Der Ring um das Auge Gottes

Larry Niven & Jerry Purnelle

Fast zwanzig Jahre später veröffentlichten Larry Niven und Jerry Pournelle mit „The Gripping Hand“ oder „The Moat Around Murcheson’s Eye“ eine direkte Fortsetzung zu „Der Splitter im Auge Gottes“. Ein dritter Band „Outies“ ist von keinem der beiden Autoren verfasst worden.  Stattdessen hat Jerry Pournelles Tochter – eine bekannte Archäologin – den Handlungsbogen nicht nur fortgeführt, sondern die Trilogie mit einem ganz frühen Jerry Pournelle Abenteuer „Ein Raumschiff für König David“ verbunden. Dieser Roman erschien ursprünglich in den siebziger Jahren und wurde von Jerry Pournelle in den achtziger Jahren wie auch die Romane um seinen Söldner Falkenberg grundlegend überarbeitet.

Die Handlung spielt knappe füpnfundzwanzig Jahre nach den Ereignissen in „Der Splitter im Auge Gottes“. Die beiden Autoren greifen auf zwei Nebenfiguren des ersten Bandes zurück, wenn sie als neue Figur die Tochter zweier direkt beteiligter Expeditionsteilnehmer als neue Identifikationsfigur für die Leser aufbauen.

Es ist notwendig und wichtig, dass zuerst „Der Splitter im Auge Gottes“ gelesen wird. Auch wenn immer wieder Ereignisse aus diesem Band in der Fortsetzung teilweise ein wenig umständlich durch lange Zitate aufgegriffen werden, kommt es auf die Feinheiten an. Am Ende des ersten Teils wurde der reiche Kaufmann, Revolutionär und im Grunde zum Tode verurteilte Horace Bury zu einer Schlüsselfigur der Randwelten. Er sollte für die militärisch royale Zentralregierung Spartas auf den Randwelten eben in der Nähe des Splitters Gottes – eines Sternennebels- für Ruhe sorgen. Für Ruhe in den Augen der Spartaner. Als Kontrollinstanz is ihm Captain Sir Kevin Renner zur Seite gestellt worden.

Fast fünfundzwanzig Jahre haben die beiden sehr unterschiedlichen, aber sich auch gegenseitig respektierenden Männer offen und im Untergrund für Ruhe gesorgt. Die Marine hatte ja die Aufgabe übernommen, den Durchgang zu dem Reich der Außerirdischen zu verschließen, um so eine für die Menschheit im Grunde tödliche Invasion durch die ihnen alleine aufgrund des Vermehrungsfaktors und ihrer adaptiven Fähigkeiten überlegenen, aber noch technisch unterlegenden Fremden zu verhindern.

Fünfundzwanzig Jahre sind eine lange Zeit und immer mehr Menschen in der Nähe der Kontrollpunkte denken, dass die Fremden vielleicht doch nicht so schlimm sind wie man denkt.

 Der Roman zerfällt in zwei unterschiedliche Teile. Die obligatorische Rückkehr einer entsprechenden Gruppe von Menschen in das System der Fremden erfolgt erst in der zweiten Hälfte des Buches. Trotzdem ist der erste Teil deutlich spannender.

Anscheinend gibt es eine Gruppe von Mormonen, die inzwischen aktiv wie aggressiv ihre Ziele hinsichtlich der Fremden auf den politisch fragilen Randwelten zu verfolgen suchen. Sie scheuen sich auch nicht, Offizielle des Reiches anzugreifen. Ihr Deckname „The gripping Hand“ als Anspielung auf die dritte Hand der fremden Arbeiter wird immer wieder aufgegriffen, aber politisch nicht unbedingt zu Ende geführt.

Larry Niven und Jerry Pournelle nehmen sich zwar die Zeit, ihr Universum zu erweitern und selbst den Herrscherplaneten Sparta zu besuchen, auf dem ausgerechnet die letzten Splits in Obhut der ehemaligen Expeditionsleitung leben, aber viele der Diskussionen wirken wie die Quadratur des Kreises. In dieser Hinsicht wirkte der erste Teil der deutlich ambitionierter und vor allem auch bis zur interessanten Pointe zielführender. Der Leser war durch die zwei Handlungsebenen den Protagonisten immer einen Schritt voraus. Die Aufsplitterung des Plots funktioniert im vorliegenden Buch weniger gut, die Protagonisten agieren fast ausschließlich auf Augenhöhe der Leser.

Auch wirkt die Frage, ob eine Expedition ausgeschickt wird, eher überflüssig. Das die Fremden einen erfolgreichen und sehr geschickten Vorstoß aus ihrer Dunkelwolke in dem Moment abschließen können, in welchem auch die Mannschaft und Renner sowie Bruce an dem Übergangspunkt ankommt, wirkt schon fast wie ein Klischee. Natürlich ist das Militär unter Druck, die Fremden aufzuhalten und ihre Schiffe im Diesseits zu vernichten, während ein neues Raumschiff durch den Schlund quasi an den Ort zurückkehrt, an dem der größte Teil des „Ein Splitter im Auge Gottes“ Plot spielte.  

Im ersten Teil entwickelten die Autoren ambitioniert, aber auch aus einer interessanten Perspektive heraus den Plot. Die Protagonisten, sich überlegen fühlenden Menschen konnten sich nicht sicher sein, ob die Fremden hilflos putzig mit der Fähigkeit der Imitation ausgestattet oder hinterhältig verschlagen mit der verzweifelten Suche nach neuem Lebensraum agieren.

Im vorliegenden Buch liegen in der Theorie die Karten auf dem Tisch. Die Menschen versuchen seit mehr als fünfundzwanzig Jahren die Außerirdischen in ihrem Reich gefangen zu halten. Eine zweite Front mit einer Veränderung eines Protosterns können die Menschen monetär wie militärisch nicht halten. Daher drängt die Zeit. In der Wolke selbst gehen die Autoren aber einen anderen Weg. Anscheinend hat der Besuch der Menschen die Splitts doch ein wenig verändert. Sie haben sich Namen orientalischer Völker und Stämme in der Tradition des damaligen Kaufmanns Burr gegeben. Einzelne Parteien führen gnadenlose Vernichtungskriege gegeneinander und die Fronten scheinen sich auch nach dem Auftauchen der Menschen fast täglich zu verändern.

Dem Geschehen in der Wolke fehlt die Geradlinigkeit. Nichts gegen ein ambitioniertes Chaos, aber weniger wäre in den Fällen wirklich mehr gewesen. Vor allem gegen Ende auch nach einigen kleineren kriegerischen Auseinandersetzungen ist der einzige zukunftsfähige Weg eine Art Zusammenarbeit/ Kooperation vor allem in wirtschaftlich politischer Hinsicht. Dazu muss aber mit den verschiedenen Fürsten eine Basis gefunden werden. Die Verhandlungen nehmen auch im direkten Vergleich mit dem ersten Teil einen zu kleinen Teil ein und gehen nicht zu sehr in die Tiefe. Damit fehlt der Fortsetzung nicht nur ein wichtiges, sondern ein durch die Vielfalt der menschlichen Meinungen beginnend beim Militär über die Wirtschaftsinteressen bis zur Neugierde der Wissenschaftler endend zeitlos ambitioniert erscheinendes Element.

Weiterhin schwach ich die Zeichnung der Charaktere. Vor allem die Beziehungen zwischen Männern und Frauen. Im ersten Buch mussten die beiden wichtigsten Figuren mit sanfter Gewalt zu einer Beziehung überredet werden, in der Fortsetzung ist es die knapp neunzehn Jahre alte Tochter, die zwischen einer potentiellen Karriere und einem ersten Freund sich entscheiden muss. Unabhängig davon, das der Freund sie nicht nur an die Schnittstelle gebracht, sondern einen Schritt weiter in das Reich der Splits gegen den ausdrücklichen Willen der Eltern geführt hat.

Trotz aller Ecken und Kanten gelang es Larry Niven und Jerry Pournelle, statisch stoisch handelnde, aber wiedererkennbare Figuren als Pro- und Antagonisten zu entwickeln. In der Fortsetzung trifft das auf nur ganz wenige Charaktere zu. Die meisten sind unscheinbare Mitläufer.

Auch der Hintergrund rückt ein wenig aus dem Fokus. Die Erkundung der fremden Sphäre nahm fast achtzig Prozent des Romans ein. In „Der Ring um das Auge Gottes“ spielt nur knapp die Hälfte des Plots in der fremden Welt und davon dienen höchstens zwanzig Prozent der Hintergrundentwicklung.

Zusammengefasst rundet aber „Der Ring um das Auge Gottes“ die am Ende des ersten Teils aufgeschobene Problematik zufriedenstellend und weniger militärisch als befürchtet ab. Beide Romane lesen sich unabhängig von ihrem Umfang und der angesprochenen Schwächen kurzweilig. Der Leser muss nur einen militärischen Hintergrund, ein keine reinrassige Military Science Fiction akzeptieren, um diese Geschichten aus dem Blickwinkel auch genießen zu können.    

 

Der Ring um das Auge Gottes

  • Taschenbuch: 573 Seiten
  • Verlag: Heyne (1994)
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-10: 3453079507
  • ISBN-13: 978-3453079502