Götter aus Licht und Dunkelheit

Götter aus Licht und Dunkelheit, Titelbild, Rezension
Roger Zelazny

Der Bastei Verlag veröffentlichte 1981 mit „Götter aus Licht und Dunkelheit“ einen Roger Zelazny Roman, der wie kaum ein anderes Werk unter seinen Romanen für Licht und Schatten steht.

Der Amerikaner hat das Buch 1969 geschrieben in einer seiner stärksten Phasen geschrieben. Der Originaltitel spricht von „Creatures of Light und Darkness“ und trifft damit den Kern des Plots deutlich mehr. Auch wenn Gott gleiche Kreaturen vor allem der ägyptischen und später auch griechischen Mythologie auftreten, folgt Roger Zelazny dem Pfad, den er schon in „Herr des Lichts“ angegangen ist. Die Bevölkerung ist der Ansicht, dass diese „Fremden“ Götter sein müssen, aber an keiner Stelle wird es expliziert erwähnt. Allerdings geht Roger Zelazny nicht unbedingt zum Verständnis des Plots noch einen Schritt weiter, in dem der Autor sich konsequent weigert, den einzelnen Interessengruppen einen überzeugenden Hintergrund zu schenken.

 In „Fluch der Unsterblichkeit“ hat sich der Amerikaner mit der griechischen Kultur beschäftigt. „Herr des Lichts“ ist seine „Abrechnung“ mit dem Hinduismus/ Buddhismus. Auf den ersten Blick ist der dritte Roman dieser nur göttertechnisch miteinander verbundenen Trilogie eine Abrechnung mit der ägyptischen Götterwelt, wie es Roger Zelaznys vor allem im Auftaktkapitel eindrucksvoll unter einen allerdings eher fiktiven wie vagen Beweise stellen will. Im Verlauf der Handlung weicht der Autor aber nicht zum letzten Mal in seinem Langwerk von dieser Grundprämisse ab und versucht viel zu viele Ideen auf viel zu wenig inhaltlichen Raum zu platzieren und vor allem die verschiedenen Götterwelten zu mischen.

Im Verlaufe der Handlung kommt es nicht nur zu Exkursen wieder in die griechische Mythologie mit dem Minotaur, sondern der Bogen schwenkt gen Norden. Die nordischen Götter wirken in diesem Fall wie Fremdkörper, da Zelazny unwillig ist, sie in einer Form in die immer mehr absichtlich in Form des New Wave an Struktur verlierende Handlung einzubauen.

 Wie eine Hommage an Moorcock wirkt dann auch noch eine eigene Schöpfung. Roger Zelazny hat immer in seine Bücher auch eigene mystische Ideen einfließen lassen und damit basierend auf klassischen Science Fiction Ideen das Spektrum des Genres zu erweitern gesucht. In „Fluch der Unsterblichkeit“ handelt es sich um eine Art Invasion der Außerirdischen Geschichte. „Herr des Lichts“ zeigt, wie die Spätfolgen einer einseitigen „First Contact“ Begegnung sein könnten und selbst der „Herr der Träume“ spielt mit den virtuellen Welten, wobei der Amerikaner in diesem Fall die Rittermythologie basierend auf einer Variation der König Arthur Legende integriert. In „Götter aus Licht und Dunkelheit“ erschafft er eine Art eisernen General. Den ewigen Helden Moorcocks, erschaffen aus Stahl und Blut und Tränen, der seit Äonen auf unterschiedlichen Seiten kämpft und die Geschichte der Menschheit quasi in seinem von Narben übersäten künstlichen Körper vereint.

 Im Grunde handelt es sich bei diesem Roman um Roger Zelaznys zeitweiligen Abgesang an die Science Fiction und den Beginn seiner Fantasy Phase. Das ist im Grunde kein Vorwurf, aber der Amerikaner geht ausgesprochen opportunistisch vor und scheint das schockierend provozierende Element über einen in rudimentärer Form vorhandenen stringenten Handlungsverlauf zu stellen, so dass diese Flucht in Abstraktionen und vor allem Absolutismen die zu Beginn noch relativ klar umrissene Handlung erdrückt. Dabei ist die Grundidee fast ein typischer Zelazny.

 In einer eindrucksvollen, surrealistischen Szene beschwört Anubis nicht nur seine Untertanen und erweckt die Toten, er will einen Namenlosen aussenden, um den „Prinz-der-Tausend-ist“ zu töten. Auf einer zweiten, sehr viel später eingeführten Handlungsebene wird auch Osiris als Herr des Lebens ebenfalls einen Diener ausschicken, um den Prinzen zu töten. Greifbare Missionen durchziehen Roger Zelaznys Werk und ein wichtiger Aspekt ist, dass sich seine wichtigsten Protagonisten immer in Bewegung befinden. Entweder auf der Flucht vor etwas noch zu Bestimmenden oder wie im vorliegenden Roman auf einer auf den ersten Blick klar umrissenen Mission. Aber der Amerikaner macht es weder seinen Lesern noch vor allem den noch zu entwickelnden wichtigsten Protagonisten leicht. So können die Abgesandten diese Mission im Grunde nur erfüllen, wenn sie selbst nicht um ihre Mission wissen. Diese Idee wirkt skurril und unterminiert absichtlich mit fast sadistischen Vergnügen die normale Lesererwartung.

 Zelazny erschafft eine Art Kunstuniversum, in dem sich der Leser im Grunde nicht orientieren kann. Alle Exkurse zur „Erde“ wirken künstlich und übersteigert. Zu den kraftvollsten Szenen gehört ein Selbstmord durch Verbrennen, der zu einer Zirkusnummer ausgebaut worden ist, damit den Hinterbliebenen ein wenig Geld zukommt. Die Zuschauer folgen mit einem voyeuristischen Vergnügen den rituellen Selbstmord. Schockiert scheint man die Bühne zu verlassen, bevor Zelazny mit sichtlichem Vergnügen das Geschehen als magische Illusion entlarvt. Eine Varietenummer, mit welcher den Zuschauer das Geld aus der Tasche gelockt wird. Der Leser bleibt aber zweifelnd zurück. Handelt es sich nur um eine dreidimensionale, sehr umfangreiche Illusion oder ist echte Magie im Spiel?

 Genau definiert Roger Zelazny nicht das Universum, das sich diese ägyptischen Götter oder deren übernatürliche/ überirdische Variationen teilen. Handelt es sich um eine Art realen Raum oder spielt der ganze Plot in einer virtuellen Parallelwelt, die wie ein archaisch primitives „Computerschachspiel“ aufgebaut worden ist? Die Ähnlichkeiten zur ägyptischen Mythologie mit den leider angesprochenen späteren Abzweigungen in den Bereich der Griechen und der Nordmänner sind zu komplex, zu detailliert, als das die Geschichte irgendwo in den Tiefen des Alls spielen könnte. Auf der anderen Seite wirkt der Übergang zwischen dem Zwischenreich der Toten und den wenigen auf einer gegenwärtigen Erde spielenden Szenen zu heftig, zu wenig unvorbereitet, um in dieser Form geplant worden zu sein.

 Nach dem sehr guten und atmosphärisch intensiven Auftaktkapitel zerfällt der Roman in einzelne Abschnitte. Alfred Elton van Vogt hat in den fünfziger Jahren viele seiner sehr guten Kurzgeschichten zu Fugenromanen zusammengebaut, um so von dem prosperierenden Taschenbuchmarkt zu profitieren, obwohl er als Autor sich schon ausgeschrieben fühlte. Ein ähnliches, wenn auch weniger absolut bestimmbares Gefühl hat der Leser beim vorliegenden Buch. Es besteht aus einem Feuerwerk von Ideen wie den Kämpfern, die zwischen den Kämpfen anscheinend durch die Zeit eilen können, um sich entweder zu erholen oder neue Aufgaben zu übernehmen. Der schon angesprochene stählerne General ist ein so absolutes, ein dominantes Bild, das er eine eigene Geschichte verdient hätte. Die verschiedenen Zwischenwelten – so hält sich der ambivalent beschriebene, aber niemals effektiv definierte Prinz-der-Tausend-war anscheinend in einer dieser Welten auf, die später Zelaznys Corum Zyklus so faszinierend machen sollten – wirken voneinander isoliert und nicht harmonisch. Die Götterszenen könnten aus Dantes Inferno hinsichtlich ihrer Brutalität stammen, lenken aber die Aufmerksamkeit des Lesers von der eher improvisierten, sehr sprunghaften und am Ende sogar an ein Theaterstück erinnernden Handlung ab.

 Immer wieder weicht Zelazny von dem eher rudimentären roten Handlungsfaden ab und scheint in zahlreichen den Leser auch irgendwann erschöpfenden Exkursen neue Ideen einzubauen, die er aber im Umkehrschluss nicht konsequent bis zum Ende ausbaut, sondern plötzlich wieder abbricht. Natürlich ist das Finale wie der Auftakt raffiniert und herausfordernd geschrieben, sie wirken aber in sich isoliert und scheinen ein Sketchbuch von Ideen abzuschließen denn einen konsequent und vor allem diszipliniert geschrieben Roman. Hier vereinigen sich die Stärken und die Schwächen des vorliegenden Buches. Zu experimentell um seiner Selbst willen macht Roger Zelazny im Mittelteil des Fehler, sich nicht selbst zu disziplinieren und auf die Idee der ägyptischen Götterwelt zu konzentrieren. Er versucht zu viel auf einmal in den Handlungsbogen einzubauen und präsentiert im Umkehrschluss eine Art Torso von Roman, der ohne Frage mehr Ideen nicht immer abschließend extrapoliert in sich vereint als ganze Werke anderer Science Fiction Autoren. Aber am Ende der Lektüre fühlt sich der Leser erschöpft, intellektuell provoziert, vielleicht auch stimuliert, aber niemals nachhaltig befriedigt. In „Herr des Lichts“ hat Roger Zelazny eindrucksvoll gezeigt, dass diese Vorgehensweise funktionieren kann und wahrscheinlich wäre „Götter aus Licht und Dunkelheit“ nach einer weiteren, umfangreichen Bearbeitung und einer Erweiterung des Hintergrunds ein noch mehr provozierender und vor allem interessanter Roman geworden, aber in der vorliegenden irgendwie roh wirkenden Fassung bleiben abschließend zu viele Fragen offen, auch wenn Roger Zelazny nie ein Autor gewesen ist, der gerne dem Leser alles auf dem Silbertablett gereicht hat. Aber das Tablett alleine ist zu wenig.

  • Broschiert: 189 Seiten
  • Verlag: Bastei Lübbe (1981)
  • Originaltitel: Creatures of Light and Darkness
  • ISBN-10: 3404220331
  • ISBN-13: 978-3404220335