Gallaghers Tochter

Âchim Hiltrop

Mit “Gallaghers Tochter” liegt weniger auf der Auftakt einer weiteren Trilogie um Clou Gallagher vor, als der erste Teil eines wahrscheinlich epochalen und fulminanten Romans, der den Söldner und Kriegshelden, den Verbrecher und Mörder nicht nur mit seiner Vergangenheit konfrontiert, sondern ihn auf großen Umwegen zurück zu seiner Familie führt. Dabei verzichtet Achim Hiltrop wie es sich für einen derartig umfangreichen Roman gehört auf jeglichen Kitsch und führt auch Neueinsteiger mittels teilweiser allerdings absichtlich subjektiver Rückblenden sehr gut in seinen inzwischen umfangreichen Kosmos ein. 

 

Fünfzehn Jahre sind vergangen, als Gallagher seine Frau und seine Tochter zur Erde vorgeschickt hat. Er wollte ihnen folgen, hat aber den Planeten nicht erreicht. Als die ersten Gerüchte die Seitenarme der Galaxis erreichen, das Gallagher nicht tot, sondern gefangen genommen worden ist, macht sich sein ehemalige Freund Mad Ota Jedrell auf die Suche nach Gallagher. Schon in den ersten Kapiteln spielt Hiltrop mit den Versatzstücken des Buddygenres. Eine im Grunde unmögliche Mission, bei der ein Haufen alternder Söldner sich zusammenfinden, um einen der Ihren zu retten. Als Beimischung kommt der unreife Junge eines der Geldgeber dazu, für den es zu einer “Coming of Age” Geschichte werden könnte. Finanziert wird diese Expedition von einem geheimnisvollen Hintermann, dessen Interessen eher auf der politischen Ebene liegen. Vielleicht fällt es Jedrel ein wenig zu leicht, die Trigger zu finden oder dem roten Faden nach mehr als fünfzehn Jahren zu folgen, aber spannend und vor allem aus der subjektiven Rückblendenperspektive erzählt sind diese Momente auf jeden Fall. Darüber hinaus schlägt Hiltrop einen leicht melancholischen Ton an, wenn er Jedrel sowohl von der Selbstzerstörung der Flotte bei Bulsara als auch dem Tod der Tonya Dellane berichten lässt. Im Laufe seiner inzwischen fast zwanzig Jahre umfassenden Arbeit an dieser Serie ist Hiltrop nicht nur als Erzähler gereift, er variiert insbesondere im vorliegenden Roman die verschiedenen Tempi. Das erste Drittel des Buches ist ein klassisches Buddypicture, in das mit Gallaghers Tochter Rebecca eine interessante Variation des Söldners tritt. Sie ist in dem Glauben aufgewachsen, dass ihr Vater ein Verräter und Betrüger ist. Sie glaubte den Gerüchten, dass er eine Affäre mit Tonya Dellane gehabt hat und deswegen nicht zur Erde gekommen ist. Ihre Mutter hat sich lange dem Alkohol hingegeben, bevor sie nicht wie in klassisch kitschigen Melodramen an gebrochenem Herzen gestorben, sondern sich wie der Showdown verrät ihrer früheren Tätigkeit wieder zu gewandt hat. Rebecca dagegen hat den Namen ihres Vaters abgelegt. Da sie nicht freiwillig nach ihm suchen möchte, braucht Jedrel einen hinterhältigen Trick. 

 

Nach gut einem Drittel des Romans führt Achim Hiltrop den fünfzehn Jahre im Kälteschlaf gefangenen gehaltenen und mit einem Gedächtnisblock ausgestatten Clou Gallagher wieder in die Handlung ein. Vielleicht folgt der Autor hier ein wenig den Versatzstücken des Genres, wenn Gallaghers Erinnerungen nicht nur manipuliert worden sind, sondern er als codierter  Killer funktionieren soll. Auf der anderen Seite beginnt sich in rasanter Geschwindigkeit das politische Konstrukt aufzulösen, das der Autor detailliert entwickelt hat. Die Erde greift mit einer gigantischen Wunderwaffe, die wie eine Mischung aus dem “Todesstern” und dem “Peacemaker” Colt des Wilden Westens erscheint, die Hauptstadt Kerian ohne weitergehende Kriegserklärung an und vernichtet sie. Gallagher wird Zeuge. Mit dem Kriegseintritt der Erde beginnen sich die Fronten zu verschieben. Geschickt lässt Hiltrop jetzt die beiden parallel laufenden Handlungsebenen mit Gallagher auf der einen Seite als opportunistisches Werkzeug und Jedrel/ Rebecca auf der anderen Seite während einer Befreiungsaktion/ einem Attentat in einer exklusiven Klinik zusammenlaufen. 

Nach einem ruhigen, eher rückblickend erklärenden Beginn hat der Autor ab der Hälfte des Buches das Tempo deutlich angezogen. Insbesondere der Mittelteil mit seinen fast undurchschaubaren Intrigen und verschiedenen Wendehälsen zeigt die Komplexität von Hiltrops Universum. Auch wenn die finale Konfrontation leider oder besser gesagt positiv nur vorläufig aufgelöst wird, weißt sie vielleicht die meisten Schwächen aus. 

Es wäre zu viel gesagt, Vergleiche mit John Woos Actionthriller “Hardboiled” anzustellen, ganz verkehrt liegt man aber auch nicht. Gallagher ist Opfer und Täter zu gleich, in dem er einmal seiner unterbewussten Koordinierung folgen muss und gleichzeitig den Hintermann niederstrecken kann. Das Team um Jedrel versucht auf verschiedenen Ebenen in diese isolierte Klinik einzudringen, wobei die Verwandtschaft des Grünschnabels zu einem der dort residierenden Männer insbesondere Rebecca zu leicht den Zugang ermöglicht. Ein Teil der Söldner versucht sich von außen durch eine verminte unwegsame Umgebung einzuschleichen, was spannungstechnisch zu wenig hilft, aber zumindest Raum für eine Reihe von Machosprüchen lässt. Wie geschrieben, das Ende ist knallig direkt und actionreich, befriedigt aber nicht gänzlich. Eine zynische Pointe hat der Autor aber in der Hinterhand. 

Viel interessanter ist die Weiterentwicklung der einzelnen Protagonisten. Gallagher ist trotz seiner erzwungenen Kälteschlafes fünfzehn Jahre älter. In der Zeit seiner Genesung finden sich eine Reihe von Anspielungen, gegen Ende des Buches ist diese Karte ausgespielt und Gallagher ist wieder der Alte. Vielleicht hätte Hiltrop die Betonung nicht so stark zurücknehmen müssen. Auch als halber Invalide ist der ehemalige Söldner und Kriegsheld nicht nur eine charismatische, sondern vor allem eine interessante Figur. Das Wiedersehen mit seiner Tochter soll ihn “weicher” machen. Ansätze sind auf jeden Fall vorhanden. Es bleibt abzuwarten, ob diese charakterlichen Veränderungen nicht originärer, aber bislang verschütteter Bestandteil des komplexen Kriegshelden ist, den Hiltrop inzwischen über sieben Romane und eine Vielzahl von Kurzgeschichten erschaffen hat. Auf der anderen Seite geht  Rebeccas Wandlung zu leicht. Zu sehr ist Gallagher ein Opfer der von ihm nicht zu verantwortenden Umstände. Diese Komponente - in erster Linie in Hinblick auf die politischen Intrigen hinter den Kulissen - hat Hiltrop insbesondere in der mittleren Trilogie sehr viel nuancierter und intelligenter angelegt. Auch die potentielle Liebesgeschichte zwischen Rebecca und dem eher verwöhnten kleinen Cartier wirkt eher als lange, vielleicht zu lange Einleitung für ein Tochter- Vater Gespräch am Ende des Romans, in das der Autor seine ganze Erfahrung als Vater packt, das aber trotzdem eher den typischen Rollenmustern solcher Gespräche folgt. Hier hätte man mehr erwarten können. Neben den schon angesprochen Figuren überzeugt vor allem der treue Jedrel in der erste Hälfte des Buches, der eine menschlichere Variante Gallaghers, aber positiv für den ganzen Roman keinen Ersatz für den Namensgeber dieser Buchserie darstellen kann oder soll. 

Obwohl die meisten Actionszenen sehr solide beschrieben worden sind und der “Peacemaker” nicht nur eine Hommage an die von Achim Hiltrop geliebten “Star Wars” Filme darstellt, sondern die ultimative Antwort auf futuristische Kriege ist, wirkt “Gallaghers Tochter” manchmal ein wenig zu hektisch niedergeschrieben. Achim Hiltrop bereitet manche irrsinnig erscheinende Szenen - wie den Polizeiroboter bei der Gruppe der Befreier, der Gallagher im Grunde befreien und gleichzeitig für einen nicht verjährten Mord wieder verhaften möchte - ausführlich und geschickt vor, um sie dann hektisch - ein Codewort reicht aus, auch wenn mehr als nur die Maschine ausgeschaltet wird - und nicht immer nachvollziehbar abzuschließen. Auch die Antagonisten hätten noch ausführlich beschrieben werden können, vielleicht sogar müssen. Mit Rajennko verfügt die Oppositionen über einen opportunistischen und interessant beschrieben Wendehals, dessen Ziele der Autor absichtlich noch im Dunklen hält. 

Als Auftaktdrittel eines wie schon angesprochen sehr umfangreichen Romans ist es zu früh, einen endgültigen Stab über diese Geschichte zu brechen. “Gallaghers Tochter“ liest sich aber ausgesprochen flott und die zahllosen Details sind sehr gut in die kontinuierlich voranschreitende Handlung integriert worden. Vielleicht hätte man sich ein wenig mehr Handlung die Titelfigur betreffend und etwas weniger Gallagher gewünscht, aber zusammenfassend eine gut geschriebene Geschichte mit etwas Neuem und viel positiv vertrauten wie bekannten Science Fiction Material.