Die Tantalus Chroniken

Hans Joachim Alpers & Ronald M. Hahn

Unter dem Pseudonym Mischa Morrison haben Ronald M. Hahn und Hans Joachim Alpers im Jahre 1975 die fünf Romane um den Planeten Tantalus veröffentlicht. Dabei hat Hans Joachim Alpers nach verschiedenen Quellen vier der fünf Werke geschrieben, alleine der dritte Band „In den Höhlen des Tantalus“ stammt aus der Feder Ronald M. Hahns. Der Apex Verlag hat die fünf ursprünglich bei „Terra Astra“ publizierten Heftromane in einer behutsamen modernisierten Neuauflage in einem Band neu veröffentlicht.

„Das Ende der DEMETER“ eröffnet die Reihe. Auf den ersten Blick scheint Hans Joachim Alpers in einem allerdings erstaunlich getragenen, ein wenig belehrenden Stil ein klassisch pulpiges Szenario zu beschreiben. Auf der letzten Station ihrer Expedition in die Tiefen des Alls stürzt das Raumschiff DEMETER über dem zahlreiche Wunder verbergenden Planeten TANTALUS ab. Die folgenden Romane beschreiben den Überlebenskampf der restlichen Besatzung und ihre Reise zu einem bestimmten Punkt auf dem Planeten, wo sie sich Hilfe für eine Rückkehr zur Erde versprechen.

Der Auftakt der fünfteiligen Serie erfordert sehr viel Geduld. Hans Joachim Alpers bemüht sich immer wieder, die Idee einer Space Opera zu unterminieren. An Bord der DEMETER herrscht eine Art Basisdemokratie. Der Kommandant und sein Stellvertreter werden von der Mannschaft gewählt, wobei es erstaunlich ist, dass die seit vielen Jahren auf engsten Raum zusammenlebenden Menschen einen Westentaschenpsychopathen nicht erkennen, wenn er vor ihnen steht.

So ist er von seiner „Freundin“ besessen und entführt diese auch am Ende des Buches. Er will sie isolieren und kontrollieren, während diese die anfänglichen Warnungen auch ihrer an Bord befindlichen Schwester ignoriert. Natürlich gibt es unter den restlichen Männern einen ehrlichen Mann, der seine heimlich Angebetete befreien möchte.

Hans Joachim Alpers nimmt sich fast akribisch Zeit, die einzelnen Protagonisten zu charakterisieren.  Da werden allen überlebenden Mannschaftsmitgliedern sogar einzelne Rettungskapseln zugeordnet oder in einem Zeitraffer ihre Stärken und Schwächen vorgestellt.

Mit dem intelligenten und bis zu einem gewissen Grad inklusiv des entsprechenden Humors „bewaffneten“ Schiffscomputer wird das ein wenig steril wirkende Leben an Bord der DEMETER abgeschlossen.

TANTALUS lernt der Leser auf zwei Ebenen kennen. Zum einen wird gleich zu Beginn  in einer Szene, die der Insektenwelt genauso wie van Vogts „Space Beagle“ Geschichten entnommen worden ist, der harte Überlebenskampf auf dieser seltsamen wie vielschichtigen Welt vorgestellt.  Vorsichtig, aber effektiv baut Alpers immer wieder derartige Szenen in die Handlung ein.

Das Beiboot der DEMETER verliert in der Atmosphäre TANTALUS den Funkkontakt zum Mutterschiff. Die drei Besatzungsmitglieder sind bald auf sich alleine gestellt. Auch hier trennt sie der Autor in einem weiteren klassischen Schnitt voneinander. Auf den letzten Seiten überschlagen sich in mehrfacher positiver Hinsicht die Ereignisse. Wie im Klappentext erwähnt wird die DEMETER zum Absturz gebracht, gleichzeitig wird auf der Planetenoberfläche unter der Erde eine gigantische seltsame Stadt gefunden.

Im Sammelband weniger zu spüren, aber in den Einzelheften ein wenig ärgerlicher ist das jeweils offene Ende natürlich in einer dramaturgisch überzeugten inszenierten Actionsequenz. Trotz des vorhersehbaren grundlegenden Handlungsverlauf beginnt die Miniserie durch die vielen kleinen, in der zweiten Hälfte des Plots überraschenden Idee unabhängig von Hans Joachim Alpers weiterhin belehrend getragenen Stil zu fesseln. Der Autor hat zwar noch keinen richtigen Zugriff auf die einzelnen Protagonisten und beschreibt ihre Handlungen pragmatisch distanziert, aber es ist erkennbar, dass insbesondere der besondere Planet TANTALUS seine Phantasie beflügelt.  

Der Handlungsbogen am Ende des ersten Heftromans wird erst im dritten Teil „In den Höhlen des Tantalus“ wieder aufgenommen.  Wahrscheinlich Ronald M. Hahn impliziert im dritten Teil, dass die Menschheit zumindest von der Existenz einer legendären raumfahrenden und arroganten Rasse gewusst hat, deren Nachkommen auf Tantalus verborgen, aber an den Fäden der Macht ziehend leben.

Im zweiten Band der Serie „Die Sklaven des Tantalus“ wird von den Überlebenden zweier Rettungskapseln ein außerirdisches Raumschiff auf dem Planeten gefunden, das nicht nur funktionstüchtig ist, sondern das zusammen mit einem anderen Flugobjekt ein Mitglied der DEMETER Crew unabsichtlich entführt. Die gestrandeten Menschen auf dem Weg zur Notstation – das verbindende Element der Folgeromane – sind überrascht und ein wenig wirkt es so, als wenn man noch nicht vielen technologisch überlegenen fremden Kulturen begegnet ist.  Das stünde aber in einem Widerspruch zum dritten Band, in welchem der paranoide stellvertretende Kommandant gleich die ihn nach der Notlandung begrüßenden Fremden einer Rasse zuordnen kann.

„Die Sklaven des Tantalus“ ist ein Streifzug durch eine wilde archaische und primitive Welt. Aus dem ersten Heftroman tritt mit Doppelherz ein Protagonist auf dem Prolog wieder auf, der geheimnisvoll und anscheinend wissend den Menschen zu helfen sucht. Die kleine Gruppe – von den sechs Menschen bleiben nur vier übrig – beginnt sich zu zerstreiten, wobei Arroganz und Dominanz und Selbstsucht zum Streit und zur Trennung führen. Selbst die Beziehung zwischen zwei Besatzungsmitgliedern zerbricht schließlich.

Der Struktur des Romans ist fast belehrend simpel. Der Gute bringt den Einheimischen bei, wie sie sich mit einer modernen Kriegstechnik gegen die besser ausgerüsteten marodierenden Armeen verteidigen können. Um das Klischee nicht abschließend zu erfüllen, ist der Mensch eher Katalysator für die schnell lernenden Einheimischen, die seine Ideen und Techniken selbst weiterentwickeln.

Zwei andere Menschen kommen schließlich in die Sklaverei, weil der dem Wein verfallene Mann nicht das Glücksspiel lassen kann.  

Die Geschichte ist grundlegend nicht neu und die Informationen über die unterschiedlichen Völker auf diesem Planeten eher mäßig interessant.  Es fehlt im wahrsten Sinne des Wortes eine entsprechende Dynamik im Handlungsverlauf.  Zumindest technisch mit den Wasserflugschiffen hat der Autor einige bizarre Ideen.

Am Ende wird dem Leser noch sehr offensiv die Botschaft vermittelt, dass man miteinander trotz charakterlicher Unterschiede einfach weiterkommt als egoistisch alleine.

Im dritten Band „In den Höhlen des Tantalus“ greift Ronald M. Hahn mit dem paranoiden Vizekommandanten und seinem hinsichtlich der inzwischen Ex Freundin dominanten Verhalten auf einen der am meisten exzentrischen und dadurch aus der Masse der DEMETER Crew herausragenden Protagonisten zurück.  Die auf Tantalus lebenden Außerirdischen sehen in den Menschen Bastarde, entstanden aus einer Vereinigung mit den Einheimischen. Interessant ist, dass die Menschen aus dem Stehgreif von dieser legendären Rasse gehört haben, die Fremden sich trotz ihrer technologisch hochstehenden Vergangenheit nicht vorstellen können, dass andere „Außerirdische“ auf diesem Planeten gelandet sein könnten.

Zumal „Die Sklaven des Tantalus“ einen derartigen Besuch gerade beschrieben haben.  Vor allem geht es aber den Autoren darum, ein wenig Demut  in den Menschen durch die Versuchungen, aber auch Herausforderungen des Tantalus zu erwecken.         

Wie in den anderen Heftromanen muss mindestens einer der Gestrandeten auf sehr unterschiedliche Art und Weise sterben. Dabei erfolgt die Entsorgung des bisher aufgebauten Antagonisten in Gegenwart seiner ehemaligen Freundin Nicole auf eine fast unspektakuläre Art und Weise. Bizarrer wird es im vierten Heftroman, wenn die Rettungskapsel auf oder in einem seltsamen Wesen landet, das einen der Menschen assimiliert, zu einem riesigen Ball mit einem sich stetig verstärkenden Panzer anwächst, plötzlich platzt und eine kurzzeitige Überraschung hinterlässt. Da ist der Tod durch einen Pfeil mitten ins Herz fast oberflächlich zu nennen.

Schade ist, dass „In den Höhlen des Tantalus“ diese fremdartige Welt nicht weiter ausführt. Die Flucht aus dem gigantischen System, in welchem auch die Nachkommen der Fremden hausen, basiert eher auf der Nutzung vorhandener Technik als Action. An der Oberfläche werden Nicole und ihr neuer Begleiter wieder mit der archaischen Kultur konfrontiert, welche der Leser aus dem vor allem zweiten Heftroman der Serie kennt.

Wieder endet die Geschichte auf einer moralischen Note. Nicole fühlt sich frei, als Frau kann sie endlich ihren ureigenen Wünschen und Gelüsten nachgehen. Sie will nicht mehr in die einengende Zivilisation der DEMETER Crew zurückkehren.

Während die Botschaft am Ende von „Die Sklaven des Tantalus“ Gemeinschaft ist alles lautet, wird in „In den Höhlen des Tantalus“ neben Frauenpower auch der Individualität im Gegensatz zu der doch stringenten Bordgemeinschaft gehuldigt.

„Die Fallen des Tantalus“ stellt Nicoles Schwester in den Mittelpunkt der Handlung. Es ist auch das hinsichtlich der Exzentrik des Planeten beste Abenteuer. Neben der bizarren Landung auf einem besonderen Wesen fasst Alpers in einem Nebenarm noch einmal das bisherige Geschehen zusammen. Im Gegensatz zu den bisherigen Planetenabenteuern verzichtet Alpers auf eine Reihe von archaischen Actionszenen und konzentriert sich auf den Hintergrund der vielschichtigen Welt. Anscheinend leben so viele so unterschiedliche Rassen auf dem Planeten, dass man fast von einer von außen besiedelten Welt sprechen kann.

Das Verständnis gegenüber einer weiteren Rasse – den Menschen – ist deutlich größer als in „In den Höhlen des Tantalus“, da anscheinend bei den Wesen, denen Nicoles Schwester und ihr sehr kleines Team begegnen, außerirdisches, auf Tantalus gestrandetes Leben wieder als bekannt vorauszusetzen ist.

Es ist eine bizarre Reise. Neben der seltsamen Verwandlung Maxims schließen sich die Menschen einer kleinen Gruppe von Gauklern an; durchqueren ordentliche Kilometer am Ende des Heftromans wie Nichts und finden als Erste den Notstützpunkt. Angesichts der unterschiedlichen Landepunkte – das Team im abschließenden Roman muss 14.000 Kilometer zurücklegen, die bisher beschriebenen Gruppen eher zwischen 1500 und 3000 Kilometer – könnten sich die jeweiligen Gruppen auf eine längere Zeit in der Basis aber mit Bier und Coca Cola einrichten.

Angesprochen wird auch noch einmal die Idee, dass die Einheimischen aufgrund ihrer Suche nach radioaktivem Blut und ihren Enttäuschung über die falsche Botschaft des Gottes – damit ist das Beiboot der DEMETER gemeint – das Mutterschiff mit PSI Kräften vom Himmel geholt haben. Wie einige andere Ansätze – die unterirdische Stadt und Spuren anderer technisch hochstehender Zivilisation – wird diese Idee aber eher gestreift und nicht wirklich zufriedenstellend abgeschlossen.

Diese Schwächen gleichen die beiden Autoren aber mit sehr vielen bizarren bis neuen guten Ideen aus.   In „Die Kinder des Tantalus“ wird zu Beginn eine letzte Gruppe auf die Reise zur Sendestation geschickt. Ihre Reise wäre die Weiteste und sie bekommen auch aktive Hilfe von Doppelherz, einem seit dem Prolog wiederkehrenden einheimischen Charakter.

Der Epilog zeigt, dass Alpers und Hahn nicht unbedingt eine klassische Space Opera schreiben wollten. Sie durchbrechen die Wand zum Leser, in dem sie ihn direkt ansprechen. Sie fassen das Schicksal von zahlreichen kleineren Gruppen noch einmal zusammen und erweitern es um die Menschen, deren Reise ausschließlich der Leser verfolgt hat. Hinzu kommt die Botschaft, dass Beziehungen unter allen Umständen nicht für die Ewigkeit gemacht worden sind. Verhältnisse an Bord der DEMETER sind auf Tantalus zerbrochen, auf dem Planeten geschmiedete Beziehungen an der Routine nach der Rettung gescheitert und nur Nicole hat anscheinend in den Armen eines Einheimischen ihr Glück gefunden.

Der Abschluss der Serie ist pragmatisch zu nennen. Alpers und Hahn fassen das Geschehen kurz zusammen, die Rettung erfolgt quasi im Off. Bis dahin werden aber aus der subjektiven Perspektive der Protagonisten sehr viele, aber nicht alle Hintergrundinformationen und angerissenen Themen noch einmal abgehandelt. Ein Teil der Entwicklungen auf dem Planeten von den unterirdisch gestrandeten Außerirdischen bis zu dem Volk, das aufgrund eines früheren atomaren Krieg eine bestimmte Menge Radioaktivität in ihrem Speiseplan benötigt zeigen, wie minutiös der Hintergrund des Tantalus entwickelt worden ist.

Bei der Zeichnung der Protagonisten gehen die Autoren manchmal ein wenig wie mit einer Schablone geplant  vor. Viele Besatzungsmitglieder der DEMETER Crew definieren sich eher über ihre Berufe. Natürlich wachsen sie auf sehr unterschiedliche Art und Weise über sich angesichts der primitiven Herausforderungen des Planeten hinaus, aber es wirkt nicht „zwingend“, nicht dynamisch genug. So ist es überraschend, dass ausgerechnet im letzten Roman mit dem Auftauchen des Kommandanten – er befand sich zum Zeitpunkt des Absturzes auf Tantalus – die Kurve wieder nach unten zeigt. Die Autoren verzichten auf Überhelden und nicht selten retten sich die Menschen eher durch Zufall oder dank der Einheimischen als alle aufgrund ihrer technischen oder intellektuellen Überlegenheit. Vielleicht wirkt der Kontakt mit den Einheimischen wie auch den anderen Außerirdischen zu simpel gestaltet und einige Aspekte hätten nachhaltiger extrapoliert  werden können, aber dafür ist ein Heftroman vielleicht nicht immer das geeignete Medium.  

Zusammengefasst handelt es sich bei dieser Miniserie um auch heute noch kurzweilig gehobene Unterhaltung, die meistens auf die Actionklischees der Space Opera zu Gunsten des schon angesprochenen differenzierten Hintergrunds des Tantalus – die Ansprache personifiziert den Planeten ohne dass diese Idee weiter entwickelt wird – verzichtet. Stilistisch manchmal ein  wenig zu getragen, ambitioniert mit Sendungsbewusstsein geschrieben hat der Miniserie die Neuauflage mehr als verdient.          

  • Taschenbuch: 504 Seiten
  • Verlag: Apex Verlag; Auflage: 1 (5. Mai 2019)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3748539924
  • ISBN-13: 978-3748539926
  • GALAXIS SCIENCE FICTION, Band 18: DIE TANTALUS-CHRONIKEN - Geschichten aus der Welt von Morgen - wie man sie sich gestern vorgestellt hat. - Ronald M. Hahn, Hans Joachim Alpers