der erste Offizier ausgetauscht werden, da der Vorgänger offenbar den Verstand verloren hat und mit Blumen spricht. Der Neue, eben jener Holden, findet seine Beförderung wenig erfreulich und erzwingt auch noch einen Umweg, um einem Hilferuf der Scopuli nachzugehen. Dieses Schiff haben wir bereits ganz zu Beginn der Episode mit Julie Mao an Bord gesehen. Jener Mao, die Mills auf Ceres suchen soll. Der Rest der Crew der Canterbury samt Captain hätte diesen Notruf gerne ignoriert, um einen besseren Preis auf Ceres zu ergattern. Schöne, neue Welt.
 
Auf der Scopuli findet man jedoch niemanden. Als sogar noch ein unbekanntes Schiff erscheint, ist Eile geboten. Zwar kann der kleine Trupp den Torpedos ausweichen, muss jedoch auch die Zerstörung der Canterbury mit ansehen. Sofort wird der Mars als potentieller Aggressor ins Spiel gebracht, da sich zwischen dem eigenständigen roten Planeten und der Erde eine Art militärischer Pattzustand entwickelt hat.
 
In diesem Handlungsstrang kommt dann auch definitiv Game of Thrones-Feeling auf, da es nicht wirklich zu erwarten war, dass man bereits in der ersten Episode ein Schiff dieser Größe samt frisch eingeführten Captain und Freundin von Jim Holden in die Luft jagt. Ein wenig Unsicherheit ist nie verkehrt. Auch die Erzählgeschwindigkeit profitiert hier. Merke: Wenn man noch genug Story zu erzählen und interessante Charaktere in der Hinterhand hat, darf das Tempo auch von Beginn an gerne hoch und die Verlustliste lang sein.

Derweil auf der Erde

Die Szenen auf der Erde sind gegenüber den anderen beiden Brandherden hier noch überschaubar. Mit Chrisjen Avasarala lernen wir die stellvertretende Unterstaatssekretärin der Vereinten Nationen kennen, die sich mit den immer problematischer werdenden Übergriffen der Widerstandsgruppe OPA (Outer Planets Alliance) sowie den Problemen auf und mit dem Mars beschäftigt und offenbar auch nicht vor Folter zurückschreckt. In ihrer Gewalt befindet sich ein Gürtler, von dem sie sich Antworten erhofft. Schauspielerin Shohreh Aghdashloo hat man zuletzt als Admiral in Star Trek Beyond erlebt, sie war aber beispielsweise auch in Grimm, 24 oder Elementary zu sehen.
 
Große Bedeutung wird dieser Storyline zwar noch nicht gestattet, man erfährt aber zumindest, dass die Erde eine gewichtige Rolle im Gesamtkonstrukt spielt, was auch schon bei Babylon 5 wunderbar funktioniert hat und ebenfalls früh eingeführt wurde (Stichwort: Präsidentschaftswahl).

Augen und Ohren

Selbst wenn die Story noch nicht allzu tief gräbt, kommt man in Sachen visueller Präsentation aus dem Staunen nicht heraus. The Expanse macht in ihrer ersten Episode nahezu alles richtig und zeigt uns einen Look zwischen Star Wars und Alien, der abgenutzter und realistischer kaum sein könnte. Die Station Ceres ist - wie auch Babylon 5 - ein wunderbarer Ort der Gegensätze, der uns sogar eine unterirdische Promenade zeigt, die irgendwie dem B5-Zócalo ähnelt - eben nur in richtig gut. Die Canterbury überzeugt durch pragmatische und klaustrophobische Kulissen und die Weltraumszenen können es durchweg mit aktuellen Kinohits aufnehmen. Ein dickes Kompliment an alle Beteiligten. Zudem bietet uns Komponist Clinton Shorter einen wunderbar tragenden Score, der die Optik noch zusätzlich in die Breite zieht. Die Titelsequenz geriet als Sahnehaube ähnlich episch wie die von Battlestar Galactica.
 
Die Erschaffung einer glaubhaften Welt ist hier bereits der größte Pluspunkt der Serie. Alles fühlt sich real und nachvollziehbar an. Die ist eine Zukunft, die man sich durchaus für die nächsten Jahrhunderte der menschlichen Entwicklung vorstellen könnte. Kudos!
 
Schauspielerisch tut sich noch niemand besonders hervor. Schade ist aber, dass der wunderbare Jonathan Banks nicht länger in seiner absurden Rolle zu sehen sein wird. Der Rest vom Cast wirkt aber kompetent gewählt, wenn auch in Sachen Optik Parallelen zu Game of Thrones (jung, durchtrainiert, sexy) nicht von der Hand zu weisen sind. Thomas Jane, Steven Strait und Cas Anvar hinterlassen insgesamt noch den größten Eindruck.

Die Frau des Rezensenten

Eine seit Jahren geltende Tradition sagt: Wenn sie auf der Couch Platz nimmt, gehört sie auch ins Review. Für sie war die Auftaktepisode zu überladen, zu verspielt und ausufernd in Charakteren und Orten. Sie fühlte sich unangenehm an die ersten beiden Staffeln Game of Thrones erinnert, als sie damit kämpfte, dem Überfluss an Story zu folgen. In einem ihrer heiteren Momente bezeichnete sie Holden als “Commander Schnee” - ob das ein Kompliment war, vermag ich nicht zu sagen. Dafür gefiel ihr aber die Zeichnung der Zukunft, die für sie viel näher an dem liegt, was sie sich selber vorstellen kann. Im Gegensatz zu jeder Inkarnation von Star Trek über Babylon 5, Star Wars, Stargate oder Firefly, die ihr oft zu abgehoben ansetzen. 

Kurz gesagt

Ein Traumstart. Zwar hat die Serie bei der Storytiefe noch viel Luft nach oben, die grandiosen Produktionswerte machen das zu diesem Zeitpunkt jedoch mehr als wett. Sollte man die politisch-gesellschaftlichen Spannungen kompetent ausbauen können, wartet hier unter Umständen ein ganz dickes Ding auf den geneigten SF-Fan.
 
Wertung: 4 von 5 nagelneue Luftfilter
 
Nächstes Mal darf Miller sich in "The Big Empty" auf Ceres mit Wasserdiebstahl befassen und die Überlebenden der Canterbury müssen schnellstmöglich Hilfe besorgen.

The Expanse

Originaltitel: The Expanse (2015)
Erstaustrahlung am 23.11.2015
Darsteller: Thomas Jane (Josephus "Joe" Aloisus Miller), Steven Strait (James „Jim“ Holden), Cas Anvar (Alex Kamal), Dominique Tipper (Naomi Nagata), Wes Chatham (Amos Burton), Shawn Doyle (Sadavir Errinwright), Shohreh Aghdashloo (Chrisjen Avasarala), Frankie Adams (Roberta "Bobbie" W. Draper)
Produzenten: Broderick Johnson, Andrew Kosove, Sharon Hall, Sean Daniel, Jason F. Brown, Mark Fergus, Hawk Ostby, Naren Shankar
Basiert auf der gleichnamigen Romanreihe von Daniel Abraham & Ty Franck
Staffeln: 3+
Anzahl der Episoden: 24+


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