Thieves fall Out

Thieves fall out, Titelbild, Rezension
Gore Vidal

Auch wenn sein Name heute mehr in Vergessenheit greaten ist, gehört Gore Vidal zu den markantesten und vielleicht experimentellsten Autoren der vierziger Jahre. Während die meisten Autoren zu Beginn ihrer Karriere unter Geldproblemen litten, konnte Vidal an seine provokanten Werke – einige stammen aus der Zeit, als er intensiv Ägypten besuchte – nicht mehr anknüpfen und wurde von einem sich drastisch verändernden Buchmarkt quasi in die Armut gedrängt. So schrieb er 1953 zum Teil basierend auf eigenen Erfahrungen während des Eingangs angesprochenen Ägyptenaufenthaltes für 3000 USD den jetzt neu aufgelegten Thriller unter Pseudonym Cameron Key, abgeleitet aus Familiennamen. Es ist nicht der einzige Abstecher in den Bereich des Pulpabenteuers. Während er seiner ebenfalls in den fünfziger Jahren erschienenen Edgar Box Mysteries auch unter dem eigenen Namen wieder veröffentlicht hat, blieb „Thieves fall out“ der Vergessenheit überlassen. Erst in den sechziger Jahren begann die Presse wieder auf sein Werk aufmerksam zu werden. Schon während des Zweiten Weltkriegs hat er sich als scharfer Kritiker der amerikanischen Außenpolitik etabliert und nahm immer wieder sich der Idee der Korruption im privaten wie öffentlichen Leben an. Alles Ansätze und Themen, die sich neben einer vielschichtigen und nuancierten Auseinandersetzung mit Homosexualität in diesem Buch wiederfinden. 

Ob der Autor mit der Neuveröffentlichung – sein Name prangt jetzt in großen Buchstaben teilweise über dem Körper einer orientalischen Schönheit in sehr leichter Bauchtänzerbekleidung – glücklich ist, kann nicht beantwortet werden.  Aber die Veröffentlichung dieses Thrillers ist überfällig und selbst wenn der Leser durch den ganzen Plüsch auf die zugrundeliegende Geschichte wenige Tage vor den politischen Unruhen inklusiv des Königssturzes schaut, dann erwartet ihn ein stetig an Tempo zunehmender Plot, der die nationalsozialistische Vergangenheit Ägypten mit Rommel vor den Toren genauso streift wie das Leben eines Drifters, der in dem Land der Pharaonen gestrandet auf eine schnelle, möglichst ungefährliche Art und Weise Geld verdienen möchte, um wieder in die Staaten zurück zu kehren.

Peter Wells ist ein so typischer Verlierer. Mit wenigen Worten und einer erotischen Szene führt Gore Vidal seinen Protagonisten ein. Die amerikanische Botschaft kann und will ihm nicht helfen. Er ist im Grunde das typische Opfer, das sich nicht selten in diesen kurzweilig zu lesenden Thriller vom Spielball unterschiedlicher Interessengruppen zu einem markanten Spieler entwickelt, der am Ende wenig überraschend um mehrere Erfahrungen und ein hübsches Mädchen reicher das Geschehen überlebt, während die einzelnen Gruppen sich gegenseitig auf teilweise grausame Art und Weise ausschalten.  Die ersten Opportunisten suchen ihn gerade deswegen aus, weil er naiv und ein wenig ahnungslos, aber auch verzweifelt ist. Er soll in das Tal der Könige reisen, um dort von einem Mittelsmann einen Gegenstand übergeben zu bekommen, den er wieder nach Kairo bringen soll. Dabei handelt es sich um das Halsband der Königin Tiy. Historisch gesehen legt Vidal seinen Romanen hervorragend an. Das Land ist politisch unruhig und ein Putsch droht. Viel schlimmer ist, dass ein Gesetz verabschiedet worden ist, das es vor allem Ausländern verbietet, die Jahrzehnte lang geplünderten Kunstschätze des Landes weiter zu reduzieren und sie im Ausland möglichst steuerfrei an Sammler zu verkaufen. Spätestens mit der Einführung dieses Gesetzes wird die opportunistisch handelnde Polizei den Schmuggel unterbrechen. Die Zeit drängt und die bislang korrupten Polizisten in Form eines anscheinend überall präsenten Kommissars  wollen beginnen, diese Gauner zu überführen.

Inhaltlich ist der vorliegende Roman ausgesprochen konventionell. Die Handlung ist so geradlinig, dass die einzelnen Interessengruppen sich selbst an der Nase herumführen, damit Spannung aufkommt. Ohne Tempowechsel und vor allem eine interessante Wendung fließt der Plot dahin. Ohne den Autorennamen im Hintergrund wäre diese Geschichte von der Zeit vergessen worden.

Das Vidal einige Zeit in Ägypten gelebt hat, zeigt sich an der dreidimensionalen, sehr natürlichen, aus heutiger Sicht aber auch wie eine Zeitkapsel wirkenden Beschreibung des Landes und seiner Menschen. Nicht selten nutzt der Autor auch einige Klischees, wenn es um die Charakterisierung der immer hilfsbereiten und doch ein wenig „falschen“ Nebenpersonen geht. Nicht selten hat der Leser das unbestimmte Gefühl, als verfolge er das Geschehen nicht in einem Buch, sondern sieht sich einen entsprechenden Film dieser Zeit an. Bei einigen Figuren kann man im Geist die Gesichter der entsprechenden heute fast unbekannten Hollywoodschauspieler erkennen. 

Peter Wells ist ein fast lebendes Klischees. Er ist ein Frauenheld, der gleich zu Beginn nach einer anscheinend wilden Nacht in einer Absteige mittellos aufwacht.  Die Romanze ist zu Anfang fast eine Art Selbstparodie. Da wird er zu einer reichen, immer noch attraktiven Frau geführt, die früher mit einem der führenden Nazis zusammen gelebt hat. Sie will ihn für diesen Auftrag und dazu muss er gründlich hilflos untersucht werden. Wie bei seinen homosexuellen Beschreibungen in seinen anderen Büchern geht Vidal in anderer Hinsicht in unangenehme Details. Später lernt Peter die Sängerin Anne kennen, die aufgrund ihrer Vergangenheit in dem besiegten Deutschland und einem Konzentrationslager so einen Hass auf Tyrannen jeglicher Art ist, dass sie als Werkzeug missbraucht werden kann, obwohl das inklusiv entsprechender Hilfsmittel wie Entführung und Erpressung nicht mit den Plänen der Schmuggler übereinstimmt. Mit dem angesprochenen Polizisten liefert sich Peter Wells kontinuierlich Faustkämpfe, in denen der Ägypter immer wieder zu Boden geht, während der König mit seinen zahllosen Gespielinnen und einem Hang zur Selbstdarstellung eher wie eine Farce erscheint. Kein Wunder, das das Volk mit indirekter Unterstützung durch einige europäische Mächte bereit steht, ihn zu stürzen. Es sind auch die Ägypter, welche immer wieder vor allem nach der männlichen Sexualität greifen. Irgendwann im Verlaufe der Geschichte hat nicht nur jede der wichtigen oder unwichtigen Figuren einen Revolver in der Hand gehabt, er wurde auch immer ausführlich beschrieben gespannt.   Im Nachtzug von Kairo nach Luxor findet sich natürlich ein Skorpion in Peter Wells Bett, dessen Stachel ihn zumindest so lange lähmen soll, wie die Schmuggelaktion dauern könnte. Peter Wells wird auch geschlagen, gefesselt und in einem dunklen Verließ zeitweilig von schwer zu definierenden Kräften festgesetzt. Nur die Folter gönnt Gore Vidal seinem gebrochenen, aber immer wieder aufstehenden Protagonisten noch nicht.

Die Actionszenen sind kurzweilig, aber stereotyp geschrieben. Gegen Ende überschlagen sich die Ereignisse und der in mehrfacher Hinsicht raffinierte Plan hinter dem ersten Plan wird in einer Szene enthüllt, die den charismatisch verrückten Schurken aus den James Bond Filmen alle Ehre macht. Der Handlungsstrom muss zu Gunsten dieses Monologs förmlich eingefroren werden. Als Stilist ist Gore Vidal zumindest so begabt, dass seine plüschigen Beschreibungen eines eher aus realen Beobachtungen und phantastisch märchenhaften Hintergrundaspekten bestehenden Ägyptens den Leser mehr fesseln als der geradlinige Handlungsverlauf, der mit einigen Abweichungen von Michael Crichton unter dem Pseudonym John Lange zumindest noch einmal „aufgewärmt“ worden ist. In der vorliegenden Form hätte „Thieves fall out“ ohne Frage weniger ein unterhaltsam zu lesendes, inzwischen in Ehren ergrautes Buch ergeben, sondern vor allem ein klassisch klischeehaftes B- Picture sein können, an dessen Ende ein Happy End im Chaos der Revolution gegen alle Wahrscheinlichkeiten steht. Auch wenn der Autor wahrscheinlich diese Wiederveröffentlichung nicht gut geheißen hat, steht „Thieves fall out“ als Bindeglied zwischen seinen literarischen Meilenstein ausgesprochen gut da. Zwischen den Zeilen wird viel mehr über den Schöpfer ausgedrückt als eigentlich ausdrücklich geschrieben worden ist. In dieser Hinsicht ist die Wiederentdeckung vor allem unter biographischen Gesichtspunkten bemerkenswert.      

 

 

Hard Case Crime, 220 Seiten

Paperback

April 2015
ISBN: 978-1-78116-792-2
Cover art by Glen Orbik

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