Unbedingte Offenheit - Kritik zu Star Trek: Picard 1.04

SPOILER

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Inhaltlich kommt Star Trek: Picard dieses Woche nicht wahnsinnig weit voran, Episode 1.04 “Unbedingte Offenheit” bietet aber dafür mit einem wilden Genre-Mix einiges an Unterhaltung. Das Drehbuch stammt von Michael Chabon, Regie führte Jonathan Frakes.

Wie bizarr!

Dies gleich vorweg - die Serienmacher wissen, dass es stellenweise doch etwas bekloppt ist. Über die Figur Agnes Jurati teilen sie unumwunden mit: Ja, zugegeben, romulanische Assassinen-Kampfnonnen-Sekte mit Waisenjunge Legolas -  ist alles a weng bizarr, bietet aber hübsche Szenen.

Picard begibt sich also auf Außenmission auf dem Planeten Vashti, wo einst zumindest einige Romulaner im Rahmen der Rettungsmission, mit Hilfe der Schwesternschaft Qowat Milat (besagte Nonnen) übergesiedelt worden sind und sich auf Versprechen von Picard/Sternenflotte verlassen haben. Tjanun, dann passierte die Marsattacke und Jean-Luc hat sich für 14 Jahre verkrümelt. Stolze Leistung, Jean-Luc. Slowclap.

Bei allem Verständnis, dass ohne die Föderation nichts Großes ausgerichtet werden kann, aber zumindest mal eine Brieftaube schicken oder sich auch nur über den Werdegang des Planeten/der Siedlung ab und an informieren war neben der Pinot-Ernte wohl nicht drin. So setzt sich das Thema “Ich melde mich, wenn ich was brauche - dafür schauspieler ich auch eine Entschuldigung” fort, oder wie Raffi es genervt auf den Punkt bringt: “The man can’t even take a guilt trip without using a starship”.

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Togo hon dad, Legolas! Dago hon!

Jean-Luc schlägt also noch zu Zeiten der Rettungsmission in einem weißen Leinenanzug nebst Panama-Hut (Kolonialherr-Cosplay? Kolumbianischer Drogenbaron? Bibel-Missionar? Tourist?) auf, spielt ein wenig mit dem Waisenjungen Elnor, bringt ihm europäische Kultur näher und hätte vermutlich auch noch einen Brunnen gebaut, wenn nicht die Marsattacke seine Achtsamkeits-Auszeit im exotischen Kloster unterbrochen hätte.

14 Jahre später braucht er einen Assassinen (that escalated quickly), und wie praktisch, dass die Schwestern den kleinen Elnor, der nun im vollen Legolas-Modus ist, nicht nur in ihrer Religion (absolute Offenheit, lass die Gefühle fließen), sondern auch Kampfkunst unterrichtet haben. Da er wegen seines Geschlechts eh nie wirklich Teil ihrer Gemeinschaft werden kann und mit Picard das ein oder andere aufarbeiten muss - ab ins All mit ihm.

Doch zuvor muss Jean-Luc noch loswerden, wie kacke er Rassismus (vor allem, wenn es ihn scheinbar selbst betrifft) findet. In der Westerndorf-Siedlung (mit Akustikgitarre/auffälligen Klängen?) auf Vashti erinnert man sich jedoch auch sehr gut daran, wer Picard ist und was sie ihm vermeintlich zu verdanken haben - nämlich nichts weniger, als auf seine Worte reingefallen zu sein, was kurzzeitig die Romulaner verunsichert, verstreut und schließlich auch gespalten habe. Eine verärgerte Gruppe Romulaner, die ihre Heimat verloren hat - was soll schon schief gehen. Immerhin sind sie so nett, dass sie sich an den Anfang der Folge erinnern und so nicht nur - passend zum vorgelesen Buch “Die drei Musketiere” - statt ihre Phaser zu nutzen ein Duell mit Degen initiieren, sondern auch Elnor die Möglichkeit geben zu zeigen, was er kann. Warum auch immer Picard überrascht ist, dass ein Assassine/Personenschützer-Elb tötet. Wobei ich zugegeben in einer Trek-Serie nun auch nicht mit solch einer Enthauptungsszene gerechnet habe (oder gebraucht hätte), aber nungut.

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Der Weltraum, unendliche Weiten ...

… Langeweile - zumindest für Dr. Jurati, die anscheinend noch nie zuvor im All gewesen ist. Gut, ich mochte Agnes ohnehin ab ihren ersten Auftritt, aber in dieser Episode wächst sie mir nochmal mehr ans Herz. Sie taut auf und zeigt neben Kompetenzbewusstsein nun auch ein sichereres Auftreten und Humor, gerne mehr.

Bevor ich das Wichtigste vergesse: Unser Schiff hat einen Namen - La Sirena (mehr so wie Meerjungfrau oder wie Martinshorn?!?).

An Bord gibt es ein Wiedersehen mit dem “Gastfreundschafts-Hologramm” und dank diesem sowie Zhaban müssen wir auch jenseits der Erde nicht auf die warmweiche Weingutwelt verzichten (plus: man spart sich, einen weiteren Innenraum zu bauen). Raffi darf nochmal zeigen, dass sie keine Lektion der Nonnen nötig hat, da sie insbesondere JL ohnehin immer mit unbedingter Offenheit entgegnet, und wir lernen ein weiteres Hologramm-Ego sowie Schimpfworte von Rios kennen.

Als Bonus bekommen wir eine kleine feine Raumschlacht und Technik-Spielereien zu sehen. Mit Leuchtdingen in der Luft per Hand rumschieben àla Tony Stark und Blick von der Brücke auf Planeten kann man mich irgendwie immer wieder begeistern. Sehr schön auch der kurze Moment, in dem Jean-Luc den “Auf den Schirm”-Befehl gibt und sofort selbst merkt, dass er ja gar nicht der Captain an Bord ist.

Tatsächlich gelungen und überraschend finde ich das Auftauchen von Seven of Nine. Also das Wie, Wo und Wann - dass sie eine Rolle hat, war ja klar. Laut des Ready Room, CBS’ offizieller Folgennachbesprechung, soll sie uns noch etwas länger begleiten.

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And they have a plan

BSG-Zitat heißt: Ab zum Borgwürfel-Artefakt-Rückgewinnungsstation. Aber ich bitte euch, das ist dieses mal ja beinahe wörtlich so gefallen. Narissa-Rizzo macht immer noch einen auf Möchtegern-Georgiou-Domina-Cersei-Bösewicht zu Bösewichtmusik (langweiliger als Weltraum) und gibt ihrem Bruder Narek zu verstehen: “Your little robot girl has a plan” - nicht vergessen, sonst Schmerz.

Narek versucht zwar halbherzig, mit Hinterfragen mehr über Soji und ihrer Herkunft zu erfahren, noch lieber schliddert er aber mit ihr zu Liebesfilm-Musik durch Borgwürfel (hübsche Kulisse) und fummelt rum. Gosh, die Musikauswahl in dieser Folge macht mich irgendwie fertig. Musste bei dem gesäuselten “I see you” noch jemand an Avatar denken?

Und wie praktisch ist bitte, dass man im Borgwürfel einfach nur bisschen durchkehren und Lichterketten aufhängen muss, um eine Mitarbeiter-Bar zu bekommen. Das entspricht völlig meiner realen Erfahrung, wie man jeden noch so schlimmen Raum sofort gleich wohnlicher wirken lassen kann. Auch hier gilt: Mit Leuchtdingen kriegt man mich.

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Fazit

Das hört sich bis jetzt vielleicht schon wieder alles eher negativ an, dabei hatte ich ehrlich jede Menge Spaß mit der Episode. Der Genre-Mix aus Fantasy-Abenteuer-Action-Comedy-Liebes-Western-Sci-Fi-Film nebst entsprechender Musik und Enthauptung, gepackt in eine Episode, kam nur etwas unerwartet. Aber alles gut, ich fliege weiter voll Vertrauen mit Jean-Luc und erfreue mich an tollem Schauspiel, lache nur auch mehr als gedacht. Schon der Trailer zur nächsten Folge verspricht gleich weitere Beklopptheiten.

Star Trek: Picard - "Stardust City Rag" Episode 5 Preview

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