Soma Blues

Soma Blue, Titelbild, Rezension
Robert Sheckley

Wie Philip K. Dick hat es Robert Sheckley geliebt, seine gewöhnlich fast immer durchschnittlichen Figuren in ungewöhnliche Situationen zu bringen.  Bei den drei Romanen um den Alternative Detective Draconian ist das nicht ganz so einfach. Draconian ist ein zumindest vordergründig sehr ungewöhnlicher Protagonist. 

Im Grunde gehört er in den Romanen zu einer in den neunziger Jahren noch elitären Jetset Generation.  London, Paris, New York  und immer wieder Ibiza. Während er zum zweiten Mal im Auftaktband „The Alternative Detective“  nach Ibiza gezogen ist, verteidigte er in „Draconian New York“ sein Heim. Im vorliegenden dritten Buch „Soma Blues“ wird Draconian auf eine ungewöhnliche Art und Weise mit seiner früheren Vergangenheit konfrontiert. 

Zu Beginn des Plots hält er sich wieder für einen längeren Zeitraum in Paris auf. Die Hintergründe sind unklar, seine Finca auf der Insel steht noch und Freunde/ Kommunenmitglieder leben dort. Draconian lässt sich von einer älteren Frau buchstäblich aushalten, auch wenn es weder Liebe noch wirklich sexuelle Anziehung ist.  Sheckleys Figuren leben nicht selten in anderen, sehr viel exklusiveren Wohnungen. So hat sein Angestellter/ Freund Nigel im mittleren Band der Serie lange Zeit auf die Haustiere einer reichen Frau aufgepasst, die mehrere Monate im Urlaub ist. Er hat sich förmlich in deren Wohnung breit gemacht.

Ein Bekannter wird in Paris umgebracht. Die Spuren führen auf die Insel. Zum ersten Mal kommt es im Laufe der drei Bücher auch zu einem Konflikt zwischen Draconian und dem eher langweiligen Kommissar  Falcon.  Falcon möchte, dass Draconian auf der Insel nach den Hintermännern dieses offensichtlich im Zusammenhang mit der Einführung einer neuen Droge stehenden Mordes ermittelt.  Ansonsten würde er seinem vielleicht nicht unbedingt Freund, aber zumindest Bekannten  die Lizenz für  Ermittlungen in Frankreich entziehen. Was Falcon nicht weiß, aber der Leser schnell erfährt ist Draconians Interesse, den Fall aufzuklären.  Die neue Droge wird in kleinen besonderen Flaschen verkauft.  Und diese Flaschen  haben mal Draconian gehört, als er selbst weichere Drogen aus der Türkei vor allem unter den Künstlern auf Ibiza verkaufte.  Die Flaschen sind im Keller des Hauses zurückgeblieben, das er während der ersten Scheidung an seine Frau abtreten musste. 

So wird die Suche nach den Mördern auch zu einer eigenen Reise in die nähere Vergangenheit. 

Den grundlegenden Plot betrachtend  folgt Robert Sheckley den bekannten Mustern. Draconian  wird mehr oder minder herumgereicht.  Er begegnet seiner ersten Frau, die ihm einen entsprechenden Hinweis gibt.  In Paris und London nähert er sich aufgrund der Verfolgung eines Modells den potentiellen Tätern. Wieder zurück auf der Insel nehmen ihn die Verbrecher gefangen. Aber ab diesem Augenblick ist der Drogenschmuggel und die geordnete Einführung der im Grunde perfekten, nicht süchtig machenden und alle bisherigen Rauschmittel in den Schatten stellenden Kunstdroge, deren Entwicklung in einer Nebenhandlung ausführlich für den Leser, aber nicht die Protagonisten erzählt worden ist, zweitrangig. In einem fast an eine Farce erinnernden Showdown mit Kult und der Reinkarnation einer indischen Göttin; einem Schusswechsel im Off und der Rettung in letzter Minute schleift Sheckley die Handlung immer am Rande des Klischees entlang. Während „Draconian New York“ fast zu viel Stoff auf zu wenigen Seiten unterbringen wollte und deswegen auf eine ungewöhnliche Zusammenfassung der  Ereignisse im Epilog zurückgreifen musste, scheint Sheckley die ernsthafte rote  Linie verloren zu haben. 

Der exotische Kult, die Esoterik ziehen  sich ohne Frage durch den Roman, aber während des finalen Treffens erinnert viel zu viel auch gleichzeitig an eine überdrehte Komödie mit den üblichen Einschüben eines pulpigen Abenteuern aus den dreißiger bis fünfziger Jahren.

Im zweiten Handlungsbogen verbinden sich zwei  Ereignisse. Der  Leser erfährt viel mehr über Nigel,  Draconians Freund, Mitarbeiter und von ihm damals in der Türkei zurückgelassenen Weggefährten.  Nigel nimmt zwei Aufträge  für die Agentur auf. Er soll für das neu errichtete Hotel auf der Insel Ibiza laufende Meter an Kunst kaufen. Möglichst billig. Im Hotel wird der Handlungsbogen vorhersehbar entsprechend abgeschlossen. Die Kritik an den Geschmacklosigkeiten der oberen und neureichen Gesellschaft auf Ibiza ist in mehrfacher Hinsicht spürbar.  Draconian muss sich als Keller einschleichen, da seine Vertraute und neue Angestellte – eine ältere, finanziell unabhängige dickliche Amerikanerin, die Gott und den Rest auf der Insel kennt -  vor ihm im Hotel zur Eröffnungsfeier eintrifft.  Ohne in Slapstick abzudriften versucht Sheckley diese ermittlungstechnisch wichtige Szene hinter sich zu bringen.

Damit  fließt der eine Handlungsbogen um den durchaus aktiven Nigel in den zugrundeliegenden Plot ein. Bei Nigels zweiten Auftrag soll er für einen Diktator einer kleinen  in der Karibik liegenden Insel  Utensilien aus dem Staatsschatz verkaufen. Nicht unbedingt, um den Mann zu bereichern, sondern gemäß  dem sozialistischen Ansatz soll das Geld unauffällig der kommunalen Gemeinschaft zufließen. Da die Insel eine sehr lange Tradition unter anderem mit Piraten hat, die vor  mehreren hundert Jahren sie als Ankerplatz nutzen, ist die Herkunft der Kunstwerke nicht mehr  klar zu erkennen. Es  muss also diskret verkauft werden. Auch dieser Handlungsbogen nimmt einen breiten Raum an, führt aber abschließend eher ins Nichts.

„Soma Blues“ zeichnet ein  noch ruhigeres Tempo als den zweiten Roman der Serie aus. Nicht selten verlässt sich Robert Sheckley alleine auf die Stimmung vor allem Ibizas und die Stimmungen der durchweg farbenprächtigen, exzentrischen bis bizarren Figuren, denen  Draconian begegnet.  Sheckley hat dabei die Angewohnheit,  jeder Figur einen Moment der Aufmerksamkeit zu schenken, was  teilweise dem Plot die notwendige Dynamik nimmt. Bei einigen der Protagonisten fließen deren Erfahrungen und Erlebnisse wieder zurück in den Handlungsbogen, bei einigen anderen Figuren verlaufen sich deren Spuren buchstäblich im Sand.              

 Nachdem Draconian unter Druck gesetzt worden ist, nach der Herkunft der Drogen zu suchen und damit die Mörder zu  entlarven, erwartet der Leser eine gewisse dynamische Initiative. Das Gegenteil ist der Fall. Draconian reagiert zwar kurz auf die Tatsache, dass seine Vergangenheit mittelbar mit der „Soma Blues“ Droge zu tun haben könnte, aber  er agiert nicht hektisch oder instinktiv. Viel mehr fallen ihm die einzelnen Versatzstücke in den Schoß.  Hinzu kommt ein wenig Wehmut über die Veränderungen, denen sich Ibiza im Allgemeinen und vor allem die nicht mehr so einzigartige europäisch-  amerikanische Minderheit stellen muss.  Das unterstreicht die immer einzigartige dreidimensionale und aus heutiger  Sicht natürlich wie ein Fenster in die nähere Vergangenheit erscheinende Atmosphäre der Baleareninsel, aber vor  allem für  einen abschließenden Roman einer Trilogie geht Robert  Sheckley den finalen letzten Schritt nicht weiter und lässt zu viele hintergrundtechnische Fragen offen.

Zurück bleibt der Eindruck, von den drei Draconian Büchern ohne Frage sehr kurzweilig und vor allem auch humorvoll subversiv unterhalten worden zu sein.  An keiner Stelle geht Robert Sheckley wirklich nachhaltig hinsichtlich der Kriminalfälle in die Tiefe und manchmal werden diese Plots mit zu leichter Hand erzählt, aber die Ansammlung von spätestens im dritten Buch sehr vertrauten Figuren auf der Suche nach einem sozialistischen Kommune Paradies auf den Belearen  entschädigt für einige inhaltliche Konstruktionen.        

  • Gebundene Ausgabe: 222 Seiten
  • Verlag: Forge (1. April 1997)
  • Sprache: Englisch
  • ISBN-10: 0312862733
  • ISBN-13: 978-0312862732
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