Alles Licht der Welt

Hugh Walker

Im Gegensatz zu den bisherigen Sammelbänden beginnt „Alles Licht der Welt“ mit der gleichnamigen Kurzgeschichte, die Hugh Walker unter dem Pseudonym Madman Curry Mitte der sechziger Jahre als Utopia Zukunftsroman 513 veröffentlicht hat. Stimmungstechnisch vom New Wave inspiriert geht es um einen vierzehn Jahre alten Jungen mit besonderen empathischen, aber nicht nachhaltig genug extrapolierten Fähigkeiten, der berauscht von seiner voyeuristischen Fähigkeiten auf einen blinden Bettler trifft, mit dem er eine letzt endlich verhängnisvolle Verabredung trifft. Sehr kompakt geschrieben mit einer allerdings als Kompromiss – das ganz dunkle Ende wollte Hugh Walker seinen Lesern nicht zumuten – anzusehenden Auflösung ist „Alles Licht der Welt“ prägnant für Hugh Walkers eher nach innen gerichtete Science Fiction Arbeiten. 

 Der erste Roman „Der Wall von Infos“  (Zauberkreis 117, 1972 veröffentlicht) ist der schwächste der drei hier gesammelten längeren Texte. Dabei spielt Hugh Walker noch einmal mit der Idee einer potentiellen Real- Phantasie, einer virtuellen Welt, die für die Überlebenden einer globalen Katastrophe in einer autark agierenden Anlage erschaffen werden könnte. Vor fast eintausend Jahren hat sich diese Forschungsstadt mit dem Wissen der Menschheit aufgrund der ausbrechenden, neunzig Prozent der Menschheit dahin raffenden Seuche isoliert. Zeitgleich mit einer in das Tal ausgeschickten Expedition erwacht im Inneren mit Raymond einer der Menschen, die dort anscheinend mittels Traumbändern im Koma gehandelten worden sind. Wenn diese Traumbänder abgelegt werden, sieht die Handvoll Überlebender eine Erde, die sich mühsam von der Seuche erholt hat und auf der Menschen wieder in einer primitiven, archaischen Stammeskultur leben. Als Ganzes wirkt „Der Wall von Infos“ nicht komplett, nicht abgerundet genug. Immer wieder finden sich überdurchschnittlich gut geschriebene Szenen wie die an „Dark Star“ erinnernden Dialoge zwischen dem Computer und Raymond, in dem Gott dem Chaos zugeschrieben wird, während die Maschine der Heilsbringer ist. Auch das Leben und kurzzeitige Überleben in der Anlage ist solide beschrieben. Dagegen wirkt die Begegnung zwischen den der Forschungsstadt entflohenen Menschen und den „Einheimischen“ distanziert, abrupt und zu hektisch die Handlung abschließend beschrieben. Die zu Beginn initiierte Expedition ist einer der Spannungsbögen, der in der Mitte des Romans eher im Nichts verschwindet. Stilistisch teilweise ein wenig zu distanziert, zu belehrend geschrieben wird der Leser durch die eher sperrigen, unsympathischen Protagonisten auch nicht richtig in das Geschehen einbezogen, so dass aus der bekannten und teilweise klischeehaften, aber ohne Frage in neue Richtungen ausbaufähigen Prämisse gegen Ende des Plots zu wenig Gehalt gezogen wird.  

Thematisch hat Hugh Walker aus „Rebellion der Talente“ (Terra Nova 182, 1971) die Grundidee der Maschinenversklavung des Menschen um seiner Selbst willen mit den entsprechenden Exzessen für „Der Wall von Infos“ übernommen. Während allerdings die Post Doomsday Geschichte in der fernen Zukunft angesiedelt ist, liegt die Unterdrückung der Menschen durch die Gerichtsmaschine in Wien sowie vielleicht der ganzen Welt näher an der Gegenwart. Viele Abschnitte erinnern an die Paranoia Phantasien, die Philip K. Dick allerdings in deutlich vielschichtigerer Form zu dieser Zeit geschrieben hat. Der Protagonist Krahmer ist  Geschworener. Obwohl das GERICHT als Maschine in erster Linie für die Urteile zuständig ist, dienen die Menschen als williger Helfer. Fakten oder Beweise werden direkt aus dem Bewusstsein/ Unterbewusstsein der Angeklagten in den Geist der Geschworenen übertragen. Das Urteil wird dann unverzüglich durch die Koordinierung durch das GERICHT gefällt und vollstreckt. Die Todesstrafe soll ausgeschlossen sein. Anschließend werden die Erinnerungen der Geschworenen wieder gelöscht. Als Krahmer eines Abends einer jungen Frau auf der Flucht vor der Polizei begegnet, rettet er sie und bringt sie ihn seine Wohnung. Sie präsentiert ihm zwei Informationen. Zum einen fünf Namen, an deren Verurteilung er beteiligt gewesen ist und die Tatsache, dass wieder Todesurteile vollstreckt werden. Anscheinend missbraucht die Maschine die Geschworenen und hat auch mittels der von ihr ferngesteuerten Puppen jeglichen Widerstand ausgeschaltet. Krahmer schließt sich mit der jungen, über latente Mutantenfähigkeiten verfügenden Frau dem Widerstand an. 

Wie in seinen späteren Horror Romanen wird ein im Grunde unbescholtener Bürger aus seinem langweiligen, bürgerlichen Leben gerissen und mit Vorgängen konfrontiert, die seiner bisherigen Erfahrung widersprechen. Hugh Walkers Helden sind dabei ausgesprochen lernfähig. Relativ schnell schafft es Krahmer mit seiner attraktiven, ihn schnell liebenden Begleitung immer wieder der Polizei zu entkommen. Höhepunkt ist der Austausch der Identitäten, der in dieser inzwischen zur Diktatur verkommenen Gesellschaft allerdings vom GEHIRN nicht mit Freispruch, sondern mit dem Tod bestraft werden müsste. Es ist ein schmaler Grad, auf dem sich Krahmer bewegt und alleine der Erfolg rechtfertig sein Vorgehen. Der Widerstand ist erstaunlich gut schon organisiert und selbst ohne Krahmer, aber nur mit seiner von Innen heraus operierenden Begleitung könnte ein Erfolg gesichert sein. Während die erste Hälfte des Romans ausschließlich aus Reaktionen besteht, dominiert die allerdings gute geschriebene Aktion den zweiten Teil. Ohne zu brutal zu werden zeichnet Hugh Walker das Portrait einer erfolgreichen, aber auch von zahlreichen Zufällen abhängigen Aufstandes gegen die Maschine. Vielleicht geht einiges abschließend zu schnell und die Auflösung dieser von den meisten Menschen selbst gewählten Diktatur – die Maschine macht weniger Fehler als die ansonsten verantwortlichen Personen – geht zu zügig. Als Abenteuerroman ist „Rebellion der Talente“ allerdings überzeugender konzipiert als zum Beispiel „Der Wall von Infos“, der zu viele Aspekte auf dem Weg liegen lässt.

Mit Krahmer hat Hugh Walker wieder einen Durchschnittsbürger – als Geschworener hat er ein etwas gehobene Stellung, ragt aber im Grunde aus der Masse nicht sonderlich heraus – in den Mittelpunkt des Geschehens gestellt, der im Vergleich zu den eher dunkel oder nihilistisch endenden Horror Romanen nicht nur die Liebe, sondern in einer neuen Staatsordnung auch Erfüllung finden wird. Es sind die Hintergrundideen dieser Gesellschaft – die Delegation von Verantwortung an eine im Grunde neutrale Instanz, die wieder anscheinend von Menschen im Hintergrund missbraucht worden ist - , welche den Roman auch heute noch lesenswert machen. Im Vergleich zum ständig misstrauischen Philip K. Dick schenkt Hugh Walker seinen Protagonisten zumindest die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. In Kombination mit den „Real- Phantasie“ Romanen der ersten Sammlung ist „ Rebellion der Talente“ die beste Science Fiction Arbeit Hugh Walkers, die größere Aufmerksamkeit verdient hätte.

„Das Signal“ (Blitz Verlag 1997) ist der bislang neuste Roman der ganzen „Hugh Walker“ Edition.  Leider geht bis auf der alternative, erweiterte Ende aus dem Vorwort nicht hervor, wann Hugh Walker die Idee bzw. das Expose für diese Arbeit verfasst hat. Teilweise wirkt der Plot wie eine Anspielung auf die durch die „X- Files“ neu entfachte Euphorie, nicht alleine dort draußen, dann dreht sich die Handlung und insbesondere der abschließende, erklärende Teil erscheint direkt aus den fünfziger Jahren übertragen worden zu sein. Mit ein wenig mehr Euphorie und vor allem besser gezeichneten Charakteren, einem ambivalenteren Ende und einem kontinuierlichen Spannungsaufbau hätte „Das Signal“ zu Hugh Walkers besten Science Fiction Romanen gehören können. So wirken Abschnitte des Buches bemüht, zumal die Traumsequenzen insbesondere im Vergleich zu seinen Horrorarbeiten bzw. selbst den in „Real- Phantasie“ zusammengefassten Romanen erstaunlich eindimensional erscheinen. Jeff Crane leidet unter dem Phänomen der verlorenen Zeit. Immer wieder erwacht er und kann sich nicht an die letzten Tage erinnern. Allerdings werden diese Auszeiten von Alpträumen begleitet, so dass im Gegensatz zu Crane der Leser schon ahnt, in welche Richtung der Plot gehen wird. Er lernt eine attraktive Rothaarige kennen, die unter den gleichen Auszeiten leidet. Gemeinsam wollen sie dem Phänomen auf den Grund gehen, während insbesondere das Militär etwas dagegen hat. Gekonnt spielt Hugh Walker mit den Bausteinen des UFO Genres. Area 51. Dazu keine UFOs, sondern AFOs, da das Geheimnis dieser fliegenden Untertassen bekannt ist. Wesen, die direkt aus Roswell stammen könnten und alle Klischees der UFO Anhänger ohne Probleme erfüllen. Paranoia und Verschwörungstheorien. Insbesondere in der ersten, lesenswerteren Hälfte des Romans schöpft Hugh Walker souverän und unterhaltsam aus dem Vollen. Der Leser hat das unbestimmte Gefühl, nur einen Schritt vor den Protagonisten agieren zu können, während der Autor jeden Moment die Falltüren öffnen wird, um die Handlung in eine andere Richtung zu bugsieren. Wenn später die intergalaktischen Zivilisationen inklusiv des schon seit anscheinend Jahrhunderten währenden Krieges hinzu kommt, schafft es Hugh Walker, ein romantisch verstörendes Bild der Raumschlachten zu zeichnen, bevor er mit dem Horchposten zwar ein Geheimnis des Signals öffnet, aber den Plot nicht zufrieden stellend und vor allem nachhaltig abschließen kann. Da hilft auch die implizierte, wie in allen hier zusammengefassten SF Romanen eher konstruiert erscheinende Liebesgeschichte wenig.

Der große Unterschied ist, wie sich die Außerirdischen auf der Erde aufhalten. Aus dieser kontinuierlichen Konfliktsituation hätte der Autor sehr viel mehr machen können, zumal er es in seinen Horror Romanen mit den Wesenveränderungen einige Jahre vorher nachdrücklich bewiesen hat. Es ist schade, dass der Versuch, dem UFO Sujet neue Impulse auf eine originelle Art und Weise zu geben, gegen Ende zu stark zerfasert. Während seine „Real- Phantasie“ Romane zumindest teilweise stilistisch seine späteren Horror Romane vorwegnahmen und die Protagonisten in existentielle Krisen stürzen, folgt nur „Rebellion der Talente“ diesem Weg. Daher ist es keine Überraschung, das dieser Roman aus den drei hier versammelten Arbeiten positiv herausragt, während „Das Signal“ am Ende mit seiner zu ernsten Vorgehensweise die ansprechenden Ansätze zu Beginn negiert und der Auftaktband „Der Wal von Infos“ in erster Linie hinsichtlich der pointierten Zwiegespräche zwischen Mensch und Maschine nachhaltig beeindrucken kann. Auffällig ist aber, dass Hugh Walker in allen drei Bänden sich als Abkürzungsfetischist präsentiert, der mit sichtlichem Vergnügen bekannte Buchstabengruppen umformuliert und dabei eine erstaunliche Phantasie walten lässt. 

Wie allen liebevoll zusammengestellten Bände der „Hugh Walker“ Edition sind die Titelbilder der Originalausgaben mit Hinweisen auf die Künstler genauso nachgedruckt worden wie Informationen zur ganzen Edition und zu Beate Rocholz effektiv gestalteten Titelbild.           

  • Format: Kindle Edition
  • Dateigröße: 1379 KB
  • Seitenzahl der Print-Ausgabe: 367 Seiten
  • Gleichzeitige Verwendung von Geräten: Keine Einschränkung
  • Verlag: EMMERICH Books & Media, Konstanz (25. März 2015)
  • Verkauf durch: Amazon Media EU S.à r.l.
  • Sprache: Deutsch